Schönborn: Christ sein und Antisemit sein sind unvereinbar  

erstellt am
11. 03. 05

Marathon-Lesung der Neuauflage des Anti-Hitler-Buches von Irene Harand am 12. März im Wiener Erzbischöflichen Palais
Wien (stephanscom.at) - "Christ sein und Antisemit sein sind unvereinbar": Dies betont Kardinal Christoph Schönborn im Vorwort zur Neuauflage des Buches "Sein Kampf - Antwort an Hitler" von Irene Harand. Das vor genau 70 Jahren 1935 erschienene Buch wird am Samstag, 12. März, in einer Marathonlesung ab 11 Uhr von Menschen aus den unterschiedlichsten Bereichen - Kirchenleuten, Künstlern, Wissenschaftlern usw. - im Konsistorialsaal des Wiener Erzbischöflichen Palais zu Gehör gebracht. Die Lesung erfolgt am Jahrestag des "Anschlusses" genau unter jenem Christusbild, das im Oktober 1938 von der Hitler-Jugend beim Sturm auf das Palais mit Dolchen durchbohrt wurde. Von 11 bis 23 Uhr wird die Lesung auf eine Videowand am Stephansplatz übertragen.

Irene Harand (1900-1975), eine Wiener Katholikin, hatte frühzeitig erkannt, was Judenhass und Nationalsozialismus wirklich bedeuten. Kardinal Schönborn, der am Samstag die Lesung eröffnen wird, schreibt im Vorwort zur Neuauflage des Buches: "Mit klarem Blick hatte sie das Verbrecherische und Menschenverachtende des Nationalsozialismus erkannt. Sie entlarvte all die falschen Vorurteile und den Hass gerade gegenüber Juden, die Hitler in 'Mein Kampf' als Grundlage seiner Politik formuliert hatte."

Irene Harand habe es als überzeugte Christin für ihre Pflicht gehalten, gegen den Antisemitismus zu kämpfen, so der Wiener Erzbischof. Dass Irene Harand und ihr Werk heute endlich wieder in das Blickfeld der Öffentlichkeit rücken, sei ein "ermutigendes Zeichen". Die Neuauflage ihres Buches leiste einen bedeutenden Beitrag, das Bewusstsein zu stärken, dass die Sicherung von Freiheit und Würde aller Menschen in jeder Generation als Aufgabe neu gestellt ist und bleibt. Das Beispiel des Mutes von Irene Harand fordere auch heute zur Nachahmung heraus.

An der Lesung beteiligen sich insgesamt 106 Personen, unter ihnen Religionsvertreter (u.a. Oberrabbiner Paul Chaim Eisenberg, Abt Bernhard Backovsky, Christine Gleixner), Richter (u.a. Barbara Helige und Prof. Ludwig Adamovich), Künstler (u.a. Andre Heller, Dietmar Schönherr, Werner Schneyder, Elfriede Ott, Karl Heinz Hackl, Karl Merkatz, Peter Turrini, Topsy Küppers, Gabi Schuchter, Lena Rothstein, Timna Brauer, Maria Bill, Peter Patzak), Publizisten (u.a. Christoph Kotanko, Peter Pelinka, Hans Rauscher, Alfred Worm, Elfriede Hammerl) sowie Persönlichkeiten aus der Sozialpartnerschaft (u.a. Peter Kreisky), der Wissenschaft (u.a. Prof. Stefan Karner, Prof. Maximilan Liebmann) und den NGOs (u.a. Franz Küberl).

Um 16.30 Uhr wird die Lesung unterbrochen, der Wiener Caritasdirektor Michael Landau feiert im Stephansdom eine Gedenkmesse für die Opfer des Nationalsozialismus; dabei wird nach der Kommunion im Stephansdom auch zum ersten Mal das berühmte KZ-Lied "Wir sind die Moorsoldaten", gesungen von Lena Rothstein, erklingen.

Während der Dauer der Lesung werden auf dem Stephansplatz Ausgaben der im "Ephelant"-Verlag von Franz Richard Reiter erschienenen Neuauflage des Irene-Harand-Buches verteilt; die Verteilaktion wurde durch die Initiative von Bürgermeister Michael Häupl möglich.

Der ORF überträgt in einem Livestream in http://religion.orf.at. Ab 13. März wird die Lesung als "Video on demand" zur Verfügung stehen. Ein Porträt von Irene Harand ist am Ostermontag, 28. März, um 19.54 Uhr in ORF 2 unter dem Titel "Ihre Pflicht war Widerstand" zu sehen. "Orientierung" berichtet am Sonntag, 13. März, um 12.30 Uhr in ORF 2 über die Marathonlesung. Der ORF-Radiosender Ö1 berichtet in "Praxis - Religion und Gesellschaft" am Montag, 14. März, um 21.30 Uhr.

Mit Einbruch der Dunkelheit findet gleichzeitig mit der Lesung des Harand-Buches die Aktion "25 PEACES - Die Zukunft der Vergangenheit" zum Gedenkjahr 2005 statt. Im Rahmen dieser Aktion werden auf dem Stephansplatz Bilder vom brennenden Stephansdom auf die Fassade des Haas-Hauses projiziert. Aus dieser Verschränkung werde die Botschaft noch klarer, so Erich Leitenberger, Pressesprecher der Erzdiözese Wien: "Die Lesung des Harand-Buches verweist auf die Wurzeln des Unheils, das im 20. Jahrhundert über Europa hereingebrochen ist, die Aktion 'Die Zukunft der Vergangenheit' zeigt, welche Konsequenzen die Leugnung von Wahrheit, Menschenwürde und Menschenrecht hatte.
     
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