Bildungspolitik / Reform des Schulwesens  

erstellt am
16. 02. 05

Schüssel: Novelle zur Reform des Schulwesens heute in Begutachtung
Wien (bpd) - Der Ministerrat beschloss am Dienstag (15. 02.) eine Novelle zum Bundesverfassungsgesetz, die es ermöglicht, Schulreformen mit einfacher parlamentarischer Mehrheit zu beschließen. Demnach sollen Art. 14 Absatz 10 und Artikel 14a Absatz 8 entfallen. Dem Artikel 151 wird ein Absatz hinzugefügt, der die Außerkrafttretung dieser beiden Artikel beinhaltet. Insgesamt bedürfen dann 16 verschiedene Gesetze keiner Zwei-Drittel-Mehrheit mehr im Nationalrat. Der entsprechende Entwurf geht noch heute in eine vierwöchige Begutachtung und soll anschließend vor der Sommerpause parlamentarisch beschlossen werden. Im Vorfeld, beim gestrigen Reformdialog Bildung, hatten bereits alle Parteien ihre Zustimmung zu dieser Verfassungsänderung bekundet. Für diese ist eine Zweidrittelmehrheit notwendig. Bundeskanzler Wolfgang Schüssel: "In der Vergangenheit konnten wir selbst einfache Dinge wie die Umbenennung des Faches Leibeserziehung nicht umsetzen. Auch wichtige Anliegen wie die Integration in den Polytechnischen Lehrgängen scheiterten. Mit dieser Änderung sind in Hinkunft Reformblockaden im Schulbereich nicht mehr möglich."

Als ein weiteres Ergebnis des gestrigen Reformdialogs kündigte der Bundeskanzler auch entsprechende Änderungen bei den Budgetbegleitgesetzen an, die übernächste Woche vom Finanzminister dem Ministerrat vorgelegt werden. Diese werden unter anderem die materielle Aufwertung des Klassenvorstandes beinhalten.

Der Ministerrat beschloss heute auch eine Novelle zum Bankwesengesetz mit der die Amthaftung des Bundes für die Finanzmarktaufsicht geändert wird. Hiermit wird klar erstellt, dass der Bund nur mehr für jene Bereiche haftet, bei denen er selbst die Prüfer entsendet hat. Andere Prüfungsgarantien werden damit ausgeschlossen

Der Ministerrat nahm heute auch einen Zwischenbericht über die österreichischen Hilfsmaßnahmen für die Opfer der Flutkatastrophe in Südostasien zur Kenntnis. Insgesamt hat die öffentliche Hand gemeinsam mit den Sozialpartnern 50 Millionen Euro für die kommenden Jahre zur Verfügung gestellt. Gegenwärtig halten sich noch 100 österreichische Helfer in der Region auf. Bislang konnten 18 österreichische Todesopfer identifiziert werden, 92 Österreicher gelten noch als vermisst.

In Hinblick auf das morgen in Kraft tretende Kyoto-Protokoll erinnerte der Bundeskanzler an die umfassenden Maßnahmen der österreichischen Bundesregierung für den Klimaschutz. Schüssel: "Wir haben in Österreich die Einigung über den Emissionshandel erzielt und die Einführung der verpflichtenden Beimischung von Biosprit beschlossen. Damit wird der C02-Ausschuss um eine Million Tonne reduziert. Wir haben auch mit den Bundesländern 15a-Verträge abgeschlossen und damit die Wohnbauförderung ökologisiert. Zudem wird der Anteil des Ökostroms in Österreich bis 2007 auf 8% steigen. 2004 stieg auch unsere Umweltförderung um 50 Millionen Euro, mit dem Effekt, dass Investitionen von insgesamt 265 Millionen Euro getätigt wurden."

 

 Niederwieser: Gute Stimmung, aber wenig Konkretes
Gehrer immer schon für Aufhebung der Zwei-Drittel-Hürde? - ein Thema für Historiker
Wien (sk) - Mit gemischten Gefühlen betrachtet SPÖ-Bildungssprecher Erwin Niederwieser den Bildungsgipfel vom Montag (14. 02.). So sei die Stimmung durchaus positiv gewesen und die Teilnehmer hätten ihre Positionen darlegen können, andererseits sei man leider zu wenig konkreten Ergebnissen gekommen, und es seien mehr Fragen offen geblieben als beantwortet wurden. "Was Kanzler Schüssel am Ende der Veranstaltung gesagt hat, war genau das Gleiche, was er zu Beginn des Dialogs erzählt hat", so Niederwieser Dienstag gegenüber dem Pressedienst der SPÖ. Die Themen Ganztagsschule, gemeinsame Schule, individuelle Förderung und Lehrerausbildung seien von Schüssel und Gehrer ausgeblendet worden.

Die nun am Tisch liegende Abschaffung der Zwei-Drittel-Hürde bei Schulgesetzen sei aufgrund des permanenten Drucks durch SPÖ-Vorsitzenden Alfred Gusenbauer zustande gekommen und sei von allen Anwesenden beim Dialog begrüßt worden. Dass die ÖVP in dieser Frage eingelenkt hat, sei daher nicht wirklich überraschend. "Mit der Aussage, dass Ministerin Gehrer schon immer für die Beseitigung dieser Hürde war, mögen sich die Historiker beschäftigen", so der SPÖ-Bildungssprecher.

Dass nun die Fünf-Tage-Woche zur Regelform werden soll, sei eine alte Geschichte. Seit Gehrer Bildungsministerin ist, werde diese von der SPÖ und den Eltern gefordert. "Es ist ein richtiger Schritt, dies nun umzusetzen, allerdings hat man sich doch zehn Jahre dafür Zeit gelassen", betonte Niederwieser.

Die Ankündigung, den Klassenvorständen 70 Euro zusätzlich im Monat zu bezahlen, habe nichts mit der Zwei-Drittel-Materie oder der PISA-Studie zu tun, sondern sei eine - durchaus berechtigte - Forderung der Lehrergewerkschaft. AHS-Klassenvorstände bekommen im übrigen wesentlich mehr. Ein modernes Dienstrecht, "über dem das Bildungsministerium seit vier Jahren brütet", gebe es leider immer noch nicht.

Die Forderung Schüssels nach einer regionalen Auswertung der PISA-Studie komme zudem reichlich spät. Tatsache sei auch, dass die vorhandenen Daten eine derartige Auswertung nicht zulassen, so Niederwieser, der Schüssel aufforderte, die Bildungsstandards rasch voranzutreiben und das fachliche Know-how zu sammeln. 2006 sollte es gesamtösterreichische, alle Schulen umfassende Tests geben, damit sich die Eltern und Lehrer von ihrer Schule ein Bild machen können.

Für den SPÖ-Bildungssprecher ist es bedauerlich, dass es bei den wirklich wichtigen Themen keinen Fortschritt gegeben hat. Unbeantwortet geblieben seien die Fragen: Elternrecht auf eine Ganztagsschule, Schaffung von flächendeckenden ganztägigen Schulen, Öffnung im Schulorganisationsrecht für eine neue gemeinsame Schule und für individuelle Förderung sowie eine Modernisierung der Lehrerausbildung. "Letztlich blieben beim gestrigen Gipfel mehr Fragen offen als beantwortet", so Niederwieser abschließend.

 

 Amon: Der SPÖ etwas recht zu machen, ist ein Ding der Unmöglichkeit
Während Reformdialog Bildung tagte, schrieb Gusenbauer Autogramme
Wien (övp-pk) - Scheinbar habe der SPÖ- Bildungssprecher Erwin Niederwieser den Sinn des gestrigen Reformdialogs Bildung nicht ganz verstanden, stellte ÖVP-Bildungssprecher Werner Amon am Dienstag (15. 02.) fest. "Es sind eine Reihe von konkreten Reformvorhaben angesprochen worden, die es nun gilt, auf dem Wege von parlamentarischen Beschlüssen umzusetzen. Der Reformdialog war hierzu ein hervorragender Rahmen, um mit der politischen Umsetzung zu beginnen", so Amon weiter. Es sei ein Zeichen von großer politischer Kultur, wenn man eine Reform mit einem Dialog beginne. Dieser Weg sei angesichts der Tragweite von Reformvorhaben der absolut richtige.

Warum Niederwieser davon spreche, dass er gegen eine regionale Auswertung der PISA-Daten sei, sei verständlich, da angesichts der Tatsache, dass hier vor allem sichtbar würde, wie die Situation der Schulen in Wien tatsächlich aussehe. "Hier hat die SPÖ bereits ihre 'Gesamtschule' durch das Hintertor eingeführt. Hier hat die SPÖ die Differenzierung abgeschafft und die Hauptschulen schwer beschädigt", hielt Amon fest. Unverständlich sei aber, dass Niederwieser nun "jedes Reformvorhaben davon abhängig macht, ob es uns PISA aufgezeigt hat oder nicht. PISA ist eine Überprüfung in einigen wenigen Bereichen, wobei viele andere Bereiche einfach nicht berücksichtigt werden - mehr nicht", so Amon.

Wenn die SPÖ anstrebe, in Bildungsfragen Historiker zu bemühen, dann sei daran zu erinnern, welche Reformvorschläge die SPÖ im Österreichkonvent eingebracht habe. "Schließung bzw. Zusammenlegung von mehr als 90 Prozent der Pflichtschulen, ganztätige Anwesenheit von Lehrerinnen und Lehrern an den Schulen sowie die Zerschlagung des berufsbildenden Schulwesens. Und das sind die tatsächlichen Reformvorschläge der SPÖ?", fragte Amon. Auch der SPÖ-Parteichef Gusenbauer ließ in der Vergangenheit mit so manchem kuriosen Vorschlag aufhorchen, beispielsweise der Aufhebung von Noten in den Schulen. "Will die SPÖ das etwa noch immer oder schon wieder?", so Amon.

Augenscheinlich gehe es der SPÖ nach wie vor darum, einfach ideologische Überschriften wie Gesamt- oder Ganztagsschule Gesetz werden zu lassen, ohne überhaupt zu bedenken, welche dramatischen Auswirkungen dies haben würde. "Niederwieser soll dazu stehen, dass, wenn die Gesamtschule kommen würde, unsere ganzen hervorragenden Hauptschulen und das gesamte berufsbildende Schulwesen zerschlagen werden würde. Und ich wäre auch gespannt, was die Eltern und auch die Kinder dazu sagen würden, wenn sie bei der Frage der Nachmittagsbetreuung überhaupt nichts mitzureden hätten. Das ist nicht wirklich ein Zeichen von Demokratieverständnis", sagte der ÖVP-Bildungssprecher.

Wenn, wie Niederwieser behaupte, der SPÖ-Parteivorsitzende so großen Druck ausgeübt habe, sei äußerst fragwürdig, warum dieser dann dem Reformdialog ferngeblieben sei. "Die bildungspolitische Haltung und Vorgangsweise der SPÖ ergibt ein kristallklares Bild. Es gibt augenscheinlich zwei für Bildung verantwortliche Mandatare, Broukal und Niederwieser. Die Inhalte des Bildungsprogramms sind entweder Abschriften vom PISA-Sieger Finnland, ohne auf die österreichischen Bedingungen einzugehen oder ideologische Altforderungen. Und zu guter Letzt schreibt der SPÖ- Parteivorsitzende lieber Autogramme, als sich aktiv und konstruktiv in den Reformdialog Bildung einzubringen. Ein klareres Bild ist kaum mehr möglich", so Amon abschließend.

 

 Rossmann erfreut über Begutachtungsentwurf zur Abschaffung der 2/3 Mehrheit
Wien (fpd) - Erfreut zeigt sich die freiheitliche Bildungssprecherin Mares Rossmann über das "Aus" für ein Zwei-Drittel-Erfordernis bei Schulgesetzen und erinnert daran, daß die FPÖ diese Abschaffung bereits seit vielen Jahren gegen den Widerstand von ÖVP und SPÖ gefordert hat.

Rossmann wiederholte auch ihre Forderung vom gestrigen Bildungs-Reformdialog für die Wiedereinführung der Klassenvorstandstunden. Speziell wenn der Klassenvorstand ein Fach mit nur einer Wochenstunde unterrichtet. Nachzudenken sei auch über eine Ausweitung des Landeslehrerdienstrechtsgesetzes auf AHS- und BHS-Lehrer. Rossmann spricht sich in diesem Zusammenhang dafür aus, über eine Neuaufteilung der Anwesenheitspflicht der Lehrer in den Schulen zu diskutieren. Es sei für jeden Lehrer zumutbar, zwei bis drei Nachmittage pro Woche in der Schule anwesend zu sein. Eine verpflichtende Fortbildung soll es laut Rossmann nur innerhalb eines neuen Gehaltsschemas geben, das durchaus leistungsbezogen sein könnte und die Bereitschaft zur Weiterbildung berücksichtige. Hinsichtlich Ganztagsbetreuung merkte Rossmann an, diese dürfe keinesfalls verpflichtend sondern müsse flexibel gestaltet werden. Hier sollte man den Elternwünschen nachkommen.

Erfreut zeigt sich Rossmann auch über die Zusicherung von Bildungsministerin Gehrer, wonach die Schuleinschreibung künftig bereits ein Jahr vor Schuleintritt erfolgen und mit einer Überprüfung der Sprachfähigkeiten einhergehen solle.

 

Regierung ist unverschämter Populismus wichtiger als Seriosität
Seit 2000 wurden 2/3 der SprachförderlehrerInnen-Stellen gestrichen
Wien (grüne) - „Nachdem BK Schüssel und BMin Gehrer zunächst abwechselnd die Eltern und die LehrerInnen als Schuldige am schlechten PISA-Ergebnis geoutet hatten, sind jetzt Kinder mit nichtdeutscher Muttersprache und deren Mütter an der Bildungsmisere schuld. Die ÖVP sprang beim gestrigen Reformdialog auf die FPÖ-Linie auf. Unverschämter Populismus ist der Regierung offenbar wichtiger als Seriosität,“ so der Bildungssprecher der Grünen, Dieter Brosz.

„2003 wurde im schwarzblauen Regierungsübereinkommen ein Kontingent von 2000 LehrerInnen für die Förderung von Kindern mit nichtdeutscher Muttersprache fixiert. Mittlerweile sind davon nur noch etwas mehr als 600 dieser FörderlehrerInnen übrig“, ergänzt Brosz, und weiter: “Zuerst streicht die Regierung innerhalb von fünf Jahren zwei Drittel der LehrerInnen-Stellen. Dann werden die mangelnden Sprachkenntnisse der Kinder mit nichtdeutscher Muttersprache als zentrales Problem bezeichnet. Und jetzt fordert die Regierung Deutschkurse für Fünfjährige, die noch nicht in ihrer Muttersprache schreiben und lesen können.“

„Es scheint der Regierung völlig egal zu sein, dass der Rückstand der Kinder mit nichtdeutscher Muttersprache laut PISA im internationalen Durchschnitt liegt. Gegenüber der ersten Studie im Jahr 2000 hat sich der Rückstand reduziert. Offenbar ist es bequemer Sündenböcke zu finden als sich mit den relevanten Problemen zu beschäftigen,“ schließt Brosz.
         

Wir übernehmen hier Stellungnahmen aller vier im Parlament
vertretenen Parteien – sofern vorhanden! Die Redaktion

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