Nach der Flut: Nachdenken und helfen  

erstellt am
28. 01. 04

Universität Salzburg liefert dazu Beiträge von WissenschafterInnen, ein Buch, das Brücken schlägt, und ein Direkthilfe-Projekt
Salzburg (uni) - „Universitäten sind Orte des (Nach)Denkens“ sagt der Religionswissenschafter und Sozialphilosoph an der Universität Salzburg Clemens Sedmak. „Nachdenken über die Flutkatastrophe in Südasien tut weh, verunsichert, erschüttert uns“. So schreibt Sedmak in dem Buch „Gefrorenes Meer in uns“, das dieser Tage als Band 1 in der edition:menschlichkeit erschienen ist. Herausgeber ist der von Sedmak im Rahmen seines FWF-Projekts zum Thema Armutsforschung gegründete Verein unicum:mensch. Ziel des Vereins ist es Brücken zu schlagen zwischen wissenschaftlicher Forschung und humanitärer Praxis.

1. Band der edition:menschlichkeit – Gesamterlös geht nach Sri Lanka
Der Band enthält neben dem Bericht von Gerhard Kero, der sich zusammen mit seiner Familie vor der Flutwelle am 26.12.2005 retten konnte, eine „Reflexion über uns angesichts der Flutkatastrophe in Südasien. Die ersten Exemplare konnte man beim gemeinsamen Benefizabend von Universität Salzburg und Hypobank am 24. 1. 2005 erwerben.

Die neue Publikationsreihe edition:menschlichkeit wird von unicum:mensch finanziert und in der Universitätsdruckerei gedruckt. Jeder Band wird in Zusammenarbeit mit Menschen, die aus dem ersten Arbeitsmarkt ausgeschlossen sind, angefertigt und widmet sich einem humanitär relevanten Thema. Der Gesamterlös geht jeweils in die praktische Arbeit, die mit diesem Thema in Zusammenhang steht. Das bedeutet, wer das Buch „Gefrorenes Meer in uns“ kauft, unterstützt ein Salzburger Hilfsprojekt für Flutopfer in Sri Lanka.

Grundversorgung für Familien in Beruwela
Als Initiator des Benefizabends hatte Sedmak die Gerichtsmedizinerin Edith Tutsch-Bauer, den Theologen Gregor Hoff, den Geologen Franz Neubauer und den Kommunikationswissenschafter Rudi Renger zu Kurzreferaten eingeladen. Tutsch-Bauer berichtete über den schwierigen Einsatz der Gerichtsmedizin an der Uni Salzburg in Sri Lanka und Thailand. Sie selbst sowie ihr Kollege Harald J. Meyer und der Rechtsmediziner Fabio Monticelli wirken an der Identifizierung von Flutopfern mit.

Weiters berichtete Edith Tusch-Bauer von ihrer Fahrt nach Beruwela im Südwesten von Sri Lanka. In dieses Gebiet war zwei Wochen nach der Flut noch keine Hilfe gelangt. Die überlebenden Einheimischen müssen dringend mit Nahrung, Wasser, Kleidung, Wäsche, Baumaterial und Werkzeug versorgt werden. Gemeinsam mit der Notfallpsychologin Karoline Verena Greimel, der Personalchefin der Salzburger Landeskliniken Waltraud Weissengruber und Ulli Wolf vom ORF Salzburg und zusammen mit vier Österreicherinnen in Sri Lanka hat die Gerichtsmedizinerin eine private Direkthilfe für Beruwela gestartet.

„Wir kooperieren dabei mit dem Land Salzburg und dem Rotem Kreuz“, so Tutsch-Bauer, und „wir sind dankbar für jede Unterstützung in Form von Geldspenden, logistischen Ideen und Weitergabe von Informationen“.

Mit 70 bis 150 Stundenkilometer an die Küsten gedonnert
Franz Neubauer informierte aus der Sicht des Geologen darüber, wie es durch ein Erdbeben der Stärke 9, ausgelöst durch Plattenverschiebungen im Erdmantel, zur Tsunami-Katastrophe gekommen ist. Solche Ereignisse, die den Meeresboden erschüttern und dadurch Flutwellen von bis zu 30 Kilometer Länge auslösen, gibt es jedes Jahr in verschiedenen Weltgegenden. Neben starken Erdbeben sind dafür Vulkanausbrüche und große Rutschungen an ozeanischen Inseln verantwortlich.

Im 20. Jahrhundert sind weltweit rund 100 Tsunamis pro Jahr, 5 bis 10 davon forderten Todesopfer. Die letzten Tsunamikatastrophen in Europa sind 1755 für Lissabon und 1908 für Messina dokumentiert. Um den katastrophalen Folgen solcher mit rund 70 bis 150 Stundenkilometer an die Küsten donnernden Flutwellen besser vorbeugen zu können, sollten in allen Gefahrenbereichen Tsunami-Warnsysteme aufgebaut werden, so der Geologe.

Von der Schwierigkeit über Katastrophen zu berichten
Mit dem Thema „Krisenjournalismus“ beschäftigen wir uns an der Universität Salzburg seit dem Bergwerksunglück in Lassing, so der Kommunikationswissenschafter Rudi Renger. Auch diesmal setzen wir uns mit den Medienberichten zur Katastrophe - vor allem jenen in Österreich – intensiv auseinander. „Tatsache ist“, so Renger, „dass es sehr schwierig ist, angemessen über Krisen und Katastrophen zu berichten.“ Es gebe zu wenig Zeit für Hintergrundrecherchen, die Quellenlage sei unsicher, die Perspektive der im Krisengebiet anwesenden JournalistInnen sei eingeschränkt, sie befinden sich oft persönlich in Gefahr und stehen dabei ständig unter dem Druck ihren Medien Geschichten zu liefern, die sich gut verkaufen.

Aus all dem folge beispielsweise, dass es stets zu viele reisserische, sensationelle und inszenierte Nachrichten aus Katastrophengebieten gibt. Und dass im konkreten Fall Themen wie die Armut in den betroffenen Ländern und Folgewirkungen des Globaltourismus in den Medienberichten meist ausgeklammert werden.

Allerdings sei es, so der Kommunikationswissenschafter, auch für ausgebildete „KrisenjournalistInnen“ fast unmöglich, angesichts solcher Ereignisse wie der Flutkatastrophe gleich das richtige zu tun. Trotzdem bleibe die Forderung nach Qualitätsjournalismus auch in Krisenfällen!

Dass es nach dem Tsunami schwer sei, angesichts dessen, was unsere Vorstellungskraft übersteigt, die richtigen Worte und Bilder zu finden, betonte der Fundamentaltheologe Gregor Hoff. Dennoch müssen wir hinschauen auf die Katastrophe und ihre Folgen, weil wegschauen das Leid der Opfer noch vervielfachen würde. Die Katastrophengeschichten in Bibel zeigen uns dabei den Weg: Gott bleibt eine feste Größe, er wird zum Ansprechpartner des Unaussprechbaren.
     
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