Nachkriegskärnten aus Sicht der britischen Besatzungsmacht zum Nachlesen  

erstellt am
18. 03. 05

LH Haider bei Buchpräsentation von Autorin Gabriela Stieber – Buch und Quellband über britische Besatzungszeit von 1945 bis 1955 im Landesarchiv vorgestellt
Klagenfurt (lpd) - Mit großem Interesse verfolgten Mittwoch (16. 03.) Abend rund 200 Besucher im Kärntner Landesarchiv zwei Buchpräsentationen über die britische Besatzungszeit nach dem Zweiten Weltkrieg. Autorin Gabriela Stieber, Archivdirektor Wilhelm Wadl und Lektor Anthony Hall gaben einen Einblick in Alltagsleben sowie politische, wirtschaftliche und soziale Verhältnisse in Kärnten von 1945 bis 1955.

Landeshauptmann Jörg Haider betonte die Wichtigkeit der geschichtlichen Aufarbeitung der Nachkriegszeit, in der Freiheit und Sicherheit durch Bedrohungen aus Tito-Jugoslawien nicht selbstverständlich gewesen seien. Vor diesem Hintergrund sei in Kärnten die Verantwortung für die eigene Sicherheit und Unteilbarkeit eine ureigentliche Kompetenz. Diese sei als historischer Auftrag zu begreifen, den auch die Generation des 21. Jahrhunderts wahrzunehmen habe. In diesem Sinne sei in den Schulen das Geschichtsbewusstsein zu fördern, wozu die aktuelle Wanderausstellung des Landesarchivs wesentlich beitrage. Das geschichtliche Beleuchten dieser Zeit mache zudem deutlich, wie wichtig es sei, in einem Europa zu leben, "wo der Frieden gefestigt ist und sich Nachbarn untereinander verstehen", sagte Haider.

Bei der Buchpräsentation im Zeichen des heurigen Jubiläumsjahres wurden der Band "Die Briten als Besatzungsmacht in Kärnten 1945 – 1955" sowie der Quellenband "Consolidated Intelligence Reports. Eine Quellenedition zur Geschichte der britischen Besatzungszeit in Kärnten" vorgestellt. Autorin Stieber hat im Rahmen eines Forschungsprojektes die Akten der britischen Besatzungsbehörden im Public Record Office in London bearbeitet und auf dieser breiten Quellenbasis das erste Nachkriegsjahrzehnt in Kärnten beschrieben.

Archivdirektor Wadl sprach von der guten Beobachtungsgabe der Briten und nannte sie "eifrige Berichteschreiber". Die wöchentlichen Berichte des Nachrichtendienstes der britischen Besatzungsmacht zur Lage in Kärnten, die sogenannten Intelligence Reports, stellten daher eine spannende Quelle für das Nachkriegskärnten dar. In komprimierter Form würden darin Themen wie die Gründung der politischen Parteien und Interessensvertretungen, die Lage der slowenischen Volksgruppe, Auseinandersetzungen um die Südgrenze Kärntens, die Entnazifizierung, die Wiedererrichtung des Schul- und Justizwesens, Probleme der Ernährung, usw. beschrieben. So seien auch Biografien aller damals handelnden Personen, von Regierungsmitgliedern bis zu den Bürgermeistern, erhalten, erklärte Wadl. Als interessantes Detail erwähnte er die sogenannten "Tailpieces", Anhänge zu den Reports.

Darin hätten u.a. Gerüchte und sogar zeitgenössische Witze Raum gefunden. Insgesamt sei aus den Quellen ein gutes Verhältnis zwischen der britischen Besatzungsmacht und der Kärntner Bevölkerung herauszulesen, meinte der Archivdirektor.

Die Autorin Gabriela Stieber wurde 1952 in Klagenfurt geboren. Sie studierte Technische Mathematik an der TU Graz und ab 1986 Geschichte und Volkskunde an der Karl-Franzens-Universität Graz. Ihre Diplomarbeit verfasste sie über die Gottscheer in Österreich, ihre Dissertation über die Flüchtlingslager in Kärnten und der Steiermark nach 1945. Als Mitglied der österreichisch-slowenischen HistorikerInnenkommission kann sie auf mehrere Veröffentlichungen zum Thema Nachkriegsflüchtlinge und britische Besatzungszeit in Kärnten verweisen. Derzeit ist sie Leiterin einer öffentlichen Bibliothek und in der Bibliothekarsausbildung aktiv. Sie lebt in Hitzendorf bei Graz, ist verheiratet und hat drei erwachsene Kinder.

Bei der Buchpräsentation im Rahmen der Landesarchivsausstellung "50 Jahre Österreichischer Staatsvertrag 1955 – 2005. Nachkriegsalltag in Kärnten 1945 – 1955" waren auch Kulturreferent LHStv. Martin Strutz und die neue Leiterin des British Council in Wien (Britisches Kulturinstitut), Ruth Sinclair-Jones, anwesend.
     
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