Paul Cézanne: Vollendet - Unvollendet

Ausstellung im Kunstforum Bank Austria bis 25. April 2000

Nach mehr als vier Jahrzehnten findet erstmals in Österreich wieder eine große Cézanne-Ausstellung statt. 80 Gemälde und 30 Aquarelle von öffentlichen und privaten Leihgebern aus aller Welt werden seit 20. Jänner 2000 im Kunstforum gezeigt.

Nach der Retrospektive über das Gesamtwerk 1995 (Paris/London/Philadelphia) konzentriert sich die Wiener Ausstellung auf den wichtigsten Aspekt im Schaffen Paul Cézannes, auf jene Bilder, die den Franzosen aufgrund ihrer neuartigen Ästhetik zum „Vater der Moderne“ gemacht haben: die „unvollendeten“ Werke.
 

Erste Fassung der Großen Badenden, 1904–06, Öl auf Leinwand

Foto: Privatbesitz

Mehr als die Hälfte aller Arbeiten stammt aus den letzten beiden Jahrzehnten seines Schaffens, also von etwa 1885 bis 1906. Die Ausstellung kulminiert in den späten Landschaftsbildern – Gemälde der Landschaft um Aix, vorzüglich der Montagne Sainte Victoire – und der Serie der Porträts des Gärtners Vallier. Einen weiteren Höhepunkt bildet Cézannes Auseinandersetzung mit dem Thema der Badenden.

Vollendet – Unvollendet
Die Geschichte des Ruhms und die Wirkung Cézannes sind nicht zu lösen von seinen „unvollendeten“ Werken. Obwohl Cézanne an sich den Anspruch stellte, die Malerei auf dem Boden der Klassik zu erneuern, hat kein anderer Künstler so viele „unvollendete“ Werke geschaffen wie Paul Cézanne.

Für Cézannes Zeitgenossen waren diese Gemälde ein Streitfall. Sie entstanden zu einer Zeit der heftigen Diskussion darüber, ob die handwerkliche Ausarbeitung und die vollständig bedeckte Leinwand als Gradmesser der Vollendung eines Bildes zu gelten hatten. Zur Debatte stand, ob das Malerisch-Skizzenhafte und das Einweben freigelassener Stellen der Leinwand in der Malerei als ästhetisch überzeugende Qualität eines Bildes angesehen werden konnten. Das „Unvollendete“ bei Cézanne ist jedoch das „Vollendete“ schlechthin: Nicht Skizze, nicht Etude, nicht vorbereitende Studie und vor allem – nicht unfertig. Historisch verweist der Aspekt des „Unvollendeten“ in der Malerei Cézannes auf die Geschichte des Torsos und des Fragments in der Skulptur: Ihr Meister war Rodin, ihr Heros Michelangelo.

„Vollendet – Unvollendet" meint nicht „Fertig – Unfertig“. Das „Unvollendete“ erzeugt in Cézannes Spätwerk eine neue, vom tatsächlichen Eindruck des Sehens unabhängige Wirklichkeit. Damit wurde Cézanne – wie neben ihm, aber mit anderen Mitteln, Seurat, van Gogh und Gauguin – zum Begründer der Moderne.

Er zeigt uns nicht mehr – wie die Impressionisten und die Geschichte der Malerei zuvor – einen Ausschnitt aus der Wirklichkeit. Seine Bilder sind keine Fenster zur Realität. Wenn Cézanne einen Apfel malt, dann geht es nicht um die Darstellung der Frucht, um ihren Geschmack, um ihren Geruch. Es geht Cézanne um etwas anderes: um eine, durch die Malerei erzeugte, autonome Bildwirklichkeit. In diesem Prozeß der Bildfindung spielt das Unvollendete als eine der Realisations-Möglichkeiten für Cézanne eine maßgebliche Rolle.

Cézannes unvollendete Bilder weckten bei der Kritik in gleichem Maße Anstoß wie sie von Cézannes Kollegen – Monet, Renoir, Pissarro – geschätzt und von der Avantgarde – Matisse und den Fauves genauso wie von Picasso und den Kubisten – als Vorbild angesehen wurden.

Die Ausstellung im Kunstforum zeigt Cézannes Arbeit am Vollendungsgrad des Bildes. Vergleiche von voll ausgemalten Gemälden mit sogenannten „unvollendeten“ erlauben einen völlig neuen Einblick in seinen Schaffensprozeß.

Zugleich führt die Ausstellung als Retrospektive durch alle Schaffensphasen des Künstlers und zeigt, wie Cézanne die Ästhetik des Unvollendeten in der Malerei zu Beginn der Moderne zu einer neuen Akzeptanz geführt hat.

Nicht zufällig sind es gerade diese Gemälde und Aquarelle, die uns heute vor allem faszinieren, die uns als im höchsten Grad vollendet, in ihrer Ästhetik vollkommen erscheinen. Mit dieser Ästhetik des Unvollendeten eröffnet Cézanne das 20. Jahrhundert, mit ihr weist er in die Zukunft, bis hin zur Abstraktion.

Die Ausstellung zeigt wie keine Ausstellung zuvor, was der Maler mit der allmählichen Vergegenständlichung der Farbformen gemeint hat: Wir sind Zeuge der schrittweisen Verwandlung der Welt in Malerei.

„Ich nehme rechts, links, überall diese Farbtöne, diese Nuancen. Ich fixiere sie, bringe sie zueinander; sie bilden Linien, werden allmählich Gegenstände, Felsen, Bäume, ohne daß ich daran denke.“ Paul Cézanne.


Paul Cézanne: Vollendet – Unvollendet

Bis 25. April 2000, täglich 10.00 bis 19.00 Uhr (auch feiertags), Mittwoch 10.00 bis 21.00 Uhr; Führungen Mittwoch 18.30, Samstag 16.30 Uhr, Sonntag 11.00 und 15.00 Uhr

Bank Austria Kunstforum
Freyung 8, A-1010 Wien
www.cezanne.at
www.kunstforum-wien.at