Leserbriefe zum Wahlausgang

Als Sammler zeitgenössischer faschistischer Tendenzen in allen möglichen Ländern liegt mir leider die Versuchung nahe, darauf hinzuweisen, was im Namen von Freiheit und Demokratie anderwärts an Schindluder getrieben wird. Wenn man in den USA lebt, kann einem dazu allerhand einfallen. Aber ich möchte der Versuchung widerstehen.
Insgesamt muß man sich aber fragen, welchen Interessen die Übertreibungen dienen, die jetzt über die österreichische Innenpolitik im Ausland verbreitet werden. Es ist sicherlich verständlich, daß beispielsweise Israel rechtsgerichtete politische Bewegungen überall aufmerksam und mit Sorge verfolgt.
Zweifellos ist die politische Situation in Österreich problematisch. Ganz abgesehen von der politischen Richtung der FPOe schon ganz alleine deswegen, weil die Regierungsbildung und Mehrheitsbildung schwierig sein wird. Das ist allerdings eine Angelegenheit, bei der ausländische Kräfte nur sehr wenig helfen, aber unter Umständen ziemlich viel schaden können. In manchen Fällen wird letzteres wohl mit Absicht geschehen.
Hoffen wir, so zynisch das klingen mag, auf eine baldige Weltkrise — anderswo.
Alfred Kracher
Iowa State University

Ich teile die Besorgnis über die Ergebnisse der österreichischen Nationalrats-wahlen, wie sie sich in der ausländischen Presse und den Aussagen von ausländischen Politikern in den letzten Tagen widerspiegelten. Ich bin höchst dankbar dafür. Gottlob dürfen wir in einer freien Welt unsere Meinung äußern!
Viele Österreicher haben mittlerweile angefangen, zu erkennen, daß unser Ansehen in der Welt ein ganz anderes ist, als wir uns selber jahrzehntelang blauäugig vorgegaukelt haben. Daß wir als Volk und als Einzelpersonen, als Österreicher, eine Schuld abzutragen haben, unseren jüdischen Mitbürgern gegenüber, den Roma und den Sinti, den religiös und politisch Andersdenkenden. Erst seit der Waldheim-Krise gibt es endlich auch in österreichischen Buchhandlungen Publikationen, die sich in kritischer Weise mit der Geschichte unseres Jahrhunderts auseinander setzen. Erst seit damals sehe ich wenigstens bei einem Teil meiner österreichischen Mitbürger ein Abrücken von der Illusion, daß wir alle so ungeheuerlich liebenswert, gescheit und wunderbar sind, daß uns die ganze Welt liebt. Das Wahlergebnis spiegelt Fremdenfeindlichkeit, Kantönligeist, Intoleranz und nicht aufgearbeitete Ängste wider. Kein Wunder, daß das Ausland mit Besorgnis reagiert.
Ich hoffe aber, daß die Empörung Anlaß zur Diskussion und zum Überlegen - vielleicht sogar zur Standortbestimmung vorgefaßter Meinungen und zum Ablegen gefährlicher Illusionen über uns selber werden kann, wie das dank der Waldheim Krise schon einmal geschehen ist. Ich bin froh, daß die Wahlergebnisse und die harten Reaktionen des Auslandes darauf uns allen weiterhelfen, nachzudenken, nachzuforschen und vielleicht einander im Gespräch besser kennenzulernen.
Elisabeth Pozzi-Thanner
New York City

Als (nach über 20 Jahren nun schon fast professioneller) Auslandsösterreicher habe ich so einiges über mich ergehen lassen müssen: „Schifferlversenken“, Glykol im Wein, Waldheim, etc. etc.!
Ich sehe den Wahlerfolg der Blauen als eine Kombination so mancher Unlustgefühle aus vielen Ecken und keinen Rechtsruck — vielmehr eine Retourkutsche für die Koalition! Die Politiker haben sich über viele Jahre hin nicht als Volksvetreter aufgeführt, sondern haben es sich angemaßt, dem Volk das selbständige Denken abzugewöhnen. Churchill hatte recht: jedes Volk verdient seine Regierung … Österreich hat eine Alternative „verdient“/gebraucht. Daß sich diese Alternative nun eben so darstellt wie es jetzt erscheint, ist wohl (auch) damit zu begründen, daß dies eben die einzig praktische Alternative war.
Es bleibt zu hoffen, daß dieses Wahlergebnis — wie auch immer es letztendlich ausfallen mag — einen gehörigen Denkanstoß verursacht und zu einer Erneuerung der ehemals kreativen und vorwärtsstrebenden Koalition führt.
Dr. Siegfried E. Tischler
Jakarta Selatan, Indonesien


Ob durch Unwissenheit oder Absicht, es ist Einmischung in interne Angelegenheiten eines befreundeten souveränen Staates. Es ist zu hoffen, daß Österreichs Politiker und Medien diesen Berichten solidarisch aufklärend entgegentreten werden.
Diese Berichte waren hier nur Gesprächsstoff für kurze Zeit. Der Australier, tolerant und mit politischer Reife, scheint diese verleumderischen Darstellungen zu erkennen.
Hermann Wandl
Sydney / Australien

Mich erinnert die Geschichte an die Causa Waldheim. Auch als Nicht-FPÖ-Wähler bin ich der Meinung, daß eine in Österreich demokratisch getroffene Entscheidung nicht vom Ausland zu kritisieren ist. Derartig negative Kommentare werden die Österreicher nur fester zusammenschweissen und eine Regierungsbeteiligung der FPÖ eher erleichtern als erschweren.
Franz Weinberger
Teheran

Ich lebe seit 11 Jahren in den Niederlanden und muß sagen, daß sich Österreich in den Augen der anderen europäischen Länder wieder einmal voll blamiert hat. Ich arbeite mit Menschen aus allen Teilen Europas zusammen und muss mir nun ständig unangenehme Kommentare und Fragen gefallen lassen, denen ich nur schwer entgegenen kann.
Kein Nicht-Öesterreicher weiß wirklich, wie die politische Lage in Österreich ist und warum es zu dieser Wahl gekommen ist. Es wird aber von allen generalisiert und über einen Kamm geschert. Und da die Medien weltweit ihren Teil auch noch dazu beigetragen haben, erscheinen wir wieder einmal als Nazi-Nation.
Ich denke auch, daß die Österreicher sich nicht bewußt sind, welche schlechten Auswirkungen diese „Blau-Wahl“ auf unser Land haben würde. Sicher war die Wahl eine demokratische Entscheidung, aber das gilt in unserem Fall, mit unserer NS-Vergangenheit nicht. Was zählt ist, daß ein Mann, der sich so viele „rechts“-Ausrutscher erlaubt hat, niemals in der Regierung sitzen kann und darf. Ich hoffe, daß dies verhindert wird, sonst sehe ich wirklich schwarz für unser Österreich.
uurbanek@estec.esa.nl