Das Portrait

 
Von einem, der auszog das Wissen zu mehren

Der Auslands-Niederösterreicher Mag. Fritz Baaz hat nach seiner Lehramtsprüfung an der Universität Wien „Deutsch für Ausländer“ unterrichtet — an der Volkshochschule Wien-Hietzing. Ein „Ausflug“ an die University of Colorado führte ihn und seine Familie, über Waidhofen an der Ybbs, nach Guatemala.
Ein Portrait von
Traude Walek-Doby.




Foto: Privat
  Wer sich einen Lehrer nur mit erhobenem Zeigefinger und einen Manager nur mit fünf Telefonen gleichzeitig am Ohr vorstellen kann, der muß seine Vorstellung revidieren, wenn er mit Mag. Fritz Baaz zusammentrifft. Lehrer und Manager — beides erfolgreich und optisch keines von beiden, das ist Fritz Baaz. In den fast fünfzig Jahren seines Lebens hat er sich die Begeisterungsfähigkeit und Lebhaftigkeit bewahrt und eine Entschlußfähigkeit ausgebaut, die glücklicherweise nicht auf Kosten der Gemütlichkeit ging.

Geboren wurde der blonde Fritz in Ybbsitz, als Sohn des Tierarztes Dr. Friedrich Baaz am 10. Juli 1949.
Nach dem Gymnasium in Waidhofen an der Ybbs zog es ihn jedoch zur Mathematik und Geographie und in diesen Fächern legte er auch die Lehramtsprüfung an der Universität Wien ab. „Deutsch für Ausländer“ stand zunächst auf dem Programm der Volkshochschule Wien — Hietzing, bis er die Chance bekam, als Teaching Assistant an der University Colorado in Denver mitzuarbeiten. Das war eine beruflich sehr interessante Zeit, die nur den Nachteil hatte, finanziell so wenig einträglich zu sein, daß man von den bisherigen kleinen Ersparnissen zuschießen mußte. Für seine Frau Karin, eine ausgebildete Medizinisch-technische Assistentin aus Schwechat, besonders frustrierend, da sie mit der einjährigen Tocher Almuth isoliert daheim saß und in keiner Hinsicht die nötige Bewegungsfreiheit hatte. Für ihn „war es sehr schön gewesen“, für sie „hatte es nicht länger sollen sein“. Nach einem Jahr wieder zurück in Österreich wurde 1977 Sohn Thomas geboren und für weitere acht Jahre ernährte die HTL Waidhofen mit Mathe und Geographie ihren Mann und seine Familie.

Wenn die Heimat zu heimelig wird …
Neunundneunzig von hundert Familien hätten es nun dabei belassen: sicherer Beruf, zwei liebe Kinder, sozial eingebettet in einen großen Familien- und Freundeskreis. Was kann einen Menschen veranlassen, diese heimelige Idylle aufzugeben? Einen wie Mag. Baaz nur: daß es zu heimelig wurde. Sollte das alles sein — bis zur fernen Pensionierung?!
Er begann also in der Welt herumzuschauen, wo eine passende Stelle frei wäre — und tatsächlich, an der Österreichischen Schule in Guatemala wurde ein Lehrer mit seinen Fächern gebraucht.

Die Familie übersiedelte also nach Zentralamerika. In mancher Hinsicht traumhaft: ein Land mit interessanter Geschichte und Kultur, beruflich eine neue Herausforderung, die Kinder mit acht und zehn Jahren „aus dem Gröbsten heraus“ und an allem Neuen, was die Tropen bieten, hoch interessiert — aber eben auch eine fremde Welt mit einer fremden Sprache und vor allem ein Land mit bereits 25 Jahren Bürgerkrieg.

Für Frau Karin, die in Österreich begonnen hatte Psychologie zu studieren, hieß es nun „bitte warten“. Zu lernen und sehen gab´s ja ansonst genug, zunächst einmal die spanische Sprache. Die zahlreichen Fahrten in den Urwald und zu den Maya-Kultstätten brachten eine Fülle von neuen Eindrücken. 1990 wurde aus Professor Fritz Baaz der Direktor Fritz Baaz. Die Gestaltungsmöglichkeiten an der Österreichischen Schule sind in Guatemala viel größer als in Österreich, allerdings auch die Bandbreite der Anforderungen und der Arbeitseinsatz. Allein die Zahlen sprechen eine deutliche Sprache: zwei Schultypen mit über 2.000 Schülern und 220 Lehrern und Angestellen galt es zu leiten, ein Areal von 8 Hektar Größe, mit allen Gebäuden und Sportanlagen zu verwalten, soziale Aufgaben zuhauf — dazu die Spannungen politischer und sozialer Natur in Guatemala, die wirtschaftliche Unsicherheit. Allein die Schutzbefohlenen vor Überfällen zu schützen, stellt eine heikle Aufgabe dar, denn die Menschen wollen ja geschützt und nicht eingesperrt sein! Wenn einer da keine hervorragenden Managerqualitäten hat, steht er auf verlorenem Posten und alles endet im Chaos.

Aber Direktor Baaz hat sie und führte das „Schulschifflein“ zu neuer Blüte inmitten einer recht stürmischen See. So setzte er eine beispielhafte Sozialversicherung mit Pensionssystem für guatemaltekische Lehrer durch, deren große Bedeutung die Betroffenen erst nach Jahren erkannten, baute die Mitarbeit der österreichischen Lehrer an den bilingualen Landschulen für die Maya-Bevölkerung aus — um nur zwei der erfolgreichen Nebenbeschäftigungen zu nennen, von denen jede einzelne für so manchen anderen schon ein anstrengender Hauptberuf gewesen wäre. Auf Grund dieser fachlichen und diplomatischen Fähigkeiten wurde Direktor Baaz beispielsweise noch Berater in der Erziehungskommission des Zentral-amerikanischen Parlaments — natürlich ehrenamtlich und unbezahlt, aber mit einem sehr wichtigen Einfluß auf die Weiterentwicklung des guatemaltekischen Schulsystems.

In Mittelamerika stellt die Österreichische Schule ein höchst angesehenes leuchtendes Beispiel für ein Zentrum von Wissen und Bildung dar, wie sich das jemand nur vorstellen kann, für den die Welt nicht vor seiner Haustür endet und der einmal vor Ort Einblick genommen hat.

Daß das Ansehen Österreichs in Zentral-amerika so hervorragend ist, verdanken wir nicht zuletzt dem unermüdlichen Engagement von Fritz Baaz.

Neue Horizonte am gleichen Ort

Nach zwölf Jahren Guatemala, davon acht als Direktor der Österreichischen Schule, ist der Zeitpunkt der Rückkehr nach Österreich erreicht, oder — wie Direktor Baaz feststellen mußte: vielleicht überschritten. In Österreich eine adäquate Stelle zu finden, ist außerordentlich schwierig. Die Wirtschaft sucht keinen Lehrer, im Schulwesen braucht man keinen Manager dieses Formats. Auch neigt man hier eher dazu, das zu sehen, was einer in zwölf Jahren Abwesenheit verpaßt haben könnte, als das, was er in dieser Zeit im Ausland gelernt und geleistet hat.

Guatemala hingegen braucht Leute wie Fritz Baaz sehr dringend, beispielsweise beim Aufbau von Tourismus und Freizeitwirtschaft. Dazu bedarf es hochqualifizierter Ausbildungsstätten, von denen es in Guatemala noch wenige gibt. Diese auf die Beine zu stellen ist nun die neue Aufgabe. So wird aus dem Schuldirektor ein Schulgründer — keine geringere Herausforderung, wenn man die Situation in Guatemala kennt. Die vielseitigen Kontakte, der Bonus seiner absoluten Integrität und die bewährten Charaktereigenschaften bilden für Fritz Baaz eine erfolgversprechende Ausgangsbasis.

Frau Karin ist es zufrieden: sie konnte kürzlich ihr Studium mit dem Magisterium für Psychologie abschließen und ist bereits im Beratungsdienst tätig. Die Kinder lieben Österreich sehr, sind sehr oft in Wien, aber sie sind auch Weltbürger geworden und könnten sich vorstellen, überall in der Welt zu leben. Am liebsten würden sie einmal dort sein, wo die Eltern im Ruhestand leben werden. Nur: wo das sein wird, ist noch offen — aber „Ruhe“ kann man sich bei einem wie Fritz Baaz ohnedies nicht vorstellen.
Guatemala im kurzen Überblick Republik Guatemala (Mittel-Amerika)
Fläche:
Einwohner:
Hauptstadt:
Amtssprache:
Bevölkerung:
108 889 km2
10,928.000
Guatemala-Stadt (1,167.495 Einwohner)
Spanisch
60 % Indianer, 30 % Mestizen; Schwarze, Mulatten, Zambos (indianisch-schwarze Mischlinge) und Weiße
Der bekannte Bischof und Menschenrechtler Juan Gerardi Conedera wird am 26. April 1998 in Guatemala-Stadt brutal erschlagen. Zwei Tage zuvor hatte er eine von ihm mitverfaßte „Studie über die Wiedergewinnung der historischen Wahrheit“ der Öffentlichkeit vorgestellt; nach diesem Bericht des Menschenrechtsbüros des Erzbistums von Guatemala-Stadt, der bisher umfangreichsten Dokumentation der schweren Menschenrechtsverletzungen während des 1996 beendeten Bürgerkriegs, waren für 90 Prozent der Verbrechen die Streitkräfte und mit ihnen kooperierende paramilitärische Organisationen und für 10 Prozent linksgerichtete Guerilleros verantwortlich. Die katholischen Bischöfe werfen in einer am 9. August in allen Kirchen Guatemalas verlesenen Botschaft den Ermittlungsbehörden vor, den politischen Hintergrund der Ermordung Gerardis nicht zu berücksichtigen und die im Umkreis der Armee vermuteten Täter bzw. Drahtzieher nicht in die Untersuchungen einzubeziehen.

Quelle: Fischer Weltalmanach, 1999