Zuhause bei Osttiroler Bergbauernfamilien

Die meisten unserer Bauern verdienen ihr Brot ausgesprochen hart. Viele haben die Chance genutzt und finden in der Vermietung von Fremdenzimmern die oft dringend benötigten Zusatzeinkommen. Einige Osttiroler Familien haben sich jetzt in der Initiative „Übers Jahr“ zusammengefunden und bieten dem Gast weit mehr als „nur“ Unterkunft. Von Michael Mössmer.



Vielen ist das Leben einer Bergbauernfamilie aus Peter Roseggers teils rührenden Erzählungen ein Begriff und der verdient zu Weltruhm aufgestiegene Osttiroler Maler Franz von Defregger hat seiner Nachwelt in unzähligen Bildern nahezu fotografische Momentaufnahmen des bergbäuerlichen Lebens bewahrt.

Wegen der rasanten technischen Entwicklung in den vergangenen hundert Jahren ist man nun versucht anzunehmen, dieser Fortschritt hätte auch die bergbäuerliche Arbeit ebenso erleichtert, wie etwa den Umgang mit Rohstoffen im Handwerk. Nicht ganz, aber doch gefehlt: Die Technik hat hier scheinbar ihre Grenzen gefunden. Zum einen, zugegebenermaßen, aus finanziellen Gründen: denn nicht nur besonders leistungsfähiges Gerät ist sehr kostspielig. Zum anderen aber, und das ist eigentlich unüberwindbar, steht schlicht und einfach — wie eben vor hundert Jahren — „der Berg“ dem Fortschritt massiv im Wege. Hunderte Höhenmeter in einem engen Tal lassen sich selbst mit der leistungsstärksten Maschine nicht überwinden. Ja — überwinden schon — aber sie sollte auch noch sinnvolle Arbeit leisten! Arbeit, wie sie, vielfach, seit Gedenken, nur vom Menschen geleistet werden kann.

Um gleich vorzubeugen, möchte ich an dieser Stelle schon die eine oder andere Erleichterung ins Treffen führen. Sicher ziehen Traktoren und Zugmaschinen moderne Anhänger mit den unterschiedlichsten Vorrichtungen, erleichtern den Transport der wertvollen landwirtschaftlichen Produkte zu ebenso unterschiedlichen Abnehmern; Melkmaschinen bringen den Familien möglicherweise ein paar zusätzliche Stunden Schlaf — oder Freizeit, die ohnedies mehr als knapp bemessen ist.

Nun zwingt sich die Frage auf, was unter diesen Voraussetzungen fürs „Leben“ übrigbleibt, wer sich denn, um Himmels Willen, auch noch freiwillig, so einen Beruf aussucht. Die Antwort ist frappant: Einer Umfrage unter aktiven Bäuerinnen in Osttirol aus dem Jahr 1997 zufolge würden immerhin 83 Prozent der befragten wieder Bäuerinnen werden wollen. Sie liegen damit im österreichweiten Vergleich im absoluten Spitzenfeld (das drastische Gefälle in Richtung Burgenland drückt sich ebendort in nur 17 Prozent an positiven Antworten aus). Woran das wohl liegen mag — nämlich gerade bei den Bäuerinnen, denen der vielzitierte Begriff „Doppelbelastung“ (Beruf und Familie) meist nur ein mildes Lächeln entlockt?

Wenn man nun, wie der Schreiber dieser Zeilen, Gelegenheit hat, ein paar Tage am bergbäuerlichen Leben teilzuhaben, wird dem routinierten Stadtmenschen diese nahezu unverständliche Tatsache halbwegs klar. Der eben erwähnte hohe Anteil an offensichtlicher Zufriedenheit mit dem gewählten Lebensinhalt verdeutlicht sich in einem Gefühl der Zusammengehörigkeit der Familien, wie es in anderen Berufen nur selten möglich sein dürfte. Gemeinsame Arbeit, von Kindes- bis ins hohe Alter helfen notwendigerweise, packen alle zu, gemeinsame Mahlzeiten machen mehrere Generationen zu einer noch intakten Einheit, auch wenn sie von all den täglichen Problemen immer wieder sehr belastet werden.

Und eben dort spürt man, daß keine Kulisse für zahlende Gäste vorbereitet wurde. Man spürt, daß man an einem bisher vollkommen fremden Leben teilnimmt, ohne jedoch Fremdkörper zu sein. Man spürt, daß dieses Leben, das fast wie in einem guten, alten Heimat-Film abläuft, nicht einer gewinnorientierten Choreographie unterliegt, sich die „Akteure“ nicht nach absolvierter Darbietung in die eigenen vier Wände zurückziehen. Man spürt, daß die Familien einen aufnehmen, an ihren Tisch einladen — und letzteres mit lukullischen Genüssen, die mit Nouvelle Cuisine nicht nur mengenmäßig nichts gemein haben. Wir haben übrigens ein überliefertes Rezept für ein dreigängiges Osttiroler Menü für Sie ergattert, das nachzukochen sicher lohnt (Sie finden es auf der Seite 66 dieser Ausgabe).

Zwanzig Familien haben sich vor rund einem Jahr entschlossen, sich zu einer, hier klingt der Begriff eigentlich unpassend, Vermarktungsgemeinschaft zusammen zu tun.

„Über’s Jahr — Gastlichkeit und Festlichkeit auf Osttiroler Bauernhöfen“, lautet der einladende Slogan, der nach Tausenden zurückgelegter Kilometer und wahrscheinlich etwas weniger Stunden der gemeinsamen Überlegung kreiert wurde. Der Motor, pardon, eigentlich richtigerweise „die Motorin“, der Initiative ist die Bäuerin Gerlinde Gander, die gemeinsam mit ihrem Mann den „Weberhof“ oberhalb von Lienz bewirtschaftet. Grundvoraussetzungen für die Teilnahme an der Gemeinschaft ist die Einhaltung „goldener Regeln“: Betreiben einer aktiven Landwirtschaft, den Gast am bäuerlichen Arbeitsleben teilhaben lassen, ausgewählte bäuerliche Produkte anbieten, das Ambiente im Haus muß auf die jeweilige Jahreszeit abgestimmt sein.

Ein zaghafter Griff in die EU-Fördertöpfe hat schließlich auch gemeinsames optisches Auftreten ermöglicht: ein Teil der Druckkosten für die liebevoll gestalteten Gemeinschafts- und Einzelprospekte wurde von „Brüssel“ übernommen, die Osttirol-Werbung hat sich der Aufgabe angenommen, „Über´s Jahr“ auch über die Grenzen des Landes hinaus bekanntzumachen. Und mit Erfolg, wie etwa ein begeistertes Urlauberpaar von der Elfenbeinküste beweist.

Zum Abschluß jedoch noch ein paar Worte zu Osttirol, eine der schönsten Naturlandschaften der Alpen. Aus verkehrsstrategischen Gründen hat sich dort keine Großindustrie niedergelassen, das ehemals geplante und von den Betreibern vehement verteidigte „Kraftwerk Dorfertal“ gehört längst der Vergangenheit an. Im engen Tal, das durch den Stausee überflutet gewesen wäre, erinnert nur noch ein Farbfleck an die errechnete Höhe des Wasserspiegels …

Apropos wandern: Unzählige Wanderwege führen durch unberührte Landschaft, rund 200 Schutzhütten stehen für eine Rast bereit. Unbedingt durchwandern sollte man den „Nationalpark Hohe Tauern“, der mit seinen grünen Hängen, mächtigen Felsen und ewigen Gletschern als Dorado für Alpinisten gilt.

Unser ursprüngliches Vorhaben, hier die einzelnen Familien und deren Höfe, die vielfältigen Reize der Osttiroler Landschaft und die unzähligen lohnenden Ausflugziele zu beschreiben, ist leider mißlungen: Wir hätten wohl einen Großteil der Seiten dieser Ausgabe dafür gebraucht. Wir hoffen aber, Ihnen „Gusto“ gemacht zu haben, Osttirol in Ihrem nächsten Urlaub selbst zu erkunden und die Liebenswürdigkeit der Familien selbst zu erleben.


Informationen
„Über´s Jahr“
Gerlinde Gander
A-9900 Lienz, Thurn Dorf 16
Tel./Fax: ++43 / 4852 / 70121
uebers.jahr@tirol.com
http://www.netway.at/urlaub.am.bauernhof


Osttirol Werbung Ges.m.b.H.
A-9900 Lienz, Albin Egger-Straße 17
Tel.: ++43 / 4852 / 65333
Fax: ++43 / 4852 / 65333-2
osttirol@netway.at
http://www.osttirol.co.at