Historische Bücher von Braun & Co an die Stadt Wien übergeben  

erstellt am
19. 11. 04

Stadtrat Mailath-Pokorny übernimmt Erinnerungsbücher für Stadt- und Landesbibliothek
Wien (rk) - In den Räumlichkeiten der Wiener Stadt- und Landesbibliothek im Rathaus überreichte der Vorstand der Palmers AG, Dr. Martin Neidthart, dem Stadtrat für Kultur und Wissenschaft, Dr. Andreas Mailath-Pokorny, am Donnerstag (18. 11.) zwei historische Fotoalben und das Gästebuch des ehemaligen Nobelkaufhauses Braun&Co. Anwesend war auch die Witwe den Gründer- Enkels, Marietta Myer.

Als vormals innerhalb des Palmers Konzerns für die mittlerweile aufgelöste Braun&Co GmbH zuständiges Unternehmen befanden sich die historischen Erinnerungsbücher im Besitz der Palmers AG. Um dieses einmalige Kulturgut in Zukunft angemessen zu bewahren und der Öffentlichkeit zugänglich zu machen, entschloss sich der Palmers AG Vorstand für eine Schenkung an die Stadt Wien. "Wir wollen damit auch die Verbundenheit des Palmers Konzerns, insbesondere des Immobilienteils, mit der Stadt Wien unterstreichen", betonte Neidthart anlässlich der Überreichung.

"Ich freue mich über diese besonderen historischen Dokumente", sagte dazu Wiens Kulturstadtrat Andreas Mailath- Pokorny. "Das Gästebuch war bereits bei zwei wichtigen Ausstellungen im Jüdischen Museum als Leihgabe zu sehen und wird sicherlich auch in Zukunft als wichtiges Zeitdokument der Öffentlichkeit präsentiert werden."

Das einstige Traditionskaufhaus Braun&Co wurde 2001 vom Palmers Konzern übernommen und in Folge umfassend restauriert und revitalisiert, sodass weitgehend das historische Erscheinungsbild - wie auch in den Fotoalben dokumentiert - erhalten blieb. Im Zuge der Neuausrichtung des Immobilien- und Textilkonzerns wurde die Braun&Co GmbH im Frühjahr 2004 aus betriebswirtschaftlichen Gründen aufgelöst und die Mietrechte an den Geschäftsräumlichkeiten dem Besitzer übergeben. "Mit der Übergabe an die Wiener Stadt- und Landesbibliothek haben wir damit die Gewissheit, dass zumindest die historische Dokumentation gepflegt wird", so Neidthart.

Zwtl.: Autographen legendärer Persönlichkeiten im Braun&Co Gästebuch
Die Fotoalben geben beredt Auskunft über die Geschäfte in Wien und Berlin des ehemaligen k.u.k. Hoflieferanten, die Näherei in Wien XII sowie über die prachtvollen Privaträume in der Villa des Gründers Emanuel Braun.

Bei zweien davon handelt es sich um Fotoalben, welche die Jahre 1862 bis 1922 dokumentieren. Die ca. 50 Fotografien sind Aufnahmen von Brauns Filialen in Wien, Berlin, Paris und Karlsbad. Neben Innen- und Außenaufnahmen der Kaufhäuser sind auch Abbildungen der privaten Wohnungen sowie der Büroräumlichkeiten der Familie Braun vorhanden. Sozialgeschichtlich interessant sind vor allem die Werkstätten- und Atelier-Fotografien, die die Arbeitssituation der Schneiderinnen, Näherinnen, Büglerinnen und Wäscherinnen um die Jahrhundertwende dokumentieren. Beim dritten Band handelt es sich um ein beeindruckendes Gästebuch, das am Buchrücken die Bezeichnung "Goldenes Buch. Vienna" trägt. Auf den elegant verzierten Einband sind die Initialen EBC gedruckt. Das Buch ist in drei Rubriken geteilt, nach Datum, Name und Domizil und verzeichnet die Namen internationaler Kunden sowie zahlreicher Persönlichkeiten aus dem öffentlichen Leben seit den späten 1920er Jahren bis zum Jänner 2002. Unter Prinzessin Giulia Antici Mattei aus Rom haben sich beispielsweise der österreichische Schriftsteller Felix Salten sowie Burgschauspieler Otto Tressler eingetragen (auch über seinen Nachlass verfügt die Handschriftensammlung der Wiener Stadt- und Landesbibliothek). Bekannte Schauspieler und Schauspielerinnen wie Nora Gregor, Käthe Dorsch, Helene Thimig oder aus Berlin Emil Jannings, Theo Lingen, Heinz Rühmann haben sich neben Alma Mahler, Richard Strauss, Fritz Kortner, Egon Friedell, Erzherzogin Margarita oder Prinzessin Stephanie von Belgien eingeschrieben.

Die letzten Jahrzehnte sind lückenhaft, aber nicht weniger prominent: Unter dem irischen Minister Bradford hat sich Jochen Rindt eingeschrieben, es folgen Fritz Wotruba, Gottfried von Einem, Vaclav Havel, Bernhard Wicki, Fritz Hochwälder bis hin zu Eugène Ionesco.

Die kulturhistorisch bedeutenden Alben der Firma Braun stellen eine wichtige Ergänzung für die Handschriftensammlung der Wiener Stadt- und Landesbibliothek dar.

Wechselvolle Geschichte
Die Firma E. Braun & Co am Graben 8 in der Wiener Innenstadt wurde 1892 von Emanuel Braun und seinem Bruder Josef gegründet, wobei Josef nur stiller Partner war. Anfangs war das bedeutende Modehaus nur ein kleines Brautausstattungsgeschäft. Aber bereits im Jahr 1912 wurde in Carlsbad eine Filiale eröffnet, die vorwiegend die Sommerurlauber und Kurgäste betreute.

Die nächste Expansion wurde in der deutschen Reichshauptstadt Berlin vorgenommen. Dort wurde im Jahr 1914, unweit des Hotels Adlon, die schönste und größte Filiale der Firma Braun&Co eröffnet.

Der letzte Geschäftsführer aus der Linie Emanuel Braun, der Enkel Fred Myer, wurde 1927 geboren. 1928 zogen seine Mutter und er nach Berlin, verließen es aber sofort nach der Machtergreifung Hitlers im Jahr 1931 und kehrten nach Wien zurück. Obwohl auch prominente Nazis zu den Kunden des hoch angesehenen Geschäftes zählten, zog die Familie Myer-Braun nach Ägypten, wo sie zwei Geschäfte eröffneten - wieder mit Kunden aus höchsten Kreisen. Schließlich übersiedelte die Familie nach New York, wohin bereits der andere Familienzweig Oser-Braun emigrierte. Auch dort wurden wieder ein Wäschegeschäft und zwei Geschäfte für Damenoberbekleidung eröffnet.

Nach Kriegsende gingen die Geschäfte in Wien und Carlsbad wieder in den Besitz der Familie über. Das Geschäft in Berlin wurde zerstört. Im Auftrag der Familie wurde Braun&Co vom ehemaligen Lehrmädchen Franziska Färber geführt. Färber sorgte nicht nur dafür, dass in den letzten Kriegstagen das Geschäft von den angreifenden Russen verschont blieb, sondern verbarg ihren Mann jüdischer Herkunft während des gesamten Kriegs. Unter der Aufsicht von Henry Myer baute Färber das Geschäft wieder auf.

1975 wurde das Haus am Graben unter Denkmalschutz gestellt. Nach jahrzehntelanger Führung durch Frau Färber übernahm wieder ein Mitglied der Familie die Geschäfte - Henry Myer. Myer verkaufte das Haus der Generali Versicherung. Schließlich wurde 1986 auch die Firma Braun&Co verkauft - an den Schweizer Bally Konzern. 2001 übernahm der Palmers Konzern den Herren- und Damenausstatter.
     
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