Bildungspolitik / Bildungsreform  

erstellt am
08. 02. 05

 Gusenbauer: "Endlich Nägel mit Köpfen machen" - Drei Forderungen zum Bildungsdialog
SPÖ zu echten Reformen bereit - ÖVP betreibt "verantwortungslose Blockadepolitik auf dem Rücken der Kinder"
Wien (sk) - Für SPÖ-Vorsitzenden Alfred Gusenbauer gibt alles, was man im Vorfeld des Bildungsdialogs von der ÖVP hört, Anlass zur Besorgnis; es herrsche eine umfassende Orientierungslosigkeit. "Die Regierung bringt keinen einzigen konkreten Vorschlag, wie das Bildungssystem verbessert und wie ein weiteres Abdriften Österreichs nach unten verhindert werden kann. Jetzt müssen endlich Nägel mit Köpfen gemacht werden. Die SPÖ hat eine Reihe von Vorschlägen bereits präsentiert", betonte Gusenbauer Montag (07. 02.) in einer Pressekonferenz. Konkret habe die SPÖ vorgeschlagen, bei den Schulgesetzen - außer bei grundsätzlichen Fragen wie der Schulpflicht - auf die Zwei-Drittel-Mehrheit zu verzichten, die ÖVP blockiere das aber. Weiters fordert die SPÖ eine bundesweite Erhebung des Bedarfs an Ganztagsschulen sowie die Führung des letzten Kindergartenjahres als Vorschuljahr.

Der SPÖ-Vorsitzende warf Bildungsministerin Gehrer vor, nach dem Absturz Österreichs bei PISA II keinen Handlungsbedarf gesehen zu haben. "Alle waren schuld, die Eltern, die Lehrer, nur sie selbst nicht", so Gusenbauer, der daran erinnerte, dass sich Gehrer erst nach massivem Druck der Öffentlichkeit bewegt und den SPÖ-Vorschlag für die Ganztagsschule aufgegriffen habe. Nun rudere die ÖVP aber bereits wieder zurück, sei doch nicht mehr von Ganztagsschule, sondern nur mehr von ganztägiger Betreuung die Rede, was jedoch kein pädagogisches Instrument sei.

"Die SPÖ ist zu einer echten Reform bereit. Es ist nur mehr eine Woche Zeit bis zum Bildungsdialog, und es gilt daher, endlich den Weg frei für eine echte Bildungsreform zu machen", erklärte der SPÖ-Vorsitzende, der in einer Pressekonferenz mit der Elternvertreterin Andrea Fraundorfer und VSStÖ-Vorsitzender Andrea Brunner für den Bildungsgipfel drei zentrale Vorschläge machte.

Erstens soll der Kindergartenbereit in die Schulreform einfließen. Tatsache sei, dass immer mehr Kinder die Unterrichtssprache nicht beherrschen und daraus ein für die Lehrer schwer zu bewältigendes Problem entstehe. Ein Problem, auf das er, Gusenbauer, bereits vor einem Jahr hingewiesen habe, das die Regierung aber verschlafen habe. Die SPÖ schlage deshalb vor, das letzte Kindergartenjahr als "eine Art Vorschuljahr" zu führen, um Defizite - etwa in der Sprache - frühzeitig zu erkennen und die Kinder entsprechend fördern zu können. Der SPÖ-Vorsitzende wies darauf hin, dass dort, wo das Kindergartenangebot ein ausreichendes ist, 95 Prozent der Kinder das Jahr vor der Volksschule im Kindergarten verbringen. Migrantenkinder würden jedoch sehr oft die Zeit bis zur Schule zu Hause verbringen. Die Gemeinde Wien habe genau aus diesem Grund vor eineinhalb Jahren eine sehr erfolgreiche Kampagne geführt, bei der MigrantInnen motiviert wurden, ihre Kinder in den Kindergarten zu geben. Danach gefragt, ob das Vorschuljahr verpflichtend sein solle, antwortete der SPÖ-Vorsitzende, dass es gut wäre, sich die Verpflichtung zu ersparen, da sich die öffentliche Hand dadurch auch Kosten ersparen würde. Es gehe darum, das letzte Kindergartenjahr als Vorschuljahr umzuformulieren und das Angebot so zu erweitern, dass es alle in Anspruch nehmen können.

Zweites Thema für den Gipfel sei, dass es eine enorme Nachfrage nach Ganztagsschulen gebe, und daher das anspruchsvolle pädagogische Konzept der Ganztagsschule auch verwirklicht werden müsse. Der Wunsch aller Beteiligten sei, dass das Thema Schule bis 15.30 oder 16.30 erledigt sein soll und es dann echte Freizeit gibt. Um die tatsächliche Nachfrage zu erheben, gebe es in sozialdemokratisch regierten Bundesländern bereits Bedarfserhebungen. Die SPÖ fordert nun, dass es eine solche Erhebung auch bundesweit geben soll. Mit den Ausflüchten Gehrers, es gebe keine Daten, gebe man sich nicht zufrieden.

Der SPÖ-Vorsitzende betonte weiters, dass in Österreich jedes Jahr zumindest 300 Millionen Euro in die Schulrenovierung fließen. Dies sei ein enormes Budget, das genützt werden könne, um die Schulen ganztagsschultauglich zu machen. Wo die Nachfrage groß ist und wo Renovierungsbedarf besteht, sollen die Ganztagsschulen sofort verwirklicht werden, so Gusenbauer, der wiederholte, dass bis 2010 100.000 zusätzliche Ganztagsschulplätze geschaffen werden sollen.

Drittens gehe es darum, die Bildungsblockade zu beenden. Die SPÖ habe darum den Vorschlag gemacht, die für Schulgesetze notwendige Zwei-Drittel-Mehrheit abzuschaffen, außer bei den grundsätzlichen Fragen Schulpflicht, Schule als öffentliche Aufgabe und unentgeltlicher Schulbesuch. Alle Fragen der Schulorganisation könnten dann mit einfacher Mehrheit beschlossen werden. Die SPÖ werde einen entsprechenden Antrag im Parlament einbringen. Die Angst der ÖVP vor einer Abschaffung der Zwei-Drittel-Mehrheit sieht Gusenbauer darin begründet, dass die ÖVP davon ausgeht, dass sie bei der nächsten NR-Wahl nicht gewinnen wird. "Die ÖVP ist keine selbstbewusste Partei. Sie will keine Reform, und sie will auf ihr Blockade-Mittel nicht verzichten." Die Gefahr, die drohe, sei, dass die ÖVP die nächste Wahl verliert und die Zwei-Drittel-Mehrheit vorher nicht abgeschafft wird, wodurch die ÖVP ihre Blockadepolitik auch nach der nächsten Wahl fortsetzen könnte. "Österreichs Kinder haben sich ein besseres Bildungssystem verdient", so Gusenbauer, der abschließend betonte, dass diese "verantwortungslose Blockadepolitik und der Zick-Zack-Kurs der ÖVP auf dem Rücken der Kinder und Jugendlichen" nicht weitergehen dürfe. "Die SPÖ ist zu echten Reformen bereit und braucht keine Versicherungen."

 

 Amon: SPÖ führt Hü und Hott in Bildungsreform weiter fort
SPÖ hat bei Bildung drei Stimmen, drei Meinungen, aber keine Linie
Wien (övp-pk) - Wer in der Bildungsreformdiskussion wirklich einen Zick-Zack-Kurs fahre, beweise am Montag (07. 02.) die SPÖ aufs Neue: "Zwischen den Meldungen von SPÖ-Chef Alfred Gusenbauer bei seiner Pressekonferenz und SPÖ- Bildungssprecher Erwin Niederwieser in einem APA-Interview liegen nur wenige Minuten. Fazit: Niederwieser spricht sich für, Gusenbauer gegen ein verpflichtendes Vorschuljahr aus", führte ÖVP- Bildungssprecher Abg.z.NR Werner Amon aus. "Was die SPÖ wirklich will, steht nur bei dogmatischen Modellen fest, die die Zerschlagung unseres Systems bedeuten. Ansonsten herrscht hoffnungsloses Chaos", so Amon.

Im Gegensatz dazu verfolge die ÖVP eine klare Linie in der Frage der Bildungsreform. "Im Gegensatz zu den Sozialdemokraten haben wir uns mit den anstehenden Herausforderungen seriös auseinandergesetzt, anstatt mit Schnellschüssen, die dann wieder verworfen werden müssen, vorzupreschen", sagte der ÖVP- Bildungssprecher. Die ÖVP und ihre Bildungsministerin hätten stets ein Ja zu ganztägiger Betreuung, aber ein Nein zu Verpflichtungen gesagt. "Die Wahlfreiheit muss bei den Eltern bleiben", so Amon. Bereits nach PISA I habe Bildungsministerin Elisabeth Gehrer einen Ausbau der Nachmittagsangebote um 10.000 Plätze initiiert. "Nun sind wir bereit, noch einen Schritt weiter zu gehen", so der ÖVP- Bildungssprecher.

Die SPÖ sei aufgefordert, endlich einen einheitlichen Kurs in der Bildungspolitik zu finden. "Die SPÖ hat in dieser Frage drei Sprecher, drei Meinungen, aber keine Linie", so Amon. Die Reformunwilligkeit werde von SPÖ-Bildungssprecher Niederwieser heute wiederum klar offen gelegt: "Die SPÖ nimmt den Reformdialog und die Zukunft unserer Schülerinnen und Schüler offenbar nicht Ernst. Springen Sie über Ihren Schatten und arbeiten Sie konstruktiv mit an der Zukunft unseres Landes!", schloss Amon.

 

 Rossmann: SPÖ-Forderungen viel zu spät und unglaubwürdig
Wien (fpd) - FPÖ-Bildungssprecherin Mares Rossmann begegnet den Vorschlägen von SP-Chef Gusenbauer im Bildungsbereich am Montag (07. 02.) mit Mißtrauen, vor allem was die Abschaffung der Zweidrittelmehrheit betrifft.

Die SPÖ sei unglaubwürdig, meinte Rossmann. Immerhin seien die Sozialdemokraten an der dreißigjährigen Bildungsblockade und der Einzementierung der Schulgesetze in den Verfassungsrang beteiligt gewesen. Die freiheitliche Bildungssprecherin macht die SPÖ auch für eine verfehlte Integrationspolitik verantwortlich und erinnert daran, daß die FPÖ bereits vor zwölf Jahren im Volksbegehren "Österreich Zuerst" auf die Fehlentwicklung durch zu hohen Anteil von Kindern nichtdeutscher Muttersprache in den Klassen hingewiesen habe. Damals sei man massiv kritisiert, beschimpft und öffentlich angeprangert worden.

 

 Brosz: Sprachkurse für Fünfjährige nur zweitbeste Lösung
Beste Sprachförderung ist Besuch von Kindergarten
Wien (grüne) - "Der Besuch von Kindergärten ist die beste Sprachförderung und Deutschkursen für Fünfjährige vorzuziehen. Gerade die Kommunikation mit Gleichaltrigen fördert den Spracherwerb. Innerhalb von drei Jahren erlernen fast alle Kinder problemlos die deutsche Sprache", so Dieter Brosz, Bildungssprecher der Grünen. Der Vorschlag von Innenministerin Prokop, Sprachtests bei fünfjährigen durchzuführen und anschließend Sprachkurse anzubieten, mag zwar gut gemeint sein, sei aber mit Sicherheit nicht der beste Weg. Erst wenn alle Hürden für den Kindergartenbesuch abgebaut seien, könne man über weitere Maßnahmen nachdenken. "Einjährige Kurse sind dafür sicher nicht ausreichend," so Brosz.

Nach wie vor bestünden aber Hürden für den Kindergartenbesuch. Wenn es zu wenig Plätze gibt, würden zunächst jene Kinder bevorzugt, bei denen beide Eltern berufstätig sind. Gerade in Wien gäbe es immer wieder Fälle, bei denen MigrantInnenkinder abgewiesen werden, weil sie von ihren Müttern zu Hause betreut werden. "Die soziale Staffelung der Beiträge lässt ebenfalls zu wünschen übrig, wenn bereits ab 1.000 Euro Haushaltseinkommen beträchtliche Beiträge zu zahlen sind," so Brosz.
         

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