Trauriges Jubiläum in der Hauptbücherei  

erstellt am
05. 05. 04

Prominente lesen aus Büchern, die man einst verbrannte
Wien (rk) - Mit der ZeitWerkStatt-Produktion "Prominente lesen verbrannte Bücher" erlebt Wien am 7. und 14. Mai eine außergewöhnliche Kulturveranstaltung: An diesen beiden Tagen werden Prominente wie Konstanze Breitebner, Elfriede Ott, Alfons Haider, Erich Schleyer, Timna und Arik Brauer, Kulturstadtrat Andreas Mailath-Pokorny, Vizebürgermeisterin Grete Laska und Europaparlamentarier Hannes Swoboda aus den von den Nationalsozialisten verbrannten Büchern vortragen. Schauplatz dieser Lesungen wird die Hauptbücherei am Gürtel sein.

Am 10. Mai jähren sich zum 71. Mal die Bücherverbrennungen, die von der deutschen Studentenschaft und den Nationalsozialisten gemeinsam durchgeführt wurden. Jede politische Opposition - egal ob marxistischer oder pazifistischer Herkunft -, aber auch der gesamte kulturelle Beitrag jüdischer AutorInnen wurde auf diese Weise vom totalitären Regime ausgeschaltet. Zehntausende Bücher wurden damals rituell in die Flammen geworfen, aber es sollte noch viel schlimmer kommen, denn Heinrich Heines mahnender Ausspruch "Dort, wo man Bücher verbrennt, verbrennt man am Ende auch Menschen" sollte im Schreckensregime der Nationalsozialisten traurige Realität werden.

Prominente lesen prominente Autoren
Die ZeitWerkStatt nahm die Bücherverbrennungen zum Anlass, um das Projekt "Prominente lesen verbrannte Bücher" ins Leben zu rufen. Im Rahmen dieser Veranstaltung werden am 7. und 14. Mai Prominente aus den Büchern der damals verbotenen Schriftsteller jeweils eine Textpassage lesen. In der Liste der verbotenen Autoren finden sich neben Unbekannteren auch berühmte Namen wie Sigmund Freud, Bertolt Brecht, Alfred Döblin, Erich Kästner und Stefan Zweig.

Texte in Kontexten
Wichtiger Bestandteil der ZeitWerkStatt-Produktion ist neben den Lesungen auch die Vermittlung von Hintergrundwissen, denn die BesucherInnen sollen mit den vorgetragenen Texten nicht alleine gelassen werden. Daher werden die Texte in einen geschichtlichen Kontext gestellt, der von Historikern der ZeitWerkStatt wissenschaftlich fundiert erarbeitet wurde. Durch eine multimediale Aufbereitung soll dem Publikum der Zugang zu den vorgetragenen Textpassagen besser ermöglicht werden. Zwischen den Lesungen finden zudem Gespräche mit Zeitzeugen statt - ein besonders interessanter Höhepunkt für alle ZuhörerInnen.

Mehr als nur ein Rahmenprogramm
Angefangen von Malerei direkt vor Ort über die Vertonung von Gedichten aus verbrannten Werken bis hin zu szenischen Lesungen von sehr berührenden Briefen vertriebener MitbürgerInnen werden sich KünstlerInnen verschiedenster Genres im Rahmenprogramm der Veranstaltung mit den Bücherverbrennungen auseinandersetzen. Angedacht ist auch der Verkauf der gemalten Bilder, deren Erlös einer Behindertenbibliothek zugute kommen könnte.

Durch diese Veranstaltung möchte die ZeitWerkStatt den bedeutenden kulturellen Beitrag der verbotenen AutorInnen ins Gedächtnis der MitbürgerInnen (zurück)-rufen und ein Bewusstsein dafür schaffen, dass Meinungsfreiheit nicht immer eine Selbstverständlichkeit war. Vor allem junge Menschen können mit dem Begriff Bücherverbrennung - zum Glück - wenig anfangen. Daher möchte die ZeitWerkStatt gerade auch ihnen die Möglichkeit bieten, sich mit diesem dunklen Kapitel der Geschichte, das eine Extremsituation geistiger Unfreiheit darstellte, intensiv auseinander zu setzen. Eine Auseinandersetzung, die auch die Werke der verbotenen - und heute teilweise vergessenen - Schriftsteller würdigen soll, und die mit der neuen Hauptbücherei am Gürtel am Urban-Loritz-Platz 2a einen zeitgemäßen Rahmen gefunden hat.

Über die ZeitWerkStatt
Die ZeitWerkStatt versteht sich als Kulturinitiative, die im Jahr 2003 von Kulturmanager Willibald Stanek gegründet wurde. Der Verein möchte (s)einen Beitrag zur lebendigen Kulturszene in Österreich leisten. Im bisherigen Mittelpunkt der Arbeit der ZeitWerkStatt stand die künstlerische Aufarbeitung historischer Themen, ein Beispiel dafür ist die erste ZeitWerkStatt-Produktion "Wacht auf, Verdammte dieser Erde", in der die 200-jährige Geschichte der Arbeiterbewegung multimedial aufbereitet wurde. Die Stärke der ZeitWerkStatt liegt zweifelsohne in der vielfältigen Zusammensetzung ihrer Mitglieder - in der ZeitWerkStatt sind Kulturmanager, Künstler, Historiker und Journalisten ebenso vertreten wie Politiker und Lehrer.
     
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