Gewalt in Familie nicht als Privatangelegenheit verharmlosen  

erstellt am
02. 03. 05

Eberle bei Tagung "Gewalt-los-werden": Kinder, die Gewalt erleiden müssen, werden selber häufig gewalttätig
Salzburg (lk) - „Frau mit Messer verletzt“, „Nach Ehestreit in die Polizeizelle“, usw. „Meist erinnern nur lapidare Kurzmeldungen in der Presse daran, dass Gewalt in Familie und Partnerschaft kein Einzelfall, sondern Alltag ist. Nur Familientragödien mit tödlichem Ausgang machen immer wieder auf tragische Weise deutlich, welche Brisanz sich hinter oft jahrelanger Gewalt und Demütigung verbirgt. Dennoch werden ‚Streitigkeiten’ – wie es oft verharmlosend heißt – häufig als Privatangelegenheiten abgetan und kaum wahrgenommen. Diese Art der Gewalt darf jedoch keinesfalls verharmlost werden“. Dies betonte Familienreferentin Landesrätin Doraja Eberle am Dienstag (01. 03.) anlässlich der Tagung „Gewalt-los-werden“, in St. Virgil, die von der Landesrätin eröffnet wurde.

Während sich der Täter hinter dieser Bagatellisierung im Schutz seiner eigenen vier Wände verstecken kann, erleiden die Opfer – meist Frauen und Kinder – oft Jahre hindurch Gewalt, Drohungen, sexuelle Misshandlungen bis hin zu schwersten körperlichen Angriffen. Kinder, die mit Gewalt aufwachsen müssen und Schläge als Form der Erziehung täglich kennen lernen, werden, so Untersuchungen, viel häufiger selber gewalttätig.

In der Erziehung von Kindern werde leider auch noch immer, so Erberle, von körperlicher Züchtigung Gebrauch gemacht. Neben Kindern, die körperliche und/oder psychische Misshandlungen erfahren, werden auch viele vernachlässigt. Sie erhalten nicht das für eine gesunde Entwicklung notwendige Maß an Ernährung, Pflege, Schutz, Aufsicht, Erziehung usw. Während Kindesmisshandlung in allen Schichten vorkommt, wird von Vernachlässigung insbesondere bei Armut, sozialer Randständigkeit und Suchtmittelmissbrauch berichtet.

„Schon im Kindergarten ist Aggression bemerkbar. Diese drückt sich häufig durch auslachen, verspotten, spucken, an den Haaren reißen etc. aus. Kinder haben oft beschränkte Möglichkeiten, soziale Kompetenz zu erwerben. Oft leben sie aus „zweiter Hand“ über Fernsehen, Computerspiele usw. Dadurch ergeben sich für die Kinder eingeschränkte Möglichkeiten, zum Erleben und Ausdrücken von Gefühlen, Ziele angemessen zu erreichen, Konflikte zu lösen oder Kompromisse zu schließen“, erläuterte Eberle, die auch für die Kinderbetreuung zuständig ist.

Grenzen im Umgang mit Mitmenschen vorleben
Für Jugendliche gibt es heute kaum Regeln und Tabus mehr, die es zu brechen gäbe. Alles scheint erlaubt zu sein. Da die „Generation X“ in einer pluralistischen Gesellschaft aufwächst, in der eine Vielzahl von unterschiedlichen Werten und Normen existiert, müssen eigene Werteentscheidungen gefällt werden. Wertevermittlung heiße, so Eberle, aber vor allem, dass man die Grenzen im Umgang mit den Mitmenschen vorgelebt bekommt. Und das am besten von der Familie.

„Doch heute sind der Kindergarten und die Schule oft die einzige Institution, wo Wertevermittlung überhaupt noch stattfindet. Diese Institutionen ersetzen heute leider Familien immer mehr, anstatt sie zu ergänzen. Der tief greifende Wertewandel, der seit einigen Jahren das Verhältnis der Geschlechter, die Einstellung zur Partnerschaft, die Akzeptanz anderer Lebenskonzepte und vieles mehr verändert, führt zu einer stärkeren Betonung der Individualität jedes Einzelnen“, betonte die Landesrätin.

Gewaltprävention ist wichtiger Teil der Erziehung
Gewaltprävention sollte zu einem selbstverständlichen Teil der Erziehung werden, wobei zweierlei zu beachten ist. Es kann nicht darum gehen, Kindern und Jugendlichen einreden zu wollen, dass sie sich konfliktfrei zu verhalten hätten, denn das wäre unrealistisch und widernatürlich. Konflikte gehören zum Leben, so auch zum Erwachsenwerden, es könne, so Eberle, also sinnvoller Weise nur um die Konfliktkultivierung gehen.

Die beste Prävention gegen Gewalt seien vor allem tragfähige Beziehungen sowie eine Zuwendung im Sinne positiver Förderung in Familie, Kindergarten und Schule. Familien müssten sich mehr Zeit für ihre Kinder nehmen, Zeit zum Zuhören, zum Ermutigen. Dabei werden bei Kindern Selbstbewusstsein und Selbstwertgefühl gestärkt.

Viele Eltern sind mit der Situation jedoch überfordert und wenden sich an die Familien- und Erziehungsberatungsstellen des Landes, in der Stadt und in den Bezirken. In der Erziehungsberatung bemühen sich die Psycholog/innen in Zusammenarbeit mit den Eltern und Betreuer/innen, Ängste der Kinder zu verringern, das Selbstbewusstsein zu stärken, die Kreativität zu fördern, Kinder erleben zu lassen, dass sie selber etwas gestalten und verändern können. Sie haben es dann nicht mehr nötig, sich durch Gewalt in den Mittelpunkt zu stellen oder gar am Leiden anderer Kinder noch Freude zu haben.

„Eltern brauchen nicht nur Unterstützung bei der Stärkung ihrer Erziehungskompetenz, sondern sind auch auf ein kinder- und familienfreundliches Umfeld angewiesen, auf qualitätsvolle Kinderbetreuung und auf Rahmenbedingungen, die die Vereinbarkeit von Beruf und Familien zulassen“, betonte Doraja Eberle, selber Mutter von zwei Kindern.
     
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