Das Jahrhundert der Frauen

Theo Brinek über die aktuelle Ausstellung im „Kunstforum Bank Austria“

Den Frauen in der Kunst geht es ähnlich wie den Auslandsösterreichern — ihnen wird sehr viel weniger Aufmerksamkeit gezollt, als ihrem Einfluß und Wert entspricht. Das „Kunstforum Bank Austria“ in Wien versucht diesem Umstand mit der Ausstellung „Das Jahrhundert der Frau“ Abhilfe zu schaffen. Die von Ingrid Brugger kuratierte Ausstellung umfaßt einen Zeitraum von zirka 130 Jahren österreichischer Kunst. Sie gibt Auskunft über den erstaunlichen Anteil, den Frauen daran haben, ohne einen besonders weiblichen Gestus zu demonstrieren.

In der Zusammenstellung der Künstlerinnen und ihrer Werke ist kein spezieller Stil herausgearbeitet. Es wird dem Besucher ein Überblick geboten, beginnend mit Stimmungsimpressionismus um 1870, vertreten mit Werken von Tina Blau, Egner und Olga Wisinger-Florian. Es sind besonders Tina Blaus Szenerien aus der Wiener Umgebung, ihre Praterbilder, die durch ihre Leuchtkraft diese Stilrichtung überzeugend vertreten. Es sind symbolistische Landschaften von Emilie Mediz-Pelikan zu sehen, Werke von Broncia Koller-Pinell, die auf das damalige Rollenbild der Frau in der Zwischenkriegszeit verweisen. Dem gegenüber stehen Arbeiten von Greta Feist in kühler neuer Sachlichkeit.

Eine Epigonin Max Beckmanns, Marie-Louise Motesicky, ist recht stark vertreten. Es gibt auch Keramiken aus der Wiener Werkstätte zu sehen, eher manieristisch-dekorative als expressive Exemplare von Vally Wieselthier und Gudrun Baudisch. Der Kinetismus, eine Umsetzung abstrakter dynamischer Bewegung auf Fläche, wird von My Ullmann und Erika Giovanni Klien vertreten. Dies ist übrigens Österreichs einziger Beitrag zum Futurismus.

Auswirkungen auf die Kunst der Frauen — wie wäre es anders möglich — hatte der Nationalsozialismus. Viele emigrierten oder gingen in den Untergrund, oder sie wurden ermordet. Maria Lassnig sticht als überragende Vertreterin der Nachkriegszeit heraus. Das von ihr bevorzugte Thema, der menschliche Körper, zeigt diese Ausstellung mit einer Reihe von eindrucksvollen Ölbildern.

Der jüngsten Vergangenheit und zeitgenössischen Künstlerinnen wird viel Platz eingeräumt. Neben der Malerei widmet man sich hier auch der Fotografie, Installationen, Performance. Florentina Pakosta befaßt sich mit, ja greift die Machtstellung des Mannes an. Es werden gesellschaftliche und sexuelle Rollenklischees angeprangert. Elke Rystufek stellt ihr Nacktheit zur Schau.

Wieder einmal ist es dem „Kunstforum Bank Austria“ gelungen, eine besonders interessante und wertvolle Ausstellung zusammenzustellen. Weil nämlich Werke zu sehen sind, die vielleicht noch nie ausgestellt waren, Künstlerinnen kennenzulernen sind, deren Namen auch vielen Kunstinteressierten nicht vertraut sind. Trotz des gelungenen Versuchs, Feminismus nicht in das Zentrum dieser Schau zu stellen, wird das Klischee, Kunst sei eine Domäne des männlichen Geschlechts, zurecht gerückt und der Realität näher gebracht. Damit leistet das „Kunstform Bank Austria“ einen wertvollen Beitrag und adressiert ein Kriterium, das einen wesentlichen Unterschied zwischen den zwei Geschlechtern in der Kunst — Vermarktung. Diese Ausstellung ermöglicht ein Kennenlernen und stellt sich der Voreingenommenheit entgegen. Sie ist bis 2. Jänner 2000 geöffnet.