Marathonlesung aus dem Irene-Harand-Buch gegen Hitler am 12. März  

erstellt am
08. 03. 05

106 prominente Österreicherinnen und Österreicher lesen unter dem von HJ-Dolchen zerfetzten Christusbild im Wiener Erzbischöflichen Palais
Wien (stephanscom.at) - 106 prominente Österreicherinnen und Österreicher, mit Kardinal Christoph Schönborn an der Spitze, beteiligen sich am 12. März an einer Marathonlesung aus einem vergessenen, aber jetzt neu aufgelegten Buch gegen den Rassenwahn der Nationalsozialisten und ihren mörderischen Antisemitismus. Die Veranstaltung im Wiener Erzbischöflichen Palais - direkt unter dem von HJ-Burschen 1938 mit Dolchen durchbohrten Christusbild - wird live auf den Stephansplatz und vom ORF ins Internet übertragen. Mit der Lesung aus dem 1935 erschienenen prophetischen Buch "Sein Kampf - Antwort an Hitler" von Irene Harand (1900-1975) will die Kirche ein starkes Signal zum Jubiläumsjahr setzen (am 12. März war der Einmarsch der NS-Truppen in Österreich erfolgt). Bei einer Pressekonferenz am Freitag in Wien berichtete Verleger Franz Richard Reiter Details über das Projekt Marathonlesung.

Reiter dankte Kardinal Schönborn, dem eine Neuauflage des Harand-Buches ein großes Anliegen gewesen sei. Treibende Kraft sei der derzeitige Mozartjahr-Intendant und seinerzeitige Kulturattache in New York, Peter Marboe, gewesen. Marboe habe das Ehepaar Harand 1970 in New York kennen gelernt. Damals habe in Österreich noch kein Interesse für die faszinierende Persönlichkeit der Katholikin Irene Harand und ihre großartigen Analysen zu Rassenhass, Nationalismus und Nationalsozialismus bestanden. Marboe habe seitdem unermüdlich über Harand gesprochen; einen der offensten Empfänger der Botschaft habe er im jetzigen Wiener Erzbischof gefunden; Kardinal Schönborn verfasste auch das Vorwort zur Neuauflage von "Sein Kampf - Antwort an Hitler".

Die Lesung aus dem Buch, das in Reiters "Ephelant"-Verlag erschienen ist, beginnt am 12. März um 11 Uhr und endet voraussichtlich um 23 Uhr. Der ORF überträgt die Lesung in voller Länge in einem Livestream in http://religion.ORF.at. Ab 13. März wird die Lesung als "Video on demand" zur Verfügung stehen. Ein Porträt von Irene Harand ist am Ostermontag, 28. März, um 19.54 Uhr in ORF 2 unter dem Titel "Ihre Pflicht war Widerstand" zu sehen. "Orientierung" berichtet am Sonntag, 13. März, um 12.30 Uhr in ORF 2 über die Marathonlesung. Der ORF-Radiosender Ö1 berichtet in "Praxis - Religion und Gesellschaft" am Montag, 14. März, um 21.30 Uhr.

An der Lesung am 12. März beteiligen sich Religionsvertreter (u.a. Oberrabbiner Paul Chaim Eisenberg, Abt Bernhard Backovsky, Christine Gleixner), Richter (u.a. Barbara Helige und Prof. Ludwig Adamovich), Künstler (u.a. Andre Heller, Dietmar Schönherr, Werner Schneyder, Elfriede Ott, Karl Heinz Hackl, Karl Merkatz, Peter Turrini, Topsy Küppers, Gabi Schuchter, Lena Rothstein, Timna Brauer, Maria Bill, Peter Patzak), Publizisten (u.a. Christoph Kotanko, Peter Pelinka, Hans Rauscher, Alfred Worm, Elfriede Hammerl) sowie Persönlichkeiten aus der Sozialpartnerschaft (u.a. Peter Kreisky), der Wissenschaft (u.a. Prof. Stefan Karner, Prof. Maximilan Liebmann) und den NGOs (u.a. Franz Küberl).

Irene Harand, 1900 in Wien geboren und in der katholischen Kirche aktiv tätig, bekämpfte bereits in den dreißiger Jahren aus christlicher Motivation den wachsenden Antisemitismus. 1933 gründete sie zusammen mit dem 1940 im KZ Sachsenhausen ermordeten Anwalt und Politiker Moriz Zalman die "Harand-Bewegung" als "Weltbewegung gegen Rassenhass und Menschennot".

Ihre intensive Vortrags- und Werbetätigkeit führte sie in zahlreiche europäische Länder. Bekannt wurde ihr Buch "Sein Kampf - Antwort an Hitler" (1935). 1938 zur Emigration gezwungen, lebte Irene Harand in New York. Tausende österreichische Juden verdanken ihr die Möglichkeit zur Emigration in die USA. Irene Harand war Mitbegründerin des "Free Austrian Movement".

Nach dem Krieg war Irene Harand maßgeblich am Aufbau und der Pflege der kulturellen Beziehungen zwischen Österreich und Amerika beteiligt; sie gründete unter anderem das "Österreichische Institut" in New York, den Vorläufer des bestehenden Kulturinstituts.

1969 wurde Irene Harand als "Gerechte unter den Völkern" von der israelischen "Yad Vashem"-Gedenkstätte geehrt. 1971 wurde sie mit dem Goldenen Ehrenzeichen für Verdienste um die Republik Österreich ausgezeichnet. Sie starb im Februar 1975 in New York. Auf Initiative Peter Marboes wurde 1990 ein Wiener Gemeindebau nach ihr benannt.

Schönborn: Ein Christ kann nicht Antisemit sein

In seinem Geleitwort zum Harand-Buch weist Kardinal Schönborn auf die christliche Motivation Irene Harands hin. Harand habe "mit klarem Blick" das "Verbrecherische und Menschenverachtende des Nationalsozialismus erkannt", schreibt der Erzbischof von Wien: "Das Beispiel ihres Mutes und ihrer vollen Einsatzbereitschaft möge für unsere Zeit zur Nachahmung herausfordern". Unmissverständlich betont der Kardinal, dass man nicht gleichzeitig Christ und Antisemit sein könne.
     
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