Österreich-Konvent diskutiert über Grundrechte und Demokratie  

erstellt am
28. 06. 04

Wien (pk) - In seiner Plenarsitzung am Freitag (25. 06.) behandelte der Österreich-Konvent die Berichte der Ausschüsse 4 "Grundrechtskatalog" und 8 "Demokratische Kontrollen".

Der Ausschuss 4 habe in seiner bisherigen Tätigkeit jene Stufe an Operationsfähigkeit erreicht, die die Bedingung der Möglichkeit zur Bewältigung der noch anstehenden Fragen bildet, lautete die Zwischenbilanz des Vorsitzenden Bernd-Christian Funk. Im Bereich der sozial- und leistungsstaatlichen Garantien stehen noch wesentliche Vorarbeiten an, gab er allerdings zu bedenken. Einig sei sich der Ausschuss aber darüber, dass ein neuer Grundrechtskatalog ohne die Gewährleistung sozialer Grundrechte nicht auskommen werden könne, und dass dieser auch Zielbestimmungen und Gesetzesaufträge enthalten müsse. Klarheit bestehe auch darüber, dass die Gewährleistung sozialer Grundrechte nicht mit Hilfe der klassischen Grundrechtsbeschwerde bewältigt werden könne, sondern dass dafür eine neue Form des Rechtsschutzes notwendig sei.

Insgesamt zeichne sich, wie Funk berichtete, eine Nettoreduktion des Gesetzestextes ab. So dürfte etwa das Staatsgrundgesetz von 1867 als eigener Text verzichtbar sein. Keine Probleme sah Funk bei der Abstimmung des künftigen österreichischen Grundrechtskataloges mit den Grundrechten der neuen EU-Verfassung.

Christoph Grabenwarter begrüßte das Bekenntnis aller politischen Kräfte zur Aufnahme sozialer Grundrechte und erwartete allgemein hinsichtlich des Grundrechtskataloges eine Mischung aus europäischer Menschenrechtskonvention und österreichischen Alt- und Neubeständen. Für sinnvoll erachtet Grabenwarter die Verlängerung des Mandats des Ausschusses, wobei er sich aber klare politische Vorgaben für die Arbeit wünschte. Dies würde den "Zug zum Tor" herstellen, ohne dass andererseits die Erwartungen zu hoch geschraubt werden.

Maria Berger verwies ebenfalls auf die Bedeutung der sozialen Grundrechte und konstatierte, der Konvent würde seinen Auftrag verfehlen, wenn er sich dieser Frage nicht stellte. Die Grundrechte der EU-Verfassung haben nach Ansicht Bergers jedenfalls ein Mindeststandard zu sein, es müsse aber gelingen, justiziable Teilansprüche zu verankern, um die Grundrechte individuell durchsetzbar zu machen.

Anna-Maria Hochhauser betonte, die Sicherung gewisser Grundbedürfnisse der Bürger treffe auf das volle Verständnis seitens der Wirtschaft. Bei der Frage der staatlichen Gewährleistungen im sozialen Bereich sei aber auch auf die wirtschaftlichen Möglichkeiten abzustellen. Sie plädierte für einen differenzierten und kombinierten Ansatz von Staatszielbestimmungen, Aufträgen an den Gesetzgeber, institutionellen Garantien und individuellen Grundrechten. Mit Nachdruck trat sie auch dafür ein, die unternehmerische Freiheit im Grundrechtskatalog ausdrücklich anzuerkennen. Der bisher diskutierte Verweis auf die Berufsfreiheit erschien ihr dabei nicht ausreichend.

Johanna Ettl unterstrich, ohne soziale Grundrechte dürfe es am Beginn des 21. Jahrhunderts in Österreich keinen Grundrechtskatalog geben. Bei diesen Grundrechten müsse es sich aber um echte Rechte und nicht bloß um blumigen Absichtserklärungen handeln. Mit unverbindlichen Gesetzgebungsaufträgen werde man nicht das Auslangen finden, warnte sie. Wenn man die Forderung nach sozialen Grundrechten ernst nimmt, dann werde man um individuell durchsetzbare Rechte nicht herumkommen, stand für Ettl fest. Rechte auf soziale Sicherung mit angemessenem Schutz im Fall von Krankheit und Alter, adäquate Beschränkungen der Arbeitszeit sowie ein gerechtes Entgelt sollten selbstverständlich sein. Wer dies alles nicht will, der soll es laut sagen und ebenso laut begründen, schloss Ettl.

Terezija Stoisits begrüßte den Konsens über das Verbot der aktiven Sterbehilfe und machte auf die Notwendigkeit der Verankerung eines Rechtes auf würdevolles Sterben aufmerksam. Darüber hinaus forderte sie eine Klarstellung darüber, dass die verfassungsrechtliche Zulässigkeit der Fristenlösung unberührt bleibt. Die Verankerung sozialer Grundrechte in einem Grundrechtskatalog bezeichnete Stoisits als Selbstverständlichkeit. Wesentliches Anliegen der Grün-Mandatarin war ferner die Aufnahme der Volksgruppenrechte in den Grundrechtskatalog. Sie zeigte sich optimistisch, dass es gelingen werde, einen Minderheitenschutzartikel in die Verfassung einzubauen, durch den Österreich in diesem Bereich eine europäische Vorreiterrolle einnehmen werde können.

Johannes Schnizer forderte für die Grundrechte durchsetzbare Ansprüche und sprach sich gegen "lehrbuchartige Garantien" in der Verfassung aus. Was die sozialen Grundrechte betrifft, sah er keinerlei Widerspruch zu den klassischen liberalen Grundrechten. Beide Rechte interpretierte er als institutionelle Garantien des Gesetzgebers, bestimmte Ausgestaltungen zu treffen. Es sei nun Aufgabe des Ausschusses auch für die sozialen Grundrechte ein entsprechendes Rechtsschutzsystem vorzuschlagen. So könnte nach den Entscheidungen der anderen Höchstgerichte der Verfassungsgerichtshof angerufen werden, um in einem Feststellungsverfahren über die Verletzung des Grundrechtes zu entscheiden. Dies müsste nach den Vorstellungen Schnizers mit einer Staatshaftung für den Fall der Untätigkeit des Gesetzgebers und mit einer Möglichkeit der Verbandsklage verbunden sein.

Ewald Wiederin bemerkte kritisch, die heißen Eisen seien bis jetzt noch nicht angepackt worden. Die Ergebnisse würden meist auf den Status quo hinzielen, über weite Strecken sei man bei den überkommenen Formulierungen geblieben. Unglücklich zeigte sich Wiederin über den Vorschlag betreffend das Recht auf Asyl. Der Verweis auf die Genfer Konvention sei zwar gut gemeint, bringe aber nichts, da diese kein Recht auf Asyl vorsieht.

Christine Gleixner wertete die Bestimmungen der EU-Verfassung über die sozialen Grundrechte als Standards, die die neue österreichische Verfassung nicht unterbieten, sondern vielmehr ausbauen müsse. Ausdrücklich begrüßte sie ferner den Konsens über die Ablehnung der aktiven Sterbehilfe und trat für die Verankerung eines Rechtes auf menschliches Sterben ein. In der Frage der Religionsfreiheit vertrat sie den Standpunkt: Freie Kirchen in einem freien Land und in einem freien Europa. Wünschenswert wäre in dieser Frage für Gleixner überdies die Aufnahme einer Dialogklausel in die neue Verfassung.

Grundrechte seien die Basis einer modernen Gesellschaft, unterstrich Angela Orthner. Sie seien ein Vertrag mit dem Staat und gäben die Sicherheit, worauf sich Bürgerinnen und Bürger verlassen könnten, welche Rechte sie hätten und wie die Rechte durchsetzbar seien. Leider habe man sich noch nicht auf einen neuen Katalog einigen können, bedauerte Orthner, der Zwischenbericht lasse aber klar erkennen, wohin die Reise gehe. Manche Bereiche seien zwar zu wenig diskutiert worden, dennoch zeigte sich Orthner zuversichtlich, einen gemeinsamen Bericht erreichen zu können, wenn alle Ausschussmitglieder dazu den Willen haben. Eine gute Basis liefere jedenfalls die EU-Charta der Grundrechte. Abschließend bemerkte Orthner, dass die Frage der sozialen Grundrechte eine schwierige sei, gleichzeitig bekräftigte sie das Bekenntnis der ÖVP zur Schaffung sozialer Grundrechte.

Johann Rzeszut würdigte anfangs die Leistung des Ausschussvorsitzenden, insbesondere dessen unglaublich konzeptive Leistung außerhalb der Sitzungen. Dass der Grundrechtsbereich eine Sonderstellung einnehme, habe sich, so Rzeszut, bereits im Jahr 1920 gezeigt. Grundrechte seien an sich eine Selbstverständlichkeit, konkret ginge es aber darum, einen Ausgleich im Interessenkonflikt um Rahmenbedingungen zu schaffen. Für ein geordnetes gesellschaftliches Zusammenleben bedürfe es Persönlichkeit und BürgerInnen, die Eigenverantwortung übernähmen, was gleichzeitig auch die Verpflichtung auferlege, Schranken zu setzen. Alles in allem sei man sowohl national als auch supranational gut unterwegs.

Kurt Stürzenbecher konzentrierte sich auf die Volksgruppenrechte, die derzeit äußerst zersplittert festgelegt seien. Sie sollten daher in geeigneter Weise im Bundesverfassungsgesetz verankert werden, wobei neben einer inhaltlichen Weiterentwicklung auch eine Vereinheitlichung sinnvoll erscheine. Stürzenbecher schlug daher vor, ein zentrales Grundrecht zusätzlich zum Diskriminierungsverbot zu schaffen. In diesem Zusammenhang wies er auf das sozialdemokratische Grundrechtsforum hin, das unter breiter Einbindung der VolksgruppenvertreterInnen einen Vorschlag ausgearbeitet habe. Einen wichtigen Stellenwert räumte Stürzenbecher in diesem Zusammenhang den Medien ein. Hinsichtlich des sozialen Grundrechts schloss er sich den Ausführungen Schnizers an und sprach sich für eine Verankerung der Daseinsvorsorge und öffentlichen Dienstleistungen in geeigneter Form aus.
     
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