Schüssel: Verfassung ist Fundament für EU im 21. Jahrhundert   

erstellt am
17. 06. 04

Wien (bpd) - Bundeskanzler Wolfgang Schüssel und Außenministerin Benita Ferrero-Waldner informierten am Mittwoch (16. 06.) über die Schwerpunkte beim bevorstehenden EU-Rat in Brüssel. „Der Verfassungsprozess, der im Februar 2002 begonnen hat, erlebt jetzt seine Krönung und einen möglichen Abschluss. Die Verfassung ist ein Meilenstein der europäischen Integrationsgeschichte und könnte das Fundament der Europäischen Union im 21. Jahrhundert werden. Sie beweist die Handlungsfähigkeit einer erweiterten Union“, betonte Bundeskanzler Schüssel und wies darauf hin, dass sich die Methode des Konvents bewährt habe. So stehen 85 % der insgesamt 468 Artikel des Verfassungsentwurfes außer Streit. Zurzeit werden noch ungefähr ein dutzend Artikel diskutiert. „Die Verfassung ist mehr als eine Novelle“, betonte der Bundeskanzler. Sie beinhalte eine bessere Aufteilung der Kompetenzen, eine Vereinfachung des Instrumentariums sowie mehr Demokratie, Effizienz und Transparenz. „Die Europäische Union ist ein eigenständiges, neues Gebilde. Wir sind tatsächlich von der Gründung der EU bis heute einen dritten Weg gegangen. Daher ist es ganz wichtig, dass die Balance zwischen den Nationalstaaten und dem europäischen Gesamtinteresse gewahrt bleibt“, so Schüssel. „Die Gruppe der like-minded countries, die kleine, mittlere und größere Länder mit einschloss, hatte eine sehr engagierte Rolle inne. Diese Zusammenarbeit hat sich bewährt und war ein Erfolgsfaktor“, so Schüssel und wies daraufhin, dass einige Elemente in der Verfassung von dieser Gruppe eingebracht wurden. Als Beispiele nannte Schüssel die Verankerung des Minderheitenschutzes im Wertekatalog der EU, die Betonung des Verfassungsprinzips der Gleichberechtigung der Mitgliedstaaten sowie das Rotationsprinzip bei der Ratspräsidentschaft.

„Bei einigen Punkten konnte Österreich wichtige Weichenstellungen durchsetzen“, so Schüssel und erwähnte die bessere Subsidiaritätskontrolle, die Aufwertung der nationalen Parlamente sowie die größere Effizienz der Mehrheitsabstimmungen. So werden künftig 40 neue Bestimmungen mit qualifizierter Mehrheit entschieden. Zu diesen Bereichen zählen Verwaltungszusammenarbeit, Zusammenarbeit in den Bereichen Justiz und Inneres, Grenzkontrollen, Asyl, Migration sowie der Katastrophenschutz. Ebenso seien spezielle Klauseln eingeführt worden, die den Übergang im Entscheidungsverfahren durch den einstimmigen Beschluss aller Mitgliedsländer zur qualifizierten Mehrheit möglich machen. Dies würde die Bereiche Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik, die verstärkte Zusammenarbeit, Soziales, Umwelt und Familienrecht betreffen. Entscheidungen mit Einstimmigkeit werden künftig nur noch in 57 Bereichen, bei überwiegend konstitutionellen Artikeln, möglich sein. Bei nationalen Grundsatzfragen, wie beispielsweise der justiziellen Zusammenarbeit bei Strafsachen, gibt es künftig die Möglichkeit, sich zwischen der Mehrstimmigkeit oder Einstimmigkeit zu entscheiden. „Das ist ein intelligenter Ansatz“, so Schüssel. Österreich wäre in einigen Bereichen bereit gewesen, die Mehrheitsentscheidungen auf mehr Gebiete auszudehnen, etwa bei Steuern und Finanzen sowie bei der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik. „Für uns war sehr wesentlich, die Einstimmigkeit in den Bereichen der Wasser- und Bodennutzung sowie bei der Wahl der Energieträger zu behalten. Das bedeutet, dass der Ausverkauf des österreichischen Wassers nie zur Diskussion stand“, so Schüssel. Der Europäische Staatsanwalt werde noch nicht eingerichtet, mit Einstimmigkeit könne dieser aber bestellt werden. Bezüglich der drei offenen Punkte in der Institutionenfrage - die Mindestzahl der EU-Parlamentssitze, die Zusammensetzung der EU-Kommission und die Stimmgewichtung im EU-Rat - betonte der Bundeskanzler, dass diesbezüglich noch keine Vorschläge der Irischen Präsidentschaft vorliegen. Diese werden erst morgen beim Europäischen Rat in Brüssel diskutiert werden.
     
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