Sozialpolitik / Armutsgefährdung  

erstellt am
10. 02. 05

 SPÖ-Kompetenzteam Soziales kritisiert "armselige Sozialpolitik" der Regierung
Gaby Schaunig, Heidrun Silhavy und Gertraud Knoll fordern Weiterentwicklung des Sozialstaats
Wien (sk) - Der vergangene Woche von Sozialministerin Haubner vorgelegte Sozialbericht 2003/2004 ist "ein Armutszeugnis für die schwarz-blaue Regierung", sagte die Leiterin des Kompetenzteams Soziales, die Kärntner Soziallandesrätin Gaby Schaunig, in einer gemeinsamen Pressekonferenz mit SPÖ-Sozialsprecherin Heidrun Silhavy und der Leiterin der Zukunftswerkstätte, Gertraud Knoll, am Mittwoch (10. 02.) in Wien. Sie verwies auf die alarmierenden Zahlen, die die Zunahme von Armutsgefährdung und akuter Armut belegen; besonders erbost ist Schaunig allerdings über die "im buchstäblichen Sinne armselige Reaktion" der Regierung auf den Armutsbericht: "Nämlich keine."

In einer Bilanz über die Sozialpolitik der Regierung in den letzten fünf Jahren kam die Kärntner Soziallandesrätin zum Ergebnis, dass die "Spaltung der Gesellschaft in arm und reich" zugenommen habe, zugleich sei der Mittelstand immer mehr am Abbröckeln. Dieser Befund deckt sich auch mit Umfrageergebnissen, auf die Schaunig hinwies. So glauben 63 Prozent der Österreicher, dass die Kluft zwischen arm und reich größer geworden sei; 48 Prozent glauben, "dass es einen breiten Mittelstand gibt, hat sich in den letzten fünf Jahren verschlechtert". Und 67 Prozent glauben, dass Österreich eine neue, soziale Regierung braucht.

Entschieden wendet sich Schaunig auch gegen Pläne von Regierungsseite, eine private Pflegeversicherung einzuführen. Sie warnt davor, dass es dann zwei Kategorien von alten Menschen geben würde: Die, die es sich leisten können, in den Seniorenresidenzen, und die es sich nicht leisten können in Siechenhäusern. Ihr Resümee zur Regierungspolitik: "Österreich hat sich Besseres verdient."

Schaunig betonte, die SPÖ will eine Weiterentwicklung des Sozialstaats. Zentrale Ziele im Kompetenzteam: Den Sozialstaat armutsfest machen, "die Frage der Grundsicherung wird immer virulenter".

Knoll: "Die Regierung feiert sich selbst - und macht Österreich arm"
Auch Gertraud Knoll beklagte die "erbärmliche Sozialpolitik" der Regierung. Sie lässt dabei die Beschwichtigung von Kanzler Schüssel, der sich "das Land nicht schlecht reden lassen will", nicht gelten. Denn: "Diese Regierung produziert und beschleunigt Armut." Insbesondere Menschen, die auf Solidarität angewiesen seien, gehe es schlechter. Statt ihnen zu helfen, "fördert die Regierung Selektion auf allen Ebenen", so Knoll. Sie verwies dabei auch auf die Feststellung von Caritas-Präsident Küberl, der gesagt hat, "eine neue Unterklasse entsteht".

Zur Rollenverteilung innerhalb der Regierung bemerkte Knoll: "Die FPÖ agiert nur mehr als Kofferträger für die ÖVP", die ÖVP sei von sozial und christlich mittlerweile weit entfernt, für sie zähle nur mehr Macht- und Klientelpolitik.

Für Besorgnis erregend hält Knoll die hohe Zahl von Pensionisten, nämlich 230.000, die auf eine Ausgleichszulage angewiesen sind. Mehr als eine Million Menschen (1,044.000) sind armutsgefährdet, beinahe eine halbe Million Menschen (460.0000) akut arm. Ein besonders hohes Armutsrisiko, nämlich 31 Prozent, haben Alleinerziehende und 16 Prozent der Pensionistinnen. Die Bilanz der Regierung in der Sozialpolitik "ist eine einzige Bankrotterklärung", so Knoll.

Knoll hat als Sprecherin des Pensionsvolksbegehrens im vergangenen Jahr vor der "Armutsfalle Pensionsreform" gewarnt. Wie berechtigt diese Warnung war und ist, zeige der Armutsbericht, betonte Knoll. Die Pensionen seien in den vergangenen fünf Jahren real um 7,7 Prozent gekürzt worden, dazu kamen drei Pensionsreformen, die jedes Mal weitere Kürzungen brachten.

Zum heurigen Gedenkjahr merkte Knoll an, dass es eine selbstverständliche Geste sein muss, dass der Ausgleichszulagenrichtsatz an die Armutsgrenze angepasst wird. "Die Regierung feiert sich selbst - und macht Österreich arm", kritisierte sie die Regierung.

Silhavy kritisiert Untätigkeit der Regierung angesichts von Rekordarbeitslosigkeit
SPÖ-Sozialsprecherin Heidrun Silhavy ging auf die Rekordarbeitslosigkeit ein. Die SPÖ hat immer von der Regierung Maßnahmen gefordert, seit die Arbeitslosigkeit vor vier Jahren wieder zu steigen begonnen hat. Vom zuständigen Arbeitsminister Bartenstein kam allerdings immer nur die Beschwichtigung, dass "die Talsohle bald durchschritten" sei und sonst keine Reaktion, kritisierte Silhavy.

Auch im Bereich der Beschäftigung gebe es Anlass zur Sorge, setzte Silhavy fort. Der KMU-Bericht der Regierung weise sowohl eine sinkende Zahl von Betrieben als auch von Beschäftigten in KMUs aus. Auch der von der Regierung stets behauptete Zuwachs bei der gesamten Zahl von unselbständig Beschäftigten halte einer Überprüfung nicht stand, betonte Silhavy. Denn in Vollzeitäquivalenten sind in den letzten fünf Jahren 30.0000 Arbeitsplätze verloren gegangen.

Untätigkeit der Regierung herrsche auch bei den Lehrlingen. Der Vorschlag der SPÖ, einen Lehrlingsausbildungsfonds zu gründen, der einen Lastenausgleich zwischen ausbildenden und nicht ausbildenden Betrieben schafft, wurde von der Regierung stets abgelehnt. Silhavy spricht sich auch für neue Modelle in der betrieblichen Weiterbildung aus, wie etwa Bildungsfreistellung. Man müsse mit der Qualifizierung anfangen, bevor jemand arbeitslos wird, sagte Silhavy. Außerdem spricht sie sich dafür aus, dass Arbeitslosengeld auch von Studierenden an Universitäten und Fachhochschulen beansprucht werden kann.

Der Forderung der Industrie nach einer Arbeitszeitverlängerung ohne Lohnausgleich erteil die SPÖ-Sozialsprecherin eine Absage. Auch hier kritisiert sie, dass von der Regierung "nichts zu hören" sei. Während die Regierung andererseits mit dem Dienstleistungsscheck wieder eine neue Variante von arbeits- und sozialrechtlich schlecht abgesicherten Beschäftigungsverhältnissen schaffen möchte. Silhavys Credo: Der gesellschaftliche Reichtum und auch Arbeit gehöre anders verteilt.

 

 Tancsits: Entbehrliche Zurufe vom Kalina-Team
Gelebte Sozialpolitik ist Programm der Bundesregierung
Wien (övp-pk) - "Die SPÖ kann die sozialpolitischen Maßnahmen der Bundesregierung so oft negieren wie sie will, an den Tatsachen wird sich nichts ändern. Österreich ist ein Sozialstaat, der auch international große Beachtung findet", sagte ÖVP-Sozialsprecher Mag. Walter Tancsits am Mittwoch (10. 02.) in Richtung SPÖ. Im Interesse aller Generationen und Berufsgruppen würden jene Reformen sozial, gerecht und nachhaltig umgesetzt, die die Teilnahme am Wohlstand sichern. "Wer hier von Ignoranz der Regierung gegenüber der Bevölkerung spricht, demaskiert sich selbst. Auch unter dem neuen SPÖ-Kommunikationschef Kalina erkennt die SPÖ die Leistungen der Regierung nicht an. Außerdem stellt sich die Frage, wo denn die großen Reformvorschläge aus der Löwelstraße sind. Die sogenannten Kompetenz-Teams glänzten bisher nur mit dem üben von Kritik, brauchbare Denkansätze gibt es dagegen keine?", so Tancsits.

"Wenn international renommierte Tageszeitungen wie die FAZ und NZZ Lobeshymnen auf Österreich singen, ist das kein Zufall, sondern die Anerkennung dafür, dass die Regierung einen guten Weg eingeschlagen hat", erinnerte Tancsits die SPÖ und betonte, dass gerade dort, wo der Sozialbericht eine Armutsgefährdung ortet, wie etwa bei Mehrkindfamilien, die richtigen Maßnahmen gesetzt worden seien.

"Seit dem Jahr 2000 macht die Regierung eine generationengerechte Sozialpolitik, in deren Zentrum ein stabiles gesellschaftliches Wertefundament steht. Wer gegen Reformen ist, schwächt das Sozialsystem", sagte Tancsits. Eine der wichtigsten Maßnahmen der Regierung seit 2000 sei etwa die Einführung des Kinderbetreuungsgeldes gewesen. "Seit dem 1. Jänner 2002 kommt nun jede Mutter bzw. jeder Vater, unabhängig von einer vorangegangenen Erwerbstätigkeit, in den Genuss dieser Leistung. Um vor allem kinderreichen Familien die notwendige finanzielle Unterstützung zukommen zu lassen, wurde ebenfalls der Mehrkindzuschlag für jedes dritte und weitere Kind entscheidend angehoben", so Tancsits.

Die mehrmalige und deutliche Anhebung des Ausgleichszulagenrichtsatzes bei der Altersvorsorge seit 2000, die Abfertigung neu, der Anspruch auf Teilzeitbeschäftigung für Eltern, die Familienhospizkarenz, die Beschäftigungsoffensiven für junge und ältere Arbeitnehmer und die Steuerreform, von der insbesondere die Bezieher von kleinen Einkommen profitieren würden, seien nur ein paar weitere Beispiele für die gute Sozialpolitik in Österreich.

Auf Unverständnis stoßen die Aussagen von SPÖ-Sozialsprecherin Silhavy. "Immerhin wurde eine gemeinsame Lösung für die Arbeitsmarktgesetzgebung und damit für die Rahmenbedingungen zur Arbeitsvermittlung beschlossen. Dieser Reform ging zudem eine sozialpartnerschaftliche Einigung voraus", so Tancsits, der darauf hinwies, dass diese Reform mit 1. Jänner 2005 in Kraft getreten sei. Nun gelte es, die Auswirkungen gemeinsam zu beobachten "und wenn notwendig, weitere Veränderungen vornehmen". Es sei aber eine unseriöse Art der Politik, wenn eine notwendige Reform durchgeführt werde und gleichzeitig Kritik zu üben, dass zu wenig passiere.

 

 Walch: Armutsbekämpfung ist vorrangiges Anliegen der Regierung
Sozialstaat wurde seit 2000 weiter ausgebaut
Wien (fpd) - Der freiheitliche Abgeordnete Max Walch wies die Kritik der SPÖ an der Regierung im Zusammenhang mit dem Sozialbericht entschieden zurück. In ihrer Regierungszeit habe die SPÖ stets nur Lippenbekenntnisse von sich gegeben, den Sozialstaat aber in Wahrheit immer mehr zurückgedrängt. Erst durch die freiheitliche Regierungsbeteiligung sei wieder Dynamik in die Sozialpolitik gekommen.

Gerade die Armutsbekämpfung sei dieser Regierung vorrangiges Anliegen, betonte Walch. Dies zeige sich unter anderem in der Einführung des Kinderbetreuungsgeldes, der Beschäftigungsoffensive für behinderte Menschen, der überproportionalen Erhöhung des Ausgleichszulagenrichtsatzes für Ehepaare und der Erhöhung der Pflegegeldsätze. Auch von der Steuerreform würden einkommensschwächere Gruppen in besonderem Ausmaß profitieren. "Herbert Haupt hat als Sozialminister diese Sozialpolitik entschieden geprägt, und seine Nachfolgerin Ursula Haubner beschreitet den gleichen erfolgreichen Weg."

Walch verwies auch darauf, daß der Sozialstaat seit dem Jahr 2000 weiter ausgebaut worden sei, "jener Sozialstaat, der unter SPÖ-Ministern in den Jahren zuvor immer mehr abgebaut worden ist". Die Opposition könne noch so sehr polemisieren, die Fakten würden eine andere Sprache sprechen.
     

Wir übernehmen hier Stellungnahmen aller vier im Parlament
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