Skyrunner Christian Stangl bezwingt zehn Anden-Sechstausender in einer Woche  

erstellt am
21. 02. 05

Der 17. Februar 2005 wird in die Annalen des Extrembergsteigens eingehen
Admont/Wien - (walsch) - Christian Stangl hat ein neues Kapitel in der Geschichte des Extrem- bergsteigens aufgeschlagen. Mit einer Leistung, die niemand für möglich gehalten hat: alleine und im typischen Stanglstil mit leichtem Marschgepäck erlief der Admonter zehn Sechstausender in einer Woche.

In den vergangenen sieben Tagen erlief Stangl jeden Tag mindestens einen Anden- Sechs- tausender. Dreimal gelang ihm sogar eine Doppelüberschreitung. Für jeden dieser Andenvulkane rechnen "normale" Bergsteiger mit mehreren Tagen vom Basislager bis zum Gipfel. Nicht so Christian Stangl: Im Skyrunnigstil werden die Berge nicht erstiegen, sondern "erlaufen". Stangl jogged auf die Gipfel.

Chronologie der Ereignisse
11. Februar 2005: Start der Andentour
Gleich zum Anfang eine Doppelüberschreitung: in etwas mehr als elf Stunden auf den Nevado el Fraile (6.061 Meter) und den Inca Huasi (6.621 Meter). Über 2.000 Höhenmeter und eine geschätzte Laufstrecke von ca. 50 Kilometer. Die beiden Gipfel liegen Luftlinie 8,43 Kilometer auseinander.
12. Februar: Die 1.000 Höhenmeter bis zum Gipfel des San Francisco mit 6.018 Metern erlief Stangl in knapp drei Stunden. Mit den zwei Stunden Abstieg also "nur" fünf Stunden Laufzeit an diesem "Erholungstag".

13. Februar: Wieder eine Doppelüberschreitung
Dieses Mal standen der Cerro Pena Blanca (6.146 Meter) und der Ermitano (6.020 Meter) auf dem Plan. Eisige Kälte mit minus 15 Grad schon auf 5.000 Metern konnte Stangl nicht aufhalten. Die beiden Gipfel liegen Luftlinie etwa sieben Kilometer auseinander. Also wieder einen Laufstrecke um die 45 Kilometer. Die beiden Gipfel schaffte Stangl in neun Stunden und fünf Minuten mit etwa 2.000 Höhenmetern.


14. Februar: Vulkan mit Hindernissen: Cerro El Muerto (6.481 m)
Der Muerto war ein harter Brocken: zuerst ein sehr langer Aufstieg bis unter den Gipfel. Und unter dem Gipfel versperrten riesige Lavabrocken den Weg und vor allem die Sicht. Stangl musste erst über GPS den Gipfel anpeilen. Das Wetter schlug um, Schneefall und eisiger Wind schlugen Stangl entgegen. Erst am späten Nachmittag - nach über zehn Stunden Laufzeit erreichte Stangl wieder das Basislager mit seiner Begleiterin Birgit Rinner, die die Logistik und Versorgung für diese Tour übernommen hat.

15. Februar: Ojos del Salado: höchster Berg Chiles mit 6.893 Metern
Außergewöhnlich schwere Bedingungen: trotz blendendem Sonnenschein herrschte extreme Kälte mit minus 30 Grad und ein fast orkanartiger Sturm auf dem Dach Chiles. Den Ojos zu überschreiten gab Stangl kurzfristig auf: Nach dem Gipfelsturm stieg der Steirer wieder ab.

16. Februar: Nächste Doppelüberschreitung!
Vicunias (6.067 Meter) und Barranca Blanca (6.119 Meter) musste sich Stangl sehr hart erkämpfen. Die (Tor-)Tour steckte Stangl nun schon in den Knochen: Die Muskeln sind müde, der Körper fordert Ruhe, muss hochgepeitscht werden. Und die Füße waren dick mit Tapes umwickelt. Dennoch: Am Barranca Blanca besuchte Stangl sogar alle Gipfel: den West-, Mittel- und Ostgipfel - alle über 6.000 Meter.

17. Februar: Dickster Brocken am Schluss
Der zehnte Berg in sieben Tagen. Es ist vollbracht. Und mit dem Tres Cruzes Sur mit 6.748 Metern der zweithöchste Berg Chiles und der schwerste für Stangl bisher. Nicht nur wegen der körperlichen Erschöpfung. Um fünf Uhr morgen brach Stangl wie immer auf, um 12.15 Uhr (Ortszeit) war er auf dem Gipfel! Unter dem Gipfel schlechte Sicht: kurzer Aufenthalt, um den Gipfel anzupeilen.

Vom Gipfel aus rief Stangl über Sat-Handy in Österreich an: "Ich bin überaus glücklich und sehr stolz, die zehn Berge in sieben Tagen geschafft zu haben. Jetzt muss ich aber schnell wieder runter, da ich in eine Euphorie reinkomme, nicht nur, weil ich es geschafft habe." Nach vier Stunden Abstieg fiel der erschöpfte Stangl seiner Begleiterin Birgit Rinner in die Arme.

Hintergrund: Christian Stangl und Skyrunning. Die jüngste Disziplin des alpinen Bergsports findet immer mehr Anhänger: der Solo-Berglauf mit minimalster Ausrüstung, auf der schnellsten Route im Laufstil vom Basislager auf den Gipfel. Und das Ganze, für Alpinisten eher ungewöhnlich: mit der Stoppuhr am Arm. Denn es kommt auch auf die "gelaufene" Zeit an. Vorangetrieben wird diese neue Form des Bergsteigens durch Protagonisten wie den Österreicher Christian Stangl. Der Steirer zählt mittlerweile zur Weltelite der Speed-Bergsteiger und erregt immer mehr Aufmerksamkeit mit seinen schier unglaublichen Bergrekorden.

2001 ließ Stangl nicht nur die Fachwelt zum ersten Mal aufhorchen. Im typischen Stanglstil bezwang er den sechsthöchsten Berg der Welt, den Cho Oyu (8.201 Meter). Auf einer neuen Route, in der Rekordzeit von 91 Stunden! Im bisherigen Alpinjargon lief das unter Solo-Erstbegehung. Stangl spricht vom ersten wirklichen "Skyrun", seinem ersten Speedrekord.

Stangls zweiter Streich: der höchste Berg Südamerikas, der 6.962 Meter hohe Aconcagua. Erfahrene Bergsteiger brauchen für die Strecke vom Basislager auf 4.300 Metern bis zum Gipfel drei bis vier Tage! Stangl lief die Strecke mit über 2.600 Höhenmeter in vier Stunden und 25 Minuten!

2003 reichte Stangl dann ein Gipfel nicht mehr aus: Im Sommer lief er in 18 Tagen auf insgesamt neun Anden-Sechstausender hinauf. Einmal gingen sich sogar zwei Berge an einem Tag aus: der Cerro Acotango (6.040 m) und der Volcan Guallatiri (6.052m). Eine Laufstrecke mit Berg- und Talfahrt in unglaublichen elf Stunden und 27 Minuten und 4.500 Höhenmetern. Hinterher befragt, ob das noch Spaß mache, der 37jährige Stangl: "Es geht um die sportliche Höchstleistung. Ich habe neun Speedrekorde in den Anden aufgestellt. Ganz genau weiß ich das nicht, da es für die Mehrzahl der Berge noch keine richtigen Zeiten gab." Jetzt gibt es jedenfalls welche und der Österreicher steht in den Annalen des Andenbergsteigens damit ganz weit vorne. Dokumentiert ist die 2003er-Andentour auf der 20-Minuten-DVD "Jogging High - Skyrunning in den Anden". Der Film ist das vielbeachtete Erstlingswerk des Grazer Sportstudenten und Kameramann Raimund Reiter.
     
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