Bildungspolitk / Zwei-Drittel-Mehrheit bei Schulgesetzen  

erstellt am
21. 04. 05

Schulreform: SPÖ will Zwei-Drittel-Mehrheit heute abschaffen
An ÖVP: Schluss mit "Sleep kills" und "Verzögern, Verschleppen, Verwässern"!
Wien (sk) - Die SPÖ sei dafür, rasch den Weg frei für Schulreformen zu machen und daher bereit, heute die Zwei-Drittel-Mehrheit abzuschaffen - notfalls auch ohne Verankerung der gewünschten Grundsätze, für die die SPÖ jedoch Garantien abgeben könne. Dies erklärten SPÖ-Bildungssprecher Erwin Niederwieser, SPÖ-Familiensprecherin Andrea Kuntzl und SPÖ-Wissenschaftssprecher Josef Broukal am Mittwoch (20. 04.) in einer Pressekonferenz vor dem Unterrichtsausschuss. Zum "Gesprächsangebot" von Kanzler Schüssel sagte Kuntzl: "Ja zum Dialog, aber Nein zu Verzögerungen." Broukal warf der ÖVP "Sleep kills" und "Verzögern, Verschleppen, Verwässern" vor. Niederwieser betonte, dass es von Kardinal Schönborn die klare Aussage gebe, dass die Kirchen keinen Wert darauf legen, die gegliederte Schule verfassungsrechtlich festzuschreiben.

Der SPÖ-Bildungssprecher betonte, die SPÖ könne und wolle die Zwei-Drittel-Mehrheit im Unterrichtsausschuss abschaffen. "Für die Ausflüchte der ÖVP gibt es keinen Grund", so Niederwieser. Die SPÖ habe im Gegensatz zur Regierung die notwendigen Vorbereitungen getroffen: Gespräche mit den verschiedenen Gruppen geführt und einen fertigen Gesetzestext unter Berücksichtigung aller Bedenken vorgelegt. Kardinal Schönborn und SPÖ-Vorsitzender Gusenbauer haben einen Text ausgearbeitet, und Bildungsministerin Gehrer habe es seit 25. März Schwarz auf Weiß, dass diese Vereinbarung mit den Kirchen abgesprochen ist. Kardinal Schönborn habe auch die klare Aussage getroffen, dass die Kirchen keinen Wert darauf legen, dass die gegliederte Schule in der Verfassung festgeschrieben wird. Dies sei auch verständlich, so Niederwieser, da es unter den Kirchen und auch innerhalb der katholischen Kirche unterschiedliche Meinungen zur Gemeinsamen Schule gibt.

Für die SPÖ-Familiensprecherin ist es "politisch hoch interessant", dass die ÖVP Schulgeldfreiheit nicht ausschließen kann; es habe ja auch immer wieder Diskussionen in der ÖVP über Schulgeld gegeben. Im SPÖ-Antrag zur Abschaffung der Zwei-Drittel-Mehrheit sei im Gegensatz dazu klar festgehalten, dass Schule unentgeltlich sein muss, mit Ausnahme eines Essensbeitrages; dies gelte auch für die Ganztagsschule - auch dort müsse die Betreuung kostenlos sein. Die SPÖ sei aber dennoch bereit, die Zwei-Drittel-Mehrheit auch ohne die Eckpunkte Schulgeldfreiheit, öffentliches Schulwesen, Schulpflicht und werteorientiertes Leitbild heute abzuschaffen. "Es geht um eine wichtige Weichenstellung, die in den letzten Jahren nicht möglich war. Es geht darum, den jahrzehntelangen Stillstand zu beenden und den Weg frei für das Reformzeitalter zu machen. Dieses könnte nun eingeleitet werden", so Kuntzl. Niederwieser betonte, dass man sich nicht mehr viel Zeit lassen dürfe, denn niemand könne sagen, wie lange es diese Regierung noch gibt - nicht einmal der Tiroler LH Van Staa kann das sagen. "Es kann sein, dass es mit der Regierung sehr schnell zu Ende geht, daher müssen wir rasch den Weg für Reformen frei machen", so der SPÖ-Bildungssprecher.

Es müsse eine Schule geschaffen werden, die bessere Chancen für alle bietet, die die Kinder fördert, Nachhilfekosten senkt, und es müssten intelligentere Lösungen als das Sitzenbleiben gefunden werden. Die Vorschläge der Zukunftskommission sollten beherzt umgesetzt werden, und die österreichische Schule müsse auf europäischen Standard gehoben werden, so Kuntzl, die hinzufügte: "Es geht um die Lebenschancen der Kinder und daher heute nicht um irgendeinen Antrag." Zum "Gesprächsbedarf, der plötzlich beim Bundeskanzler ausgebrochen ist", erklärte Kuntzl, dass die SPÖ gesprächsbereit sei, für weitere Verzögerungen aber nicht zur Verfügung stehe.

Broukal erinnerte daran, dass es jetzt 51 Tage her sei, dass sich Kardinal Schönborn über die Dialogverweigerung beklagt hat und 30 Tage, dass es die Gusenbauer-Schönborn-Vereinbarung gibt. Vor 147 Tagen wurden die PISA-Ergebnisse erstmals präsentiert, so Broukal, der ein "merkwürdiges Desinteresse Gehrers" ortet. Broukal fordert darum: "Schluss mit 'Sleep kills', Schluss mit Verzögern, Verschleppen, Verwässern."

Schließlich informierte Niederwieser darüber, dass im heutigen Ausschuss auch der Endbericht der Zukunftskommission auf der Tagesordnung steht. Man werde darüber diskutieren, wo es Umsetzungsbereitschaft gibt. "Die Dinge sind entscheidungsreif, aber wir zweifeln am Umsetzungswillen der Regierung", so der SPÖ-Bildungssprecher abschließend.

 

 Amon: Die Schulreform steht auf Schiene
ÖVP will Abschaffung der Zweidrittelmehrheit bei Schulgesetzen unter Bewahrung bestimmter Sicherheiten
Wien (övp-pk) - Wenig Verständnis für die Ausführungen der SPÖ-Mandatare Kuntzl, Broukal und Niederwieser zeigte ÖVP-Bildungssprecher Werner Amon am Mittwoch (20. 04.). "Während die SPÖ der ÖVP die Dialogbereitschaft abspricht, ist sie selbst nicht bereit, auf die Rückkehr von Kardinal Christoph Schönborn aus Rom zu warten."

Die Interpretation des Gespräches zwischen dem Kardinal und SPÖ-Vorsitzendem Alfred Gusenbauer weise enorme Unterschiede auf, sagte Amon. "Das ist vielleicht eine Erklärung dafür, dass die SPÖ nun nicht auf die Rückkehr Schönborns aus Rom warten will." Bei dem Gespräch, zu dem Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel eingeladen habe, werde nämlich auch zur Sprache kommen, dass Kardinal Schönborn großen Wert auf ein gegliedertes und differenziertes Bildungssystem lege. "Das lässt die SPÖ aber in ihrer Selbstinszenierung als einzige dialogbereite Partei gerne unter den Tisch fallen", so der ÖVP-Bildungssprecher.

Amon stellte fest, dass die ÖVP weiterhin für die Abschaffung der Zweidrittelmehrheit bei den Schulgesetzen eintrete. Es sei für die ÖVP aber gleichzeitig immer klar gewesen, dass entscheidende Fragen des Schulsystems in der Verfassung abgesichert sein müssen. Dazu zählen neben dem gegliederten, differenzierten Schulsystem die Absicherung des Konkordates, die Schulpflicht, die Schulgeldfreiheit und die Festschreibung der Schule als öffentliche Aufgabe. Nun sei es an der SPÖ, in Gesprächen die aus ihrer Sicht wichtigen Punkte einzubringen.

Stattdessen setze die SPÖ ihren atemberaubenden Zick-Zack-Kurs in Bildungsfragen fort, sagte Amon und nannte Beispiele: "Zuerst will man den Dialog mit der Kirche, dann will man nicht auf die Rückkehr Schönborns aus Rom warten. Zuerst bezeichnet Josef Broukal die Vorschläge der Zukunftskommission als feig, dann meint er, sie entsprächen dem SPÖ-Bildungsprogramm. Und auch in der Frage der Zweidrittelmehrheit ist die Linie der SPÖ mehr als unklar. Ist man jetzt für die Abschaffung ohne Wenn und Aber oder will man einzelne Punkte doch herausnehmen?" Als "vollkommen unrichtig und aus der Luft gegriffen" bezeichnete Amon abschließend Vorwürfe der SPÖ, denen zufolge die ÖVP die Schulreform verzögern wolle. "Am 4. Mai wird der Unterrichtsausschuss wieder zusammentreten, am 11. Mai wird das Thema wie geplant im Plenum behandelt werden - Wir sind also im Fahrplan!" 

 

 Rossmann: Aufhebung der Zwei-Drittel-Mehrheit dringend erforderlich
Dank an Zukunftskommission für ganzheitlichen und unpolitischen Bericht
Wien (fpd) - Die freiheitliche Bildungssprecherin Mares Rossmann dankt der Zukunfts- kommission für ihren ganzheitlichen und unpolitischen Bericht. Trotz erster Skepsis könne man durchaus sagen: "auch viele Tabus wurden angesprochen."

Rossmann findet viele Parallelitäten und auch viele Bereiche ihres Bildungsprogramms bestätigt. Wichtig sei nach wie vor die sprachliche Frühförderung, Qualitätsentwicklung, Individualisierung des Unterrichts, Lehrerausbildung, Nachhaltigkeit des Unterrichts, mehr Autonomie, Auswahl der Lehrpersonen, Studieneingangsphase und einiges mehr. Viele dieser Reformvorschläge würden in nächsten Schritten und acht Arbeitspaketen umgesetzt, erläuterte Rossmann, die auf rasche Umsetzung drängt. "Und dafür ist zunächst die Aufhebung der 2/3 Mehrheit dringend erforderlich, ansonsten bleibt das gesamte Ergebnis der Reformkommission auf der Strecke."

 

 Herumlavieren von SPÖ-Chef Gusenbauer gefährdet Fall der Zwei-Drittel-Mehrheit
ÖVP beginnt auf Zeit zu spielen
Wien (grüne) - Die ÖVP kündigt an, den Antrag zum Fall der Zweidrittelmehrheit für den heutigen Unterrichtsausschuss zu vertagen und das Kaffeekränzchen zwischen Gusenbauer, Schönborn und Schüssel abzuwarten. "Offenbar beginnt die ÖVP auf Zeit zu spielen und dem Druck ihrer Lobbys nachzugeben, die das österreichischen Schulsystem nach wie vor einbetoniert wissen wollen. Das Herumlavieren von SP-Chef Gusenbauer um den von niemanden in Frage gestellten Religionsunterricht und um den scheinbaren Schutz vor Schulgeld durch eine Verfassungsbestimmung gefährdet eine historische Chance", so der Bildungssprecher der Grünen, Dieter Brosz.

"Angesichts des nur mehr schwer zu charakterisierenden Zustands der Bundesregierung weiß niemand, wie lange diese Legislaturperiode noch dauern wird. Die Zweidrittelmehrheit wird entweder vor der Nationalratswahl abgeschafft oder bleibt auf unbestimmte Zeit bestehen. Es ist zu hoffen, dass sich Gusenbauer im klaren darüber ist, dass die Abschaffung der Zweidrittelmehrheit eine wesentliche Voraussetzung für dringend notwendige Reformen hin zu einem sozial gerechteren und alle SchülerInnen fördernden System ist. Gusenbauer ist drauf und dran, eine historische Chance zu verspielen", schließt Brosz.
     

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