10 Jahre EU-Mitgliedschaft  

erstellt am
04. 03. 05

Bilanz und Ausblick in der Aktuellen Stunde im Nationalrat
Wien (pk) - Für die Aktuelle Stunde am Donnerstag (03. 03.) hat die ÖVP das Thema „10 Jahre EU-Mitgliedschaft – Bilanz und Ausblick“ gewählt. V-Abgeordneter Mag. MOLTERER fasste die Bilanz mit der Feststellung zusammen, Österreich stehe heute insgesamt besser da als vor dem Beitritt. Die EU-Mitgliedschaft habe für Österreich nicht nur Wohlstandsgewinn, sondern auch einen Sicherheits- und Freiheitsgewinn gebracht. Die Erweiterung des letzten Jahres bezeichnete Molterer als Erfolgsgeschichte. Österreich habe dadurch erst seinen Beitritt vollständig vollzogen, liege nun im Herzen Europas und habe auch international an Bedeutung gewonnen.

Die Zukunft Europas ist auch Österreichs Zukunft, stand für Molterer fest. In der Sicherheits- und in der Verteidigungspolitik, bei der Wirtschaftsstrategie und bei der Verfassung brauchen wir, so der Redner, mehr Europa. Die EU müsse auch stärker werden und international mit einer Stimme sprechen, auch sei ein Mehr an Transparenz angesagt. Klar war sich Molterer aber auch darüber, dass die Union nicht alles regeln dürfe und in manchen Bereichen ein Weniger an Europa wünschenswerter wäre.

Außenministerin Dr. PLASSNIK verbuchte die zehn Jahre EU-Mitgliedschaft ebenfalls als Erfolg: Der Standort Österreich zähle heute zu den attraktivsten in Europa, Österreich sei das drittreichste Land der Union, die EU-Mitgliedschaft biete vor allem der Jugend Chancen, ermögliche eine neue Zusammenarbeit in der Sicherheitspolitik und bringe durch die Förderungen aus Brüssel wichtige Impulse auch für den ländlichen Raum.

Österreich sei durch den Beitritt in die Mitte des Kontinents gerückt, die Mitgliedschaft ermögliche nun eine neue Qualität der Nachbarschaftspolitik. Plassnik sprach vom Entstehen eines mitteleuropäischen Bewusstseins, das zu einem der Leitmotive der österreichischen Außenpolitik geworden ist.

Abgeordneter Dr. FASSLABEND (V) ortete konkret messbare Erfolge in den Bereichen Wohlstand und Beschäftigung und bezeichnete weiters den Sicherheitsgewinn als einen der wesentlichen Vorteile des Beitritts. Österreich sei darüber hinaus durch die EU-Mitgliedschaft nicht nur international bedeutender, sondern auch weltoffener geworden. Als Problem empfand Fasslabend den Umstand, dass durch den EU-Beitritt eine zusätzliche vierte Regierungs- und Verwaltungsebene entstanden ist, "die es nicht einfacher macht". Wesentlich war für den Redner insgesamt, dass Österreich trotz aller Erfolge nun nicht stehen bleibt, sondern aktiv an der Union mitbaut.

Abgeordneter Dr. CAP (S) rief die Politik auf, die europäischen Sozialtraditionen in die Auseinandersetzung mit der Globalisierung einzubringen, und zweifelte an der Richtigkeit des derzeit von der EU eingeschlagenen Weges. Er vermisste insbesondere eine europäische Wachstumsperspektive und sah angesichts steigender Arbeitslosigkeit keine Ursache für Jubel seitens der Regierungsparteien. Cap verwies auch auf die große Skepsis gegenüber der EU und meinte, Österreich habe sich weder in der Transitfrage noch in der Atompolitik durchsetzen können. Auch die Entscheidung auf Aufnahme von Verhandlungen mit der Türkei ohne Einbindung der Bevölkerung werde nicht zur Überwindung der Vorbehalte beitragen können, gab er zu bedenken.

Abgeordneter Dr. BÖSCH (F) erinnerte, die FPÖ habe den Beitritt kritisch betrachtet, respektiere aber das eindrucksvolle Abstimmungsergebnis aus dem Jahr 1994. Österreichs Teilnahme an der Union sei heute auch für seine Fraktion eine Selbstverständlichkeit, die FPÖ habe großes Interesse an einer aktiven Mitarbeit Österreichs in der EU. Österreich ist nach den Worten Böschs gefordert, seine Positionen kraftvoller einzubringen. Vertiefung müsse Vorrang haben vor der Erweiterung, unterstrich der Redner. In der Sicherheitspolitik und in der Vertretung nach außen gehe es für die EU darum, noch stärker zusammenzuwachsen. Bösch sprach sich gegen eine Mitgliedschaft der Türkei aus und meinte, statt einem Beitritt sollte vielmehr ein Muster-Vertrag erarbeitet werden, der auch für alle anderen Staaten, die nicht EU-Mitglied werden können, zu gelten habe.

Abgeordnete Mag. LUNACEK (G) sah die EU unter dem Blickwinkel der sozialen Union und erteilte Tendenzen aus Brüssel in Richtung Sozialdumping mit Nachdruck eine Absage. Nach wie vor aktuell war für die Rednerin auch eine aktive Neutralitätspolitik, wobei sie das klare Nein der Grünen zur NATO-Mitgliedschaft deponierte. Lunacek warf den Vertretern der Regierungsparteien vor, sich zum Thema Neutralität zu verschweigen.

Abgeordneter Dr. MITTERLEHNER (V) stellte fest, Österreich spiele durch den EU-Beitritt wirtschaftlich gesehen nicht mehr in der Bezirksliga, sondern in der Champions-League. Die Exporte konnten gesteigert, die Arbeitsproduktivität verbessert werden, die Strukturen haben sich in Richtung Forschung und Innovation gewandelt. Die EU sei ein guter Boden für die heimischen Betriebe. Die tendenziell niedrigen Inflationsraten der letzten Jahre haben zudem, wie Mitterlehner vorrechnete, dazu geführt, dass sich jeder Österreicher im Durchschnitt 145 € pro Jahr erspare.

Abgeordneter SCHIEDER (S) bemerkte, bei allen Problemen auf dem Arbeitsmarkt sei der EU-Beitritt richtig und wichtig gewesen. Eine Rolle Österreichs außerhalb der EU sei heute weder wirtschaftlich noch politisch vorstellbar. Schieder trat für eine faire Beurteilung der zehn Jahre EU-Mitgliedschaft ein und gab zu bedenken, Österreich habe nach anfänglichen Fehleinschätzungen hinsichtlich der Beziehungen mit seinen Partnern nunmehr große Fortschritte gemacht. Überzeugt war Schieder, dass Österreich auch als neutrales Land in der EU eine Rolle spielen kann. Der Einsatz Österreichs außerhalb der EU kommt für den Redner aber nur auf Basis eines UN-Mandats in Frage. In Zukunft werde es, wie Schieder betonte, überdies immer stärker darum gehen, die EU als Ebene des politischen Handelns zu begreifen.

Abgeordneter SCHEIBNER (F) führte die EU-Skepsis der Bevölkerung auf die Kluft zwischen den Institutionen und den Bürgern, auf die Differenzen zwischen den Reden der Politiker und der Realität zurück. Defizite sah er in der Information. Man sei schon bei der Vorbereitung des Beitritts zu wenig auf die Ängste und Anliegen der Bevölkerung eingegangen, beklagte er. Mit Nachdruck bekannte sich Scheibner in seiner Wortmeldung zu einer europäischen Sicherheitsunion und sprach in diesem Zusammenhang von einem grundlegenden Wandel der österreichischen Neutralität im Verhältnis zu jener aus dem Jahr 1955.

Europa sei noch lange nicht "bei seinen Bürgerinnen und Bürgern angekommen", sagte Abgeordneter ÖLLINGER (G). Dies sei aber nicht deren Schuld. Regierung und Politik insgesamt hätten noch einiges vor sich, damit die Menschen Europa als "ihr gemeinsames Europa" ansehen könnten. Österreich sei zwar weltoffener geworden, die Regierung lasse diese Weltoffenheit aber etwa in ihrem Umgang mit Minderheiten vermissen. Österreich sei auch reicher geworden; dieser Reichtum sei aber - in Österreich wie in der EU - nicht so verteilt, wie er verteilt sein sollte. Auch in der Steuer- und in der Umweltpolitik sei ein Richtungswechsel dringend erforderlich.
     
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