Nationalrat debattiert Regierungsumbildung  

erstellt am
27. 01. 04

Erklärung von Bundeskanzler Schüssel
Wien (pk) - Im Anschluss an die Aktuelle Stunde zum Thema Bildungspolitik gab Bundeskanzler Wolfgang Schüssel eine Erklärung zur Regierungsumbildung ab: Ursula Haubner folgt auf Herbert Haupt als Sozialministerin, Abgeordneter Sigisbert Dolinschek übernimmt das Amt eines Staatssekretärs im Sozialministerium.

Bundeskanzler Dr. SCHÜSSEL dankte vorerst dem scheidenden Sozialminister Haupt für seine „Weichenstellungen seit dem Jahr 2000“. Er listete die Erfolge Haupts auf: die Valorisierung des Pflegegeldes, die erstmals seit acht Jahren erfolgt, das Kindergeld für alle Österreicher drei Jahre hindurch, das bundeseinheitliche Tierschutzgesetz bis hin zur Behindertenmilliarde und die Pensionssicherungsreform. Haupt habe sich nie geschont und müsse jetzt ein bisschen „auf sich schauen“. Unter dem Beifall der Abgeordneten aller Fraktionen wünschte ihm der Regierungschef alles Gute und viel Glück.

Mit Ursula Haubner sei eine bewährte Sozialpolitikerin Ministerin und mit Sigisbert Dolinschek ein langjähriger Verhandler und Sozialsprecher Staatssekretär geworden. Beide seien Politiker mit Handschlagqualität und alle Abgeordneten könnten mit ihnen zusammen arbeiten.

Abgeordneter Dr. GUSENBAUER (S) stellte die Frage, welches Regierungsmitglied als Nächstes die Regierung verlassen werde: Ministerin Gehrer, die einen Bildungsstillstand beschworen habe, oder Minister Grasser, bei dem man sich frage, wann er in den letzten sechs Monaten die Wahrheit gesagt habe. Der positiven sozialpolitischen Bilanz, die Schüssel gezogen hat, konnte sich Gusenbauer nicht anschließen, immerhin suchen über 350.000 Menschen Arbeit, 300.000 Menschen leben in Armut und 58 Belastungsmaßnahmen trafen die Bevölkerung. Eine „Bilanz der sozialen Kälte“ wurde aufgebaut, schloss der Sprecher und meinte zudem, jeder „Meilenstein“ sei ein „Stolperstein“ für die Lebensqualität und die Einkommen gewesen. Wenn es schon Änderungen in der Regierung gebe, dann sollten diese auch zu einem Umdenken und zur Beendigung der Politik der sozialen Kälte führen, so Gusenbauer.

Abgeordneter Mag. MOLTERER (V) dankte gleichfalls Herbert Haupt, der aus gesundheitlichen Gründen sein Amt zurückgelegt habe. Auch er betonte, Haupt habe sich nicht geschont und habe es sich und auch den anderen nicht leicht gemacht. Dank seiner Durchschlagskraft sei die BSE-Krise gut bewältigt worden. Zu der Kritik von Gusenbauer an der Sozialpolitik meinte Molterer, mit der Pensionsreform habe man die Lasten auf Alt und Jung verteilt, zudem habe man die Altersvorsorge auf drei Säulen gestellt: 1,3 Millionen Arbeitnehmer können die Abfertigung neu in Anspruch nehmen, 360.000 Österreicher zahlen in eine Pensionskasse ein und 450.000 Österreicher haben sich für die Zukunftsvorsorge, die moderne Form der eigenen Altersvorsorge, entschieden. An diesem Weg werde man auch in Zukunft festhalten. Das sozialdemokratische sozialpolitische Konzept stamme aus der Vergangenheit und entspreche daher nicht den modernen Gegebenheiten.

Abgeordnete Dr. GLAWISCHNIG (G) sprach die „vorläufige Bilanz von ÖVP und FPÖ“ auf der Regierungsebene in den letzten fünf Jahren an: 3 Verkehrsminister, 3 Sozialminister, 3 Justizminister, 3 Vizekanzler. Eine kontinuierliche Arbeit und soziale Gerechtigkeit gebe es nicht. Auch kritisierte sie, dass sich die Situation der Frauen nicht verbessert habe. Im Zusammenhang mit der Flutkatastrophe kündigte die Rednerin einen Entschließungsantrag betreffend Absetzbarkeit von Spenden an und hoffte, dass er die Mehrheit finden möge, zumal F-Abgeordneter Walch und auch Nationalratspräsident Khol dieses Anliegen befürworten.

Abgeordneter SCHEIBNER (F) gab bekannt, Haupt werde nicht in den Ruhestand treten, sondern auch in Zukunft werde man mit ihm in der Politik rechnen können. Auch Scheibner dankte Haupt, der – so der Redner – mit dem Kinderbetreuungsgeld einen Meilenstein in der Familienpolitik gesetzt habe, für Behinderte mehr als die SPÖ gemacht habe, das Pflegegeld spürbar erhöht habe und gemeinsam mit dem Sozialsprecher der FPÖ Sigisbert Dolinschek ein „faires und harmonisiertes Pensionssystem“ geschaffen habe. Einmal mehr wies Scheibner darauf hin, dass – in Anspielung auf die Ausführungen von Gusenbauer – deshalb kein einheitliches System zu Stande gekommen sei, weil sich die SPÖ weigerte, mitzustimmen, dass die ÖBBler nicht mehr mit 47 Jahren in Pension gehen können.

Vizekanzler GORBACH unterstrich, das neue Führungsteam im Sozialressort brauche keine Vorschusslorbeeren, denn man wisse, dass beide ein soziales Herz haben. Mit Ursula Haubner gebe es eine Frontfrau, die Menschlichkeit, Sensibilität und Durchsetzungskraft mitbringe. Der Sozialpolitiker Dolinschek werde sie unterstützen; dieses Duo werde die Sozialpolitik auch weiterhin zu einer Vorzeige-Sozialpolitik machen, zeigte sich Gorbach überzeugt. Mit Herbert Haupt verlasse ein langjähriger Spitzenpolitiker die „oberste politische Liga“. Er werde weiterhin „mitspielen“, wenn man ihn braucht, betonte der Vizekanzler.

Abgeordnete SILHAVY (S) meinte, auch in der Sozialpolitik werde keine Frauenpolitik gemacht, die ältere Generation und die jüngeren Menschen werden von der Regierung in Stich gelassen. Einer solchen Politik könne die SPÖ nicht folgen, so die S-Sozialsprecherin. Sie warf der Regierung auch vor, dialogunfähig zu sein und keine zukunftsweisende moderne Sozialpolitik zu betreiben.

Abgeordneter NEUGEBAUER (V) zeigte sich überzeugt, dass es mit einer Ministerin Haubner möglich sein werde, Maßnahmen für die Schwerarbeiter im Rahmen der Pensionsreform zu treffen und über die Vereinbarkeit von Familie und Beruf beraten zu können. Außerdem wolle man das soziale Netz enger knüpfen und der Schattenwirtschaft den Kampf ansagen. Herbert Haupt attestierte Neugebauer u.a. soziales Engagement.

Abgeordneter ÖLLINGER (G) meinte, er wolle Haupt dessen Engagement nicht absprechen, seit einem Jahr habe der nun abgelöste Sozialminister aber keinerlei Initiativen mehr gesetzt, die freiheitliche Sozialpolitik sei kläglich gescheitert. Auf der einen Seite werden nun großen Konzernen die Auslandsschulden erlassen, auf der anderen Seite besteuert diese Regierung aber das Trinkgeld der Kellner, brachte Öllinger seine Kritik auf den Punkt.

Abgeordnete Dr. PARTIK-PABLE (F) bezeichnete die kritischen Bemerkungen Gusenbauers als "Pflichtübung eines erfolglosen Oppositionspolitikers" und meinte überdies, einsamer Rekordhalter bei Ministerwechseln bleibe nach wie vor die SPÖ, die allein in der Ära Vranitzky mehr als 20 Regierungsmitglieder "verbraucht" habe. Die Rednerin dankte Herbert Haupt vor allem für sein Engagement in der Behindertenpolitik und stellte fest, auch in diesem Bereich habe sich der Minister positiv von seinen SP-Vorgängern im Sozialressort unterschieden.

Bundesministerin HAUBNER kündigte an, den von Haupt vorgezeichneten Weg fortzusetzen. Jene, die Unterstützung benötigen, sollen diese auch bekommen. Um dies sicherzustellen, sei aber jeder Form von Sozialmissbrauch ein Riegel vorzuschieben. Als besondere Anliegen nannte die neue Ministerin die Weiterführung der Behindertenmilliarde, ein gutes Miteinander der Generationen sowie den nationalen Aktionsplan für Kinderrechte. Vorrangiges Ziel werde auch die Umsetzung einer guten Schwerarbeiterregelung sein.

Abgeordneter VERZETNITSCH (S) dankte Haupt für die immerwährende Dialogbereitschaft und bedauerte, wegen des Einstimmigkeitsprinzips in der Bundesregierung sei es in vielen Fragen nicht gelungen, zu einer gemeinsamen Lösung mit der SPÖ zu finden. Ministerin Haubner und Staatssekretär Dolinschek gab der Redner als Arbeitsaufträge vor allem die Gleichstellung von Arbeitern und Angestellten, die Verbesserung der Anrechnung von Kindererziehungszeiten für die Pension sowie eine Regelung der Elternteilzeit für alle mit auf den Weg.

Abgeordnete STEIBL (V) erwartete sich von Haubner eine Stärkung der Frauenangelegenheiten und zeigte sich weiters überzeugt, dass es der Ministerin gelingen werde, das Kindergeld weiterzuentwickeln, Maßnahmen zur besseren Vereinbarkeit von Beruf und Familie zu setzen sowie die Generationensolidarität zu forcieren.

Abgeordnete HAIDLMAYR (G) appellierte an Haubner, die Behindertenpolitik zur Chefsache zu machen. Es gebe in diesem Bereich noch zu viele offene Punkte, vom Behindertengleichstellungsgesetz bis zum Anspruch auf Unterstützung, um diese wichtigen Agenden in ein Staatssekretariat abzuschieben.

Abgeordneter SCHEUCH (F) diagnostizierte bei Haubner eine Mischung aus Fachwissen, Erfahrung, Kompetenz und Menschlichkeit und erwartete sich von ihr die Fortführung der erfolgreichen Sozialpolitik ihres Vorgängers. Mit scharfen Worten wies Scheuch Kritik an der Regierungsumbildung zurück, wobei er bemerkte, Dolinschek als Fehlbesetzung zu bezeichnen, nur weil dieser Kärntner ist, sei nicht fair.
     
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