Neujahrsansprache des Bundespräsidenten  

erstellt am
03. 01. 04

Bundespräsident Dr. Heinz Fischer hat sich traditionsgemäß am Abend des 31. Dezember via ORF an die Österreicherinnen und Österreicher gewandt. Hier die Rede im Wortlaut:

Liebe Österreicherinnen und Österreicher!

Als ich zu Weihnachten begonnen habe, mir Gedanken über den Inhalt meiner ersten Neujahrsansprache als Bundespräsident zu machen, konnte ich noch nicht ahnen, dass eine so entsetzliche Naturkatastrophe zum Jahreswechsel das alles beherrschende Thema sein wird. In der Zwischenzeit mussten wir zur Kenntnis nehmen, welche dramatischen und tragischen Auswirkungen Naturgewalten haben können. Es ist mir daher ein Bedürfnis, meine große Betroffenheit über diese schreckliche Katastrophe zum Ausdruck zu bringen, die sich in den letzten Tagen des vergangenen Jahres in Südostasien ereignet hat. Es sind ihr offenbar mehr als 150.000 Menschen zum Opfer gefallen, sie hat nach jüngsten Annahmen auch mehr als 130 Österreicherinnen und Österreicher buchstäblich von einer Stunde auf die andere aus dem Leben gerissen; viele weitere an Leib und Seele verletzt und weltweit unermessliches Leid ausgelöst. Meine ganz intensive Anteilnahme und unser aller Anteilnahme gehört allen Opfern und deren Angehörigen.

Gleichzeitig gilt unser Dank allen Helferinnen und Helfern, d.h. allen, deren Bemühen es war, Menschenleben zu retten, Verletzten zu helfen und die Auswirkungen dieser Katastrophe zu lindern. Ich bin sehr berührt über die Mitteilungen zahlreicher Augenzeugen über die Hilfsbereitschaft vieler Menschen in den Katastrophengebieten, die das Wenige, das ihnen geblieben ist, noch zu teilen bereit waren. Und ich unterstütze aus voller Überzeugung und mit aller Kraft die Spendenaufrufe, die uns verstärkt helfen sollen, zu helfen.

Bitte helfen Sie mit. Gleichzeitig wünsche ich mir, dass Österreich die Mittel, die es zur Unterstützung der Entwicklungsländer zur Verfügung stellt, in angemessener Weise erhöht.

Meine Damen und Herren!

Ich möchte auch nicht in das Neue Jahr gehen, ohne an dieser Stelle meines verstorbenen Amtsvorgängers Dr. Thomas Klestil dankbar zu gedenken, der zwei Tage vor der Amtsübergabe so plötzlich und unerwartet verstorben ist. Und es sollte mir auch erlaubt sein, respektvoll an Kardinal Dr. König zu erinnern, der gleichfalls im vergangenen Jahr von uns gegangen ist.

Liebe Österreicherinnen und Österreicher!

Das Jahr 2005 wird in Österreich vielfach als Jubiläumsjahr bezeichnet. Und in der Tat werden wir in diesem Jahr nicht nur 60 Jahre seit dem Kriegsende und damit auch den 60. Geburtstag der Zweiten Republik feiern, sondern zahlreiche weitere wichtige Jubiläen. Wir werden dieser Ereignisse mit Freude und Stolz gedenken, aber es wird Augenmaß und Fingerspitzengefühl notwendig sein, um die historischen Fakten in ihren Proportionen richtig einzuordnen und das Hauptverdienst für den erfolgreichen Wiederaufbau unseres Landes richtig zu benennen. Dieses Hauptverdienst liegt bei den unermüdlichen, opferbereiten, zukunftsgläubigen Frauen und Männern der Wiederaufbaugenerationen, die ihren politischen Repräsentanten nach dem katastrophalen Ende der Ersten Republik eine zweite Chance gegeben haben. Dass diese Chance genutzt wurde, macht uns stolz auf unsere Zweite Republik.

Meine Damen und Herren!

Im Mai des vergangenen Jahres sind 10 neue Mitgliedsstaaten der EU beigetreten und im ersten Halbjahr des heurigen Jahres 2005 wird Österreich den Verfassungsvertrag der EU ratifizieren. Dieser Prozess ist mühsam und schwierig, aber ich halte ihn für historisch richtig und wichtig. Der Wunsch anderer Länder Mitglied der Europäischen Union zu werden, ist ja deshalb so groß, weil sie in der EU ein Europa des Friedens, der Stabilität und einer positiven wirtschaftlichen Entwicklung sehen, bei der auch die soziale Dimension einen entsprechenden Stellenwert haben soll und muß. Unser Interesse ist es, diese Friedens- und Stabilitätszone wachsen zu lassen und zu erweitern. Natürlich mit Augenmaß, nach sorgfältigen Überlegungen, umfassenden Verhandlungen und Schritt für Schritt. Aber jeder Staat innerhalb der EU ist ein Staat, der sich in Theorie und Praxis zu den Prinzipien der Demokratie, der Menschenrechte und der friedlichen Konfliktregelung bekennt.

Meine Damen und Herren!

Das Jahr 2005 ist erst wenige Stunden alt und hat noch 364 Tage für uns bereit, die wir nützen und mit Sinn erfüllen können.

Quelle: Präsidentschaftskanzlei
     
zurück