Urnengang via Internet?

Die Nationalratswahl am 3. Oktober 1999 fand noch auf „herkömmliche“ Weise durch Stimmabgabe in einer Wahlzelle statt. Zukunftsprognosen sagen aber voraus, daß die Wahlberechtigten in zehn bis 15 Jahren über das Internet ihre Stimme abgeben werden. Die Sicherheit sei dabei dank technischer Entwicklungen gewährleistet, hieß es auf einem Symposium für Datenschutz und Informationssicherheit in Zürich.

In den USA wird Online-Voting bereits in realen Szenarien getestet. Die Internetfirma „Soundcode“ führte in dem Dorf Montesano/ Washington unter 176 Wahlberechtigten die erste Internet-Abstimmung durch. Der Versuch verlief positiv. Hierzulande fängt man mit dem Thema noch wenig an. Immerhin gibt es seitens der Regierung innovative Ansätze im Anwendungsbereich politischer Partizipation.

Hier sind vor allem die Verwaltungsplattform „help.gv“, das Parlamentsinformationssystem (Anträge, Berichte, Anfragen, Gesetzesvorschläge, etc.) und das Rechtsinformationssystem des Bundeskanzleramts (beinhaltet Bundesgesetzblätter, Judikatur und Bundesnormen) erwähnenswert. Erste Ansätze für neue Partizipationsformen durch den Einsatz von Informations- und Kommunikationstechnik (IKT) finden sich auch bei den Internetangeboten der politischen Parteien. IKT-Anwendungen, die über politikbezogene Informationssysteme hinausgehen, sind jedoch in Österreich noch wenig ausgeprägt.

Rupert Schmutzer vom Institut für Technologiefolgenabschätzung der österreichischen Akademie der Wissenschaften mangelt es schlicht am politischen Willen zur Umsetzung: „Online-Voting ist in Österreich derzeit weder in der Wissenschaft noch in der Anwendung ein Thema.“ Für Petra Wagner vom Austria Research Center in Seibersdorf sprechen „noch zahlreiche rechtliche und regulatorische Defizite“ gegen das Online-Voting. Während sich aber technische Defizite relativ rasch lösen lassen (z. B. SET bei Kreditkarten, Einführung der digitalen Signatur, Kryptografie), würden die regulatorisch-institutionellen Rahmenbedingungen weit hinterher hinken.

Das einzig nennenswerte Online-Voting-Projekt in Österreich wird derzeit vom Magistrat der Stadt Wien (Stadterweiterung) gemeinsam mit dem Wiener Software-Unternehmen „Public Voice“ durchgeführt. Dabei handelt es sich um eine elektronische Plattform, die bei neuen Bauprojekten eingesetzt wird, um die betroffenen Anrainer in Entscheidungen einzubeziehen. Derzeit wird das Vorhaben als Forschungsprojekt bei der EU eingereicht. Ein ähnliches Projekt, allerdings auf Telefonanwendung basierend, gab es bereits 1995 mit dem „Grätzltelefon“. Ziel des Feldversuches war es, einen Telefonservice einzurichten, der es jedem Anrufer ermöglicht, lokalspezifische Informationen auszuwählen, diese akustisch oder per Fax abzurufen oder einen Diskussionsbeitrag abzusetzen.

Auch Schweizer Forscher halten Wahlen und Abstimmungen über das Internet in absehbarer Zeit für durchführbar. Die Sicherheit sei dabei dank technischer Entwicklungen gewährleistet, hieß es auf einem Symposium für Datenschutz und Informationssicherheit in Zürich. Vor einem übereilten Einsatz des Internet bei Wahlen wurde aber gewarnt.

Nach Ansicht von Professor Ueli Maurer vom Fachbereich Informatik der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich (ETH) könnten Wahlen und Abstimmungen schon in zehn bis 15 Jahren ausschließlich über das Internet durchgeführt werden.

Die Probleme bei Abstimmungen und Wahlen seien aber deutlich komplexer als beim Online-Banking. So sei zum Beispiel sicherzustellen, daß nur legitimierte Stimm- und Wahlberechtigte Zugang zur Abstimmung erhielten, mehrfache Abgaben von Stimmen müßten verhindert werden, das Ergebnis müsse unverfälschbar und auch nachträglich überprüfbar sein. Und dabei müßten die einzelnen Stimmen geheim bleiben.

Eine digitale Lösung mit einem einzigen Zentralcomputer wie beim Online-Banking kommt laut Maurer nicht in Frage. Das Risiko sei zu groß, daß das zentrale System manipuliert werde. Manipulationen müßten grundsätzlich ausgeschlossen werden, da allein ein entsprechendes Gerücht oder ein Verdacht zu Problemen führe.

Neuere Vorschläge aus der Forschung laufen darauf hinaus, für digitale Urnengänge mehrere unabhängige Computersysteme zu verwenden. Die Stimmen würden verschlüsselt und blieben dies auch beim Zusammenzählen. Die Entschlüsselung zu betrügerischen Zwecken soll nicht möglich sein. Nur die Abstimmungs- und Wahlergebnisse würden in entschlüsselter Form berechnet und publiziert.