Marktspannen und Erzeugeranteil an den Ausgaben für Nahrungsmittel  

erstellt am
17. 01. 04

Wien (wifo) - Der Anteil der Landwirtschaft an den Ernährungsausgaben nimmt kontinuierlich ab: Waren im Jahr 1955 noch 55% der Ausgaben für Lebensmittel in der Landwirtschaft verblieben, so schrumpfte dieser Anteil bis 2001 auf 22%. Diese Entwicklung geht nicht nur auf den Abbau der Marktpreisstützung als Instrument der Agrarpolitik zurück, sondern auch auf eine Änderung der Konsumgewohnheiten, etwa den zunehmenden Verzehr von Fertiggerichten, sowie die unvollständige Transmission von Preisveränderungen in Verarbeitung und Handel.

Zwischen 1990 und 2001 sank der Anteil der Landwirtschaft an den Verbraucherausgaben für Nahrungsmittel von 31% auf 22% – 1955 hatte er noch 55% betragen. Produkte tierischer und pflanzlicher Herkunft sind von dieser Entwicklung gleichermaßen betroffen, es gibt jedoch Niveauunterschiede (Abbildung 1). Diese Entwicklung wird vor allem durch den raschen technischen Fortschritt in der Landwirtschaft, Veränderungen der Konsumgewohnheiten und agrarpolitische Entscheidungen vorangetrieben.

Im Jahr 1976 wurde rund ein Drittel der Konsumausgaben für Nahrungsmittel, Verpflegungsdienstleistungen und Getränke aufgewendet, 25 Jahre später nur noch ein Fünftel. Der Ausgabenanteil der Nahrungsmittel sank von 20% auf 11%. Die Steigerung der Erwerbstätigkeit von Frauen und die Verringerung der Haushaltsarbeit haben zur Folge, dass Lebensmittel zunehmend außer Haus konsumiert werden. Die Nachfrage nach Fertig- und Halbfertiggerichten für die Zubereitung zu Hause wächst ebenfalls. Zudem rücken hochpreisige Produkte den Nahrungsaspekt von Lebensmitteln in den Hintergrund, und Attribute wie z. B. die "Stärkung der Abwehrkräfte" spielen eine immer größere Rolle. Folglich sind viele Produkte von 1955 mit jenen von heute kaum noch vergleichbar.

Die Konsequenzen unterschiedlicher Preisentwicklungen auf die Spannen von Lebensmitteln können an den Preisen von Getreide, Mehl und Brot sichtbar gemacht werden (Abbildung 2): Zwischen 1986 und 2003 sanken die Erzeugerpreise von Brotgetreide um 61% und jene von Mehl im Einzelhandel um 21%. Der Preis von Mischbrot stieg im selben Zeitraum um 32% (die Verbraucherpreise insgesamt erhöhten sich mit +46% etwas stärker). Mittlerweile entsprechen nur noch etwa 4% des Brotpreises dem Wert des zur Brotherstellung eingesetzten Getreides.

Der starke Rückgang des Erzeugeranteils am Brotpreis ist vor allem auf die Verbilligung von Getreide zurückzuführen. Mit dem EU-Beitritt wurde die Gemeinsame Agrarpolitik übernommen, und die Preise wichtiger Agrargüter wurden an das Niveau auf dem Weltmarkt angenähert. Erlöseinbußen der Landwirtschaft wurden über Direktzahlungen teilweise ausgeglichen. Mit immer geringer werdendem Rohstoffanteil werden die Preise von Nahrungsmitteln zunehmend von Lohn-, Miet- und Energiekosten in nachgelagerten Wirtschaftsbereichen bestimmt.



Abbildung 1: Schätzung des Anteils der heimischen Landwirtschaft an den Ernährungsausgaben privater Haushalte
 


Abbildung 2: Entwicklung der Preise von Getreide, Weizenmehl und Mischbrot

Quelle: WIFO-Studie "Marktspannen und Erzeugeranteil an den Ausgaben für Nahrungsmittel".

Neben den Veränderungen der Konsumgewohnheiten hat auch die Marktstruktur Einfluss auf den Erzeugeranteil an den Ernährungsausgaben. Branchenuntersuchungen aus dem Ausland und Österreich legen die Schlussfolgerung nahe, dass durch Marktmacht in der nachgelagerten Verarbeitungsindustrie und im Handel nicht alle Einsparungspotentiale an die Konsumenten weitergegeben werden.

Quelle: WIFO, Autor: Franz Sinabell

     
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