Keine Barrieren im Tourismus  

erstellt am
18. 03. 05

Die Wellness- und Freizeitindustrie entdeckt "Menschen mit besonderen Bedürfnissen"
Wien (ON prm) - Ein Leben ohne Barrieren. Menschen mit Behinderungen können davon oft nur träumen. Meistens sind es Kleinigkeiten, die den Alltag zusätzlich - und zumeist unnötig - erschweren: die zu enge Tür, Stufen oder kaum erreichbare Bedienelemente von Liften, um nur einige zu nennen.

Vieles hat sich in den letzten Jahren zum Besseren gewendet, zumindest ebenso viel bleibt noch zu tun. Jetzt konnte ein weiterer Schritt erfolgreich abgeschlossen werden, um die gebaute Umwelt leichter zugänglich - soll heißen: barrierefrei - zu gestalten.

Mehr Komfort für alle
Mit 1. Februar 2005 ist die neue ÖNORM B 1603 erschienen. Dieses Dokument liefert die Planungsgrundlagen für barrierefreie Tourismuseinrichtungen. Ihr erklärtes Ziel: die Nutzungsqualität von Tourismus- und Freizeiteinrichtungen zu erhöhen. Denn - so sind sich die Experten, die an dieser Norm mitgearbeitet haben, einig - "die Gestaltung nach den Planungsgrundsätzen des ,Universal Design' kommt nicht nur Menschen mit Behinderungen zugute, sondern bringt eine Komfortsteigerung für alle Menschen mit sich". Noch ein Aspekt sollte dabei nicht übersehen werden: Barrierefrei gestaltete Anlagen und Gebäude erleichtern auch innerbetriebliche Arbeitsabläufe und ermöglichen den effizienten Einsatz von Personal und Maschinen, beispielsweise bei der Reinigung.

Warum eine eigene Norm?
Basis für barrierefreies Planen und Bauen ist die ÖNORM B 1600, die seit den 1970er Jahren die entsprechenden Grundlagen liefert. Ihre aktuelle Ausgabe stammt vom Dezember 2003, dem "Europäischen Jahr für Menschen mit besonderen Bedürfnissen".

In Ergänzung dazu enthält die neue ÖNORM B 1603 - sie ist immer in Verbindung mit ÖNORM B 1600 anzuwenden - Mindestanforderungen bzw. Grundvoraussetzungen für Bau, Einrichtung und Ausstattung von barrierefreien Tourismuseinrichtungen.

Dazu zählen Beherbergungs- und Gastronomiebetriebe ebenso wie Kultur-, Freizeit- und Erholungseinrichtungen. Wobei sich die Vorgaben der Norm nicht nur auf Neubauten, sondern auch auf Umbauten, Zubauten und Adaptierungen beziehen. Zusätzlich zu den grundlegenden Anforderungen enthält die Norm zu einzelnen Bereichen auch so genannte "erhöhte Anforderungen - EA", die einen höheren Standard gewährleisten sollen.

Worauf es ankommt
Was legt die Norm nun im Detail fest? Die Barrierefreiheit beginnt schon im Außenbereich einer Anlage oder eines Gebäudes (Parkplätze, Gebäudevorfahrt, Gegensprechanlage, Maßnahmen zur Orientierung) und setzt sich über den Eingangsbereich zu Rezeption und Verwaltung fort. Interessantes Detail: Sind Internet-Terminals für die Gäste vorgesehen, so ist zumindest einer davon barrierefrei zu gestalten und sollte - als "erhöhte Anforderung" - über Sprachausgabe und Möglichkeit zur Vergrößerung verfügen.

In Beherbergungsbetrieben gilt ua. eine Gangbreite von 150 cm. Die Zimmertüren müssen eine tastbare Beschriftung haben, und mindestens eines der Gästezimmer mit den dazugehörigen Sanitärräumen muss vollständig barrierefrei ausgestattet sein, wobei zB die Betthöhe zwischen 45 und 50 cm liegen muss.

Für Gastronomiebetriebe gilt eine Durchgangsbreite von 90 cm zwischen den Tischen, auch wenn alle Stühle besetzt sind. In Selbstbedienungsrestaurants müssen Speisen und Getränke in einer Höhe von maximal 120 cm bereit stehen, die Abstellfläche für das Tablett liegt in einer Höhe von 85 cm.

Damit auch Freizeiteinrichtungen als barrierefrei gelten, gibt es entsprechende Anforderungen an Umkleide- und Sanitärbereiche, spezielle Festlegungen für Schwimmbäder (etwa Einstiegshilfen, Gestaltung der Ränder), für Sauna und Dampfbad, aber auch für Fitnessstudios, Kosmetikbereich, Friseur und Geschäfte, für Kinderspielbereiche, Tischtennis, Billard, Kegelbahnen und Minigolf. Selbst für Tiergehege und Grillplätze oder Seeufer und Wanderwege finden sich entsprechende Festlegungen, um den Zugang "für alle" sicherzustellen.

Investition in die Zukunft
Mit der neuen ÖNORM B 1603 stehen der seit Jahren boomenden Wellnessindustrie - so wie auch schon Bildungseinrichtungen (ÖNORM B 1602) - umfassende Planungsrichtlinien zur Verfügung, um Menschen mit Behinderungen den Zugang zu erleichtern und ihnen auch in diesem Bereich eine gleichberechtigte Teilnahme zu ermöglichen. Der Vorteil für die Betreiber von Tourismuseinrichtungen: Sie können ein neues Marktsegment und weitere Marktanteile erschließen. Eine barrierefreie Gestaltung ist, wie es in der Norm heißt, nicht nur im Hinblick auf das steigende Durchschnittsalter der Bevölkerung eine lohnende Investition in die Zukunft.


Erhältlich sind
ÖNORM B 1600 "Barrierefreies Bauen - Planungsgrundlagen"
ÖNORM B 1601 "Spezielle Baulichkeiten für behinderte oder alte Menschen - Planungsgrundsätze"
ÖNORM B 1602 "Barrierefreie Schul- und Ausbildungsstätten und Begleiteinrichtungen"
ÖNORM B 1603 "Barrierefreie Tourismuseinrichtungen - Planungsgrundlagen"

Erhältlich im Webshop: http://www.on-norm.at/shop
     
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