Eine "prophetische Stimme" gegen den Antisemitismus  

erstellt am
14. 03. 05

Kardinal Schönborn eröffnete am Samstag (12. 03.) die Marathonlesung aus dem Irene-Harand-Buch gegen Hitler
Wien (stephanscom.at) - Als eine "prophetische Stimme" gegen Antisemitismus und Rassenwahn hat Kardinal Christoph Schönborn die Wiener Katholikin Irene Harand (1900-1975) bezeichnet, deren vor 70 Jahren erschienenes Buch "Sein Kampf - Antwort an Hitler" am Samstag (11. 03.) Inhalt einer Marathonlesung im Wiener Erzbischöflichen Palais war. Wie Kardinal Schönbörn bei der Eröffnung der Marathonlesung betonte, habe Harand von Anfang an klar gesehen, welches Unheil das Hakenkreuz über die Welt bringen würde, insbesondere auch über die jüdischen Menschen. Harands Klarsicht und Mut mache es aus heutiger Sicht verwunderlich, wie viele Politiker, Wissenschaftler und Philosophen der damaligen Zeit das Unheil nicht so klar sehen konnten.

Kardinal Schönborn betonte, dass die Marathonlesung aus dem soeben neu aufgelegten Buch bewusst am 12. März - dem Jahrestag des "Anschlusses" 1938 - stattfinde. Mit der Lesung, deren Botschaft für Menschenwürde und Menschenrecht heute so aktuell sei wie vor 70 Jahren, werde zugleich einer Österreicherin gedacht, die viel zu wenig bekannt sei. Dies sei auch ein Beitrag zum heurigen Gedenkjahr.

An der von Franz Richard Reiter, dem Verleger der Neuausgabe des Harand-Buches, initiierten Marathonlesung im Erzbischöflichen Palais wirkten mehr als 100 Persönlichkeiten aus Kirche, Kultur und Publizistik mit. Die Lesung unter dem 1938 von der Hitler-Jugend durchbohrten Christusbild wurde live auf eine Videowand auf dem Stephansplatz und vom ORF im Internet übertragen.

An der Lesung am 12. März beteiligen sich Religionsvertreter (u.a. Oberrabbiner Paul Chaim Eisenberg, Abt Bernhard Backovsky, Christine Gleixner), Richter (u.a. Barbara Helige und Prof. Ludwig Adamovich), Künstler (u.a. Andre Heller, Dietmar Schönherr, Werner Schneyder, Elfriede Ott, Karl Heinz Hackl, Peter Turrini, Topsy Küppers, Gabi Schuchter, Lena Rothstein, Timna Brauer, Maria Bill, Karl Merkatz), Publizisten (u.a. Christoph Kotanko, Peter Pelinka, Hans Rauscher, Alfred Worm, Elfriede Hammerl) und Wissenschaftler (u.a. Prof. Stefan Karner, Prof. Maximilan Liebmann).

Irene Harand, 1900 in Wien geboren und in der katholischen Kirche aktiv tätig, bekämpfte bereits in den dreißiger Jahren aus christlicher Motivation den "Betrug des Antisemitismus". 1933 gründete sie zusammen mit dem 1940 im KZ Sachsenhausen ermordeten Anwalt und Politiker Moriz Zalman die "Harand-Bewegung" als "Weltbewegung gegen Rassenhass und Menschennot".

Ihre intensive Vortrags- und Werbetätigkeit führte sie in zahlreiche europäische Länder. Bekannt wurde ihr Buch "Sein Kampf - Antwort an Hitler" (1935). 1938 zur Emigration gezwungen, lebte Irene Harand in New York. Tausende österreichische Juden verdanken ihr die Möglichkeit zur Emigration in die USA. Irene Harand war Mitbegründerin des "Free Austrian Movement". Nach dem Krieg war Irene Harand maßgeblich am Aufbau und der Pflege der kulturellen Beziehungen zwischen Österreich und Amerika beteiligt; sie gründete unter anderem das "Österreichische Institut" in New York. 1969 wurde Irene Harand als "Gerechte unter den Völkern" von der israelischen "Yad Vashem"-Gedenkstätte geehrt. 1971 wurde sie mit dem Goldenen Ehrenzeichen für Verdienste um die Republik Österreich ausgezeichnet. Sie starb im Februar 1975 in New York. Auf Initiative des damaligen Kulturstadtrats Peter Marboe wurde 1990 ein Wiener Gemeindebau nach ihr benannt. Marboe hatte Irene Harand in seiner New Yorker Zeit kennen gelernt. Er war es auch, der Kardinal Schönborn vor einigen Jahren ein antiquarisches Exemplar des Buches "Sein Kampf - Antwort an Hitler" schenkte. Der Wiener Erzbischof war fasziniert und sorgte dafür, dass das Buch neu aufgelegt werden konnte.

Antisemitismus unvereinbar mit Christentum
Peter Marboe sagte bei der Eröffnung der Marathonlesung, Irene Harand sei es darum gegangen, den Antisemitismus als unvereinbar mit dem christlichen Glauben zu entlarven. Er zitierte ihre Feststellung, dass jeder, der beim Antisemitismus mitmacht, sich an Christus versündigt, der "als Mensch Jude war". Das Ziel Irene Harands sei es gewesen, die Christen gegen den Nationalsozialismus zu mobilisieren. Die Erinnerung an ihren Einsatz sei auch heute "Mahnung und Anliegen".
     
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