Schlüsselgen des Knochenstoffwechsels entdeckt  

erstellt am
09. 03. 05

Wien (oeaw) - Ein Forscherteam am IMBA (Institut für Molekulare Biotechnologie der Österreichischen Akademie der Wissenschaften) konnte erstmals die Rolle eines Gens indentifizieren, das wesentlich am Knochenstoffwechsel beteiligt ist. Veränderungen bzw. Mutationen des Gens mit dem Namen Gab2 beeinflussen das sensible Gleichgewicht zwischen Auf- und Abbau von Knochenmaterial.

Die Wissenschaftler führten ihre Untersuchungen an sogenannten “knock-out” Mäusen durch, die im Labor von Josef Penninger entstanden. Diese Mäuse tragen eine Mutation, durch die das Gen Gab2 stillgelegt wird. Es zeigte sich, dass bei Mäusen mit defektem oder fehlendem Gab2-Gen die Knochenresorption gestört ist, was darauf hinweist, dass Gab2 eine Schlüsselrolle beim Abbau von Knochensubstanz spielt. Die Arbeit der Forscher wird in der kommenden Ausgabe des Journals Nature Medicine vorgestellt. (Advance Online Publication am 6.3.05, DOI: 10.1038/nm1203).

Osteoporose droht nicht nur im Alter
Osteoporose stellt ein schwerwiegendes Gesundheitsrisiko dar, besonders in einer alternden Gesellschaft. Die Krankheit, an der weltweit 200 bis 300 Millionen Menschen leiden, führt dazu, dass Knochen brüchig werden und zu Frakturen neigen. Obwohl Frauen viermal häufiger erkranken, sind auch Männer von Osteoporose betroffen. Im Rahmen des natürlichen Alterungsprozesses verschiebt sich das Gleichgewicht zwischen Auf- und Abbau: Knochensubstanz wird rascher abgebaut, als sie ersetzt werden kann. Bei Frauen beschleunigt sich die Abbautendenz nach der Menopause noch weiter. Wenn die Eierstöcke die Produktion von Östrogen einstellen, fällt der schützende Einfluss dieses Hormons auf den Knochen weg.

Osteoporose ist keineswegs nur eine Erkrankung des Alters. Sie droht auch Menschen, die steroidhaltige Medikamente nehmen (beispielsweise gegen allergische Erkrankungen wie Asthma), Frauen, die hormonell verhüten, oder Patienten mit bestimmten Tumoren. Zu lokalem Knochenverlust kommt es auch bei Arthritis, was bei fortschreitender Erkrankung zu verkrüppelnden Gelenksschäden führt.

Dynamischer Knochenstoffwechsel
Knochengewebe unterliegt einem kontinuierlichen, dynamischen Umbauprozess. Zwei Zelltypen sind dafür verantwortlich: Osteoblasten bauen Knochen auf, Osteoklasten sind für den Abbau zuständig. Ist das harmonische Zusammenspiel der beiden Zelltypen gestört, kommt es zu Erkrankungen wie Osteoporose, Osteopetrose (übermässige Verknöcherung) oder rheumatoider Arthritis. Die Gruppe um Josef Penninger konnte bereits in einer früheren Arbeit ein Gen namens RANKL (OPGL) als wichtigsten Faktor bei der Entwicklung der Osteoklasten identifizieren. Klinische Studien mit dem Ziel, die Funktion von RANKL zu therapeutischen Zwecken auszuschalten, sind bereits weit fortgeschritten. Man weiss mittlerweile, dass die Bindung von RANKL an den Rezeptor RANK das Signal für die Zelle darstellt, sich zu einem “knochenfressenden” Osteoklasten zu entwickeln. Ein Team um Teiji Wada und Tomoki Nakashima aus der Arbeitsgruppe von Josef Penninger konnte nun mit Gab2 ein Molekül identifizieren, das an der Signalvermittlung wesentlich beteiligt ist. Bei Mäusen, in denen Gab2 ausgeschaltet ist, sind die RANK-Signale gestört und die knochenabbauenden Zellen defekt.

“Wir waren sehr überrascht”, kommentiert Josef Penninger die Forschungsergebnisse. “Dass Gab2 mit RANK assoziiert ist und die RANK-regulierte Differenzierung der Osteoklasten vermittelt, kam für uns völlig unerwartet. Ursprünglich hatten wir an Gab2 zu arbeiten begonnen, um die Funktion von Mastzellen bei Allergien zu untersuchen. Niemand hatte je eine Verbindung zwischen Gab2 und dem System RANKL/RANK vermutet. Wir haben unverhofft ein neues Schlüsselmolekül in der Regulation des Knochenstoffwechsels entdeckt.”

Neue Therapiekonzepte sind gefragt
Alle gängigen Therapieoptionen für Osteoporose, darunter Östrogene und Bisphosphonate, gehen mit unerwünschten Nebenwirkungen einher. Da mit RANK und RANKL nun die wichtigsten Regulatoren der Knochenmasse gefunden wurden, könnten neue Therapiekonzepte an diesen Molekülen ansetzen. Auf der Basis der eben vorgestellten Studie lässt sich, so hoffen die beteiligten Forscher, ein neuer Weg zur ursächlichen Behandlung von Knochenerkrankungen einschlagen.

Die beschriebenen Ergebnisse sind das Resultat einer Forschungskollaboration zwischen Dr. Penninger und seinen Mitarbeitern Teiji Wada, Tomoki Nakashima und Hiromitus Hara (IMBA), Antonio J. Oliveira-dos-Santos (Boston), Juerg Gasser (Basel), und Georg Schett (Abteilung Rheumatologie, Medizinische Universität Wien). Die Arbeit wurde von der österreichischen Nationalbank (Jubiläumsfonds), IMBA und der österreichischen Akademie der Wissenschaften, sowie der „Japanese Society for the Promotion of Science“ finanziell unterstützt.

Das IMBA – Institut für Molekulare Biotechnologie der Österreichischen Akademie der Wissenschaften kombiniert Grundlagen- und angewandte Forschung auf dem Gebiet der Biomedizin. Interdisziplinär zusammengesetzte Forschergruppen bearbeiten funktionsgenetische Fragen, besonders in Zusammenhang mit der Krankheitsentstehung. IMBA ist Mitglied des Campus Vienna Biocenter.

Zwischen dem Forschungsinstitut für Molekulare Pathologie (IMP) und dem IMBA – Institut für Molekulare Biotechnologie der Österreichischen Akademie der Wissenschaften bestehen enge Kooperationsbeziehungen. Unter dem Namen “IMP-IMBA Genome Research Center” greifen die beiden Institute auf eine gemeinsame Infrastruktur im wissenschaftlichen und administrativen Bereich zu.
     
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