Mehrphase: Gute Noten – faule Schüler  

erstellt am
10. 02. 05

Bereits über 140.000 Fahranfänger haben Erfahrung mit Mehrphasenaus-bildung - Bewertung mit "Gut" - Gesetzliche Fristen jedoch kaum eingehalten
Wien ((kfv) - Seit 1. Januar 2003 hält man nach der Fahrprüfung den begehrten rosa Schein zwar in Händen - um ihn zu behalten, müssen Führerscheinneulinge jedoch noch Einiges tun: Zwei Perfektionsfahrten mit einem Fahrlehrer (für B: erste Fahrt 2-4 Monate, zweite Fahrt 6-12 Monate nach der Prüfung) und ein Fahrsicherheitstraining inklusive verkehrspsychologischem Gruppengespräch (für A und B, 3-9 Monate nach der Prüfung) sollen die angelernten Fehler der ersten Monate ausmerzen und auf Risiken aufmerksam machen. Jede Einheit muss innerhalb der vorgesehen Frist absolviert werden. Nach Ablauf der letzten Frist beginnt die Behörde zu mahnen. Im schlimmsten Fall drohen dem Neuling Probezeitverlängerung und Führerscheinentzug.

So gut das System in der Theorie klingt - die Praxis sieht leider anders aus. Die gesetzlichen Fristen werden kaum eingehalten. 73 Prozent der B-Neulinge erfüllen die zweite Phase derzeit fristgerecht, bei Klasse A sind es lediglich 50 Prozent. Der Rest lässt sich Zeit, bis die Behörden eingreifen.

Doch: "Nur der zeitlich richtig abgestimmte Ablauf der Mehrphasenausbildung garantiert einen positiven Einfluss auf das Verhalten im Straßenverkehr", erklärt Dr. Othmar Thann, Direktor des Kuratorium für Verkehrssicherheit. Das Problem bei den Nachzüglern: Falsche Verhaltensmuster im Straßenverkehr haben sich nach so langer Zeit meist bereits gefestigt, Fahrabläufe und eventuelle Fehler sind bis dahin automatisiert und verinnerlicht. Mit einem Wort: Eine Korrektur des Verhaltens ist fast nicht mehr möglich - die Ausbildung verfehlt somit ihren Zweck.

Thann: "Die Behörden müssen bereits viel früher in einen möglichen Verzögerungsprozess eingreifen." Eine Verbesserung der derzeitigen Situation sei nicht möglich, wenn erst nach Ablauf der offiziellen Frist eine Verständigung erfolgt - Neulinge müssten bereits viel früher auf mögliche Konsequenzen hingewiesen werden, so die Forderung des Verkehrsexperten. Weiters sollte die Fristeinhaltung besser überprüft werden.

Oberösterreich vorbildlich - Vorarlberg: mangelnde Infrastruktur
Oberösterreich liegt bei der gesamten Ausbildung in puncto zeitgerechte Durchführung an der Spitze. Drei von vier Führerscheinneulingen halten sich an die vorgesehenen Fristen. Besonders weit hinten sind die Vorarlberger: Hier zählt fast jeder Zweite zur Gruppe der Säumigen. Experten führen diese Ergebnisse vor allem auf die bis Mitte 2004 fehlende Infrastruktur zurück.

Wiener besonders faul
Fast jeder dritte Wiener durchlief seit Einführung der Mehrphasenausbildung die weiterführenden Schulungen zu spät. Ein Erklärungsmodell geht davon aus, dass Stadtkinder aufgrund der öffentlichen Verkehrsmittel nicht vom Führerschein abhängig sind. Das Bundesrechenzentrum musste im vergangenen Jahr 2.278 Verständigungen an säumige B-Neulinge verschicken, Tendenz steigend. Heuer rechnet die Behörde bereits mit 2.976 Mahnbriefen. "Alleine diesen Jänner wurden 248 Lenker verständigt - verglichen mit der Zahl der ausgestellten Führerscheine ein Jahr zuvor haben rund 56 Prozent die zweite Ausbildungsphase gar nicht oder nur einzelne Module innerhalb der vorgesehenen Zeit absolviert", mahnt Dr. Bernhard Wesiak, stellvertretender Leiter des Verkehrsamtes Wien.

Säumige Motorradfahrer kämpfen mit der Winterpause
Die Zahlen zeigen: Motorradfahrer haben zwar das geringste Pensum zu erfüllen (ein Fahrsicherheitstraining), brauchen dafür aber die meiste Zeit: Fast jeder Zweite verpasste die gesetzliche Frist, durchschnittlich lassen sich Biker 263 Tage Zeit, um das Modul zu absolvieren, und reizen damit die Zeit bis zur gesetzlichen Intervention fast völlig aus. Auch hier sehen Verkehrsexperten Verbesserungsmöglichkeiten. Thann: "Die Zahlen zeigen, dass eine Frist von längstens neun Monaten für Motorradfahrer keinen Sinn macht. Vielen mangelt es aufgrund der Winterpause, die Biker üblicherweise einlegen, an Fahrpraxis - das ist wahrscheinlich auch die Erklärung für die hohe Säumigkeit." Aus diesem Grund fordert das KfV eine Anhebung des gesetzlichen Zeitraums auf zwölf Monate.

Durchwegs gute Noten für Mehrphasen-Ausbildung
Trotz anfänglicher Skepsis seitens der Fahrschüler - viele versuchten mit einer rechtzeitigen Anmeldung bis Ende 2002 dem neuen System zu entkommen - erhält die Mehrphasen-Ausbildung jetzt durchwegs gute Noten. Beliebtestes Modul bei den Neulingen ist das Fahrsicherheitstraining. Allein schon aufgrund der Möglichkeit, das Auto anders zu erleben als im regulären Straßenverkehr, erhielt es die Note 1,6. Das verkehrspsychologische Gruppengespräch sorgte mit einer glatten Zwei für positive Überraschung. Mit einer Note 2,2 Schlusslicht in der Bewertung und damit verbesserungswürdig ist die Perfektionsfahrt. Viele Führerscheinneulinge erwarten sich mehr von diesem Modul, beispielsweise ein detailliertes Feedback zur Aufarbeitung der gesammelten Erfahrung. Doch was bleibt, ist meist nur eine normale Fahrstunde.

Mehrphase: Nicht Schikane, sondern Sicherheitsgewinn!
"Es ist wichtig, immer wieder zu betonen, dass die jungen Fahrer selbst vom Mehrphasenführerschein profitieren", appelliert Thann. Kennt man die eigenen Stärken und Schwächen sowie die Grenzen des Fahrzeugs, ist das Risiko geringer, einen vielleicht sogar tödlichen Unfall zu erleiden.
     
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