Regierung legt EU-Verfassung zur Ratifizierung vor  

erstellt am
21. 04. 05

Wien (pk) - Die Regierung hat dem Nationalrat die EU-Verfassung ( 851 d.B.) zur Ratifizierung vorgelegt. Die Verfassung, die - inklusive Protokolle, Anhänge und Schlussakte - allein in der deutschen Version insgesamt rund 850 Seiten umfasst, schafft eine völlig neue Rechtsgrundlage für die Europäische Union und ersetzt, mit Ausnahme des Euratom-Vertrags, alle bisherigen EU-Verträge. Damit sie in Kraft treten kann, muss sie von allen 25 Mitgliedstaaten der Europäischen Union und dem Europäischen Parlament ratifiziert werden. In Österreich ist dafür eine Zweidrittelmehrheit sowohl im Nationalrat als auch im Bundesrat erforderlich.

Ziel der neuen EU-Verfassung ist nicht nur eine Vereinfachung der EU-Verträge und eine deutlichere Abgrenzung der Zuständigkeiten zwischen der Union und ihren Mitgliedstaaten, mit ihr wollen die EU-Mitglieder auch die demokratische Legitimität der Entscheidungen auf EU-Ebene erhöhen und mehr Transparenz und Effizienz schaffen. Gleichzeitig soll die Stellung der Bürgerinnen und Bürger der Union gestärkt werden. Die EU-Verfassung wurde von einem eigens dafür eingesetzten EU-Konvent ausgearbeitet und - mit einer Reihe von Abänderungen - von den Staats- und Regierungschefs der EU-Mitgliedsländer im Juni 2004 bei einer Regierungskonferenz gebilligt.

Zu den wichtigsten Charakteristika der EU-Verfassung zählt, dass die neu konstituierte Europäische Union eine eigene Rechtspersönlichkeit erhält und die mit dem EU-Vertrag 1993 eingeführte Säulenstruktur abgeschafft wird. Die bisher verschiedenen Gemeinschaftspolitiken - allgemeine Politik, Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik, polizeiliche Kooperation und justizielle Zusammenarbeit - werden in einem einheitlichen rechtlichen und institutionellen Gefüge zusammengeführt. Der EG-Vertrag und der EU-Vertrag werden formell aufgehoben und - unter Einschluss der bisherigen Beitrittsverträge - in einem einzigen Vertragstext zusammengefasst. Lediglich der Euratom-Vertrag, der Bestimmungen über die Gründung einer Europäischen Atomgemeinschaft enthält, bleibt als selbständiger Vertrag erhalten. In den Verfassungsvertrag integriert wird auch die Charta der Grundrechte der Union.

Gegliedert ist die EU-Verfassung in vier Teile, denen eine Präambel vorangestellt ist. Teil I enthält Bestimmungen u.a. über die Ziele und Werte der Union, ihre Organisation und ihre Einrichtungen, ihre Zuständigkeiten und ihre Rechte, Teil II die Charta der Grundrechte, Teil III die Bestimmungen über Politikbereiche und Arbeitsweise der Union und Teil IV vor allem Übergangs- und Inkrafttretensbestimmungen. Dem Verfassungsvertrag sind ferner 36 Protokolle und 50 Erklärungen beigefügt.

Die österreichische Regierung beurteilt das Verhandlungsergebnis, wie aus den Erläuterungen hervorgeht, dezidiert positiv. In der Regierungskonferenz habe ein ausgewogenes Verhandlungsergebnis erzielt werden können, das sowohl die wesentlichen Errungenschaften des Konventsentwurfs unangetastet lasse als auch eine Reihe von Verbesserungen enthalte, die der österreichischen Verhandlungsposition entsprechen, heißt es dort. Bedauert wird von der Regierung lediglich, dass sich eine substanzielle Änderung des Euratom-Vertrags als nicht konsensfähig erwies, sie verweist aber auf eine gemeinsame, dem Verfassungsvertrag beigefügte Erklärung Deutschlands, Irlands, Ungarns, Österreichs und Schwedens, wonach am Ziel einer ehestmöglichen Einberufung einer Euratom-Revisionskonferenz festgehalten wird.

Werte, Ziele, Grundsätze und Kompetenzen der Europäischen Union
Zu den in der EU-Verfassung verankerten Werten der Europäischen Union zählen z.B. die Achtung der Menschenwürde, die Wahrung der Menschenrechte sowie Freiheit, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit. Zudem wird auf die Bedeutung von Pluralismus, Toleranz, Nichtdiskriminierung, Solidarität und Gleichheit von Frauen und Männern verwiesen. Ziele der Union sind gemäß Verfassungsvertrag u.a. die Förderung des Friedens, die Schaffung eines Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts ohne Binnengrenzen, die Schaffung eines Binnenmarktes, die nachhaltige Entwicklung Europas, Vollbeschäftigung und sozialer Fortschritt sowie die Wahrung der kulturellen und sprachlichen Vielfalt der Union und der Schutz des kulturellen Erbes Europas.

Von der Verankerung eines ausdrücklichen "Gottesbezugs" in der EU-Verfassung wurde - entgegen den Wünschen einiger EU-Länder - Abstand genommen, in der Präambel wird aber auf das "religiöse und humanistische Erbe Europas" verwiesen.

Ausdrücklich festgeschrieben wurde auch der Grundsatz, dass die EU-Verfassung und das Unionsrecht Vorrang gegenüber dem nationalen Recht der Mitgliedstaaten haben, wobei die der Union übertragenen Kompetenzen im Verfassungsvertrag aufgezählt sind. Alle der Union nicht ausdrücklich zugewiesenen Zuständigkeiten verbleiben bei den Mitgliedstaten. Die Union hat bei ihrem Vorgehen die Gleichheit der Mitgliedstaaten, die nationale Identität der Länder und die Grundsätze der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit zu achten und sie ist aufgefordert, loyal mit den Mitgliedsländern zusammenzuarbeiten.

Ausschließlich zuständig ist die EU beispielsweise für Wettbewerbsregeln, die Zollunion, die gemeinsame Handelspolitik und die gemeinsame Währungspolitik der Euro-Staaten. In zahlreichen weiteren Politikfeldern, z.B. Binnenmarkt, Landwirtschaft und Fischerei, Verkehr, Energie, bestimmte Aspekte der Sozialpolitik, Umwelt, Verbraucherschutz, Forschung und technologische Entwicklung sowie Entwicklungszusammenarbeit gibt es zwischen der EU und ihren Mitgliedsländern eine geteilte Zuständigkeit. Darüber hinaus kann die EU auch noch auf anderen Gebiete unterstützende, koordinierende und ergänzende Maßnahmen ergreifen. Sonderregelungen gibt es u.a. für die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik.

Mehr Befugnisse für das Europäische Parlament
Die Institutionen und Organe der Europäischen Union - insbes. Europäisches Parlament, Europäische Kommission, Europäischer Rat, Rat (Ministerrat), Europäischer Gerichtshof - werden in ihrem Bestand durch die neue EU-Verfassung nicht berührt, bezüglich ihrer Kompetenzen und ihrer Zusammensetzung bringt die neue EU-Verfassung jedoch eine Reihe von Änderungen.

So werden beispielsweise die Befugnisse des Europäischen Parlaments (EP), das gemeinsam mit dem Rat die Gesetzgebungs- und Haushaltsbefugnisse der Union ausübt und bestimmte Kontroll- und Beraterfunktionen erfüllt, ausgedehnt bzw. gestärkt. Konkret erhält das Parlament in einzelnen Politikbereichen wie der Gemeinsamen Agrarpolitik, der Handelspolitik und dem Bereich Justiz und Inneres sowie bei der Festlegung der Finanzen der Union mehr Mitentscheidungsrechte. Weiters obliegt ihm in Hinkunft die Wahl des Präsidenten der Europäischen Kommission (auf Vorschlag des Europäischen Rates).

Neu ist auch, dass die maximale Gesamtzahl der Abgeordneten zum Europäischen Parlament ab 2009 mit 750 und die Mindestzahl der EP-Abgeordneten eines EU-Landes mit sechs festgelegt wird. Derzeit gibt es eine solche Obergrenze nicht, Malta als kleinstes Mitgliedsland hat derzeit fünf Sitze.

Ein Präsident für den Europäischen Rat
Der Europäische Rat, der sich aus den Staats- und Regierungschefs der EU-Mitgliedstaaten zusammensetzt und dem auch der Ratspräsident und der Präsident der Europäischen Kommission angehören, wird mit dem Verfassungsvertrag erstmals formal zu einem Organ der Europäischen Union. Er soll viermal im Jahr tagen und die allgemeinen politischen Ziele und Prioritäten der Union definieren, kann künftig aber auch bindende Rechtsakte in Form "Europäischer Beschlüsse" erlassen. Entscheidungen müssen in der Regel im Konsens getroffen werden, d.h. Beschlüsse kommen dann zustande, wenn sich kein Mitgliedstaat explizit gegen einen bestimmten Beschluss ausspricht.

Der Vorsitz im Europäischen Rat wechselt in Hinkunft nicht mehr wie bisher halbjährlich zwischen den Mitgliedsstaaten, vielmehr ist die Wahl eines eigenen Präsidenten des Europäischen Rates für eine jeweils zweieinhalbjährige Amtsperiode vorgesehen. Der Präsident, der in keinem der EU-Länder ein Amt innehaben darf und ein weiteres Mal wiedergewählt werden kann, soll für eine gewisse Kontinuität der Arbeit des Europäischen Rates sorgen.

In den Erläuterungen zur EU-Verfassung wird darauf verwiesen, dass bei den Verhandlungen zwei aus österreichischer Sicht wesentliche Ergebnisse erzielt werden konnten: Die "Europäischen Beschlüsse" dürfen nicht konkrete Gesetzesvorhaben umfassen, der Europäische Rat hat also keine Legislativfunktion, und diese Beschlüsse unterliegen den Kontrollinstrumenten des Europäischen Gerichtshofs.
   

Neuer Entscheidungsmechanismus für den Rat
Die Gesetzgebungs- und die Haushaltsbefugnisse der EU werden - gemeinsam mit dem Europäischen Parlament - weiterhin vom Rat (Ministerrat), dem Gremium der jeweils zuständigen Minister der einzelnen EU-Länder, ausgeübt. Entscheidungen werden dabei grundsätzlich mit "qualifizierter Mehrheit" getroffen, für einige besonders sensible Politikbereiche gilt aber weiter das Einstimmigkeitsprinzip. Neu ist, dass der Rat künftig öffentlich tagt, wenn er über Gesetzgebungsvorschläge berät. Der Vorsitz im Rat soll zwischen den EU-Staaten rotieren.

Die derzeit für das Zustandekommen einer qualifizierten Mehrheit geltende Stimmgewichtung wird laut EU-Verfassung ab 1. November 2009 von einem System der doppelten Mehrheit abgelöst. Demnach kommt im Rat künftig dann eine qualifizierte Mehrheit zustande, wenn 55 % der Mitgliedstaaten einem Beschluss zustimmen und diese Mitgliedstaaten gleichzeitig mindestens 15 Mitglieder umfassen und mindestens 65 % der EU-Bevölkerung repräsentieren. Für das Verhindern eines Beschlusses sind jedoch mindestens vier EU-Staaten notwendig - drei große Länder können auch dann keine Entscheidung blockieren, wenn sie mehr als 35 % der EU-Bevölkerung vertreten. Erfolgt ein Beschluss nicht auf Grundlage eines Vorschlages der Europäischen Kommission ist ein erhöhtes Staatenquorum von 72 % bei einem gleich bleibenden Bevölkerungsquorum von 65 % erforderlich.

Das System der doppelten Mehrheit war in den Verhandlungen über die neue EU-Verfassung bis zuletzt umstritten gewesen, letztendlich konnte aber doch die erwähnte Kompromissformel gefunden werden. Zu erwarten ist, dass das neue System - gemeinsam mit dem Abgehen vom Einstimmigkeitserfordernis in mehreren Politikbereichen - die Entscheidungsfindung auf EU-Ebene erleichtern wird. Für Österreich bedeutet der Kompromiss, wie es in den Erläuterungen heißt, dass die Wahrscheinlichkeit von Beschlüssen in den Ministerräten steigt, ohne dass damit die Wahrscheinlichkeit, dass Österreich eine Entscheidung beeinflussen kann, signifikant sinkt.

Eine Sonderformation bildet der Rat "Auswärtige Angelegenheiten", der die Außenpolitik der Union auf Basis der strategischen Leitlinien des Europäischen Rates formulieren soll und dem der neue "Außenminister" der Europäischen Union vorsitzen wird. Dieser neue Außenminister wird vom Europäischen Rat mit qualifizierter Mehrheit und mit Zustimmung des Kommissionspräsidenten gewählt und ist einer der Vizepräsidenten der Europäischen Kommission.

Europäische Kommission weiter Hüterin des Unionsrechts
Die Rolle der Europäischen Kommission als Förderin der Interessen der Union und Hüterin der Anwendung des Unionsrechts wird durch die EU-Verfassung bekräftigt. Die EU-Kommission darf weiterhin als einziges EU-Organ Gesetzgebungsakte initiieren und Vorschläge für den mehrjährigen Finanzrahmen und den Jahreshaushalt der Union machen. Nur für den Bereich der polizeilichen und justiziellen Zusammenarbeit bleibt ein paralleles Initiativrecht eines Viertels der Mitgliedstaaten bestehen.

Neben ihren Vorschlagsrechten obliegen der Kommission die Außenvertretung der Union - mit Ausnahme der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik -, die Ausführung des Haushaltsplanes und die Verwaltung der EU-Programme, weiters nimmt sie Koordinierungs-, Exekutiv- und Verwaltungsfunktionen wahr.

Bis zum Jahr 2014 wird laut EU-Verfassung das Prinzip beibehalten, dass sich die EU-Kommission aus je einem Angehörigen pro Mitgliedstaat zusammensetzt. Danach wird die Zahl der Mitglieder der Kommission - kein gegenteiliger Beschluss des Europäischen Rats vorausgesetzt - auf zwei Drittel der Mitgliedstaaten verkleinert. Die Auswahl erfolgt auf der Grundlage eines Systems der gleichberechtigten Rotation, jeweils ein Drittel der Mitgliedstaaten verfügt also über eine Funktionsperiode (fünf Jahre) hinweg über keinen eigenen Kommissar.

Der Präsident der Europäischen Kommission wird künftig, wie bereits oben erwähnt, nicht mehr vom Europäischen Rat ernannt, sondern vom Europäischen Parlament gewählt. Die Auswahl der übrigen Kommissionsmitglieder obliegt allerdings nach wie vor dem Europäischen Rat (auf Vorschlag der Mitgliedstaaten). Das gesamte Kommissionskollegium (einschließlich des Präsidenten und des EU-Außenministers) muss sich jedoch dem Zustimmungsvotum des Europäischen Parlaments stellen.

Mittels Zweidrittelmehrheit kann das Europäische Parlament darüber hinaus in Hinkunft den Rücktritt der gesamten Europäischen Kommission erzwingen. Einzelne Mitglieder der Kommission müssen auf Verlangen des Kommissionspräsidenten zurücktreten.

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) wird mit dem Verfassungsvertrag in Gerichtshof der Europäischen Union umbenannt. Er entscheidet weiter über Klagen eines Mitgliedstaats, eines Organs oder einer juristischen oder natürlichen Person bzw. im Wege der Vorabentscheidung auf Antrag einzelstaatlicher Gerichte. Die sachliche Zuständigkeit des Gerichtshofs wird jedoch - infolge der Abschaffung der Säulenarchitektur der EU - auf alle Organe und Politikbereiche, etwa auf den Bereich Justiz und Inneres, ausgedehnt. Nur die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik (GASP) einschließlich der Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik fällt weiterhin nicht in seinen Zuständigkeitsbereich. Ausgeweitet wird auch die Klagsbefugnis von Einzelpersonen.

Hinsichtlich der sonstigen Organe und Einrichtungen der EU - Europäische Zentralbank, Rechnungshof, Ausschuss der Regionen, Wirtschafts- und Sozialausschuss - enthält die EU-Verfassung keine substanziellen Änderungen gegenüber dem Status quo.

Mehr Recht für die nationalen Parlamente und die Unionsbürger
Mehr Rechte bringt die neue EU-Verfassung für die nationalen Parlamente der EU-Mitgliedstaaten. So wird ein neuer so genannter "Frühwarnmechanismus" eingeführt, dem zufolge die nationalen Parlamente innerhalb von sechs Wochen gegen einen Legislativvorschlag der Europäischen Kommission protestieren können, wenn mit diesem Vorschlag ihrer Ansicht nach das Subsidiaritäts- bzw. das Verhältnismäßigkeitsprinzip verletzt werden, die Europäische Kommission also EU-Regelungen in einem Bereich vorschlägt, der genauso gut oder besser auf regionaler oder lokaler Ebene geregelt werden könnte. Jedes Parlament hat dabei zwei Stimmen, in Österreich entfällt - analog zu anderen Parlamenten mit zwei Kammern - je eine Stimme auf den Nationalrat und den Bundesrat.

Werden von mindestens einem Drittel der nationalen Parlamente zu einem EU-Vorhaben "begründete Stellungnahmen" abgegeben, muss die Kommission ihren Vorschlag überprüfen und anschließend ihre weitere Vorgangsweise begründen. Die nationalen Parlamente können der EU-Kommission damit zwar keine "rote Karte", aber zumindest die "gelbe Karte" zeigen. Zudem haben die Mitgliedstaaten nach Inkrafttreten eines Rechtsaktes die Möglichkeit, Klage beim EuGH wegen Verletzung des Subsidiaritätsprinzips zu erheben.

Neu ist darüber hinaus, dass alle Konsultationsdokumente und Legislativvorschläge sowie alle Tagesordnungen und Ergebnisprotokolle von Ratssitzungen von der EU direkt an die nationalen Parlamente übermittelt werden. Gleiches gilt für das jährliche Legislativprogramm und andere Planungsdokumente.

Mit der EU-Verfassung neu eingeführt wird auch das Instrument der Bürgerinitiative, mit der EU-Bürgerinnen und EU-Bürger die Europäische Kommission auffordern können, im Rahmen ihrer Befugnisse geeignete Vorschläge zu einem bestimmten Anliegen zu unterbreiten. Die Zahl der Unterschriften einer Bürgerinitiative muss mindestens eine Million betragen, zudem müssen die UnterzeichnerInnen einer "erheblichen Zahl" von EU-Ländern angehören.

Die Entstehung von Gesetzen und anderen Rechtsakten auf EU-Ebene
Die Bestimmungen über die der Europäischen Union zur Verfügung stehenden Rechtsinstrumente werden mit der EU-Verfassung wesentlich vereinfacht. Künftig wird zwischen sechs Typen von Rechtsakten unterschieden, wobei Gesetze entweder in Form eines Europäischen Gesetzes oder eines Europäischen Rahmengesetzes beschlossen werden können. Europäische Gesetze entsprechen dabei den bisherigen Verordnungen und sind in allen EU-Ländern unmittelbar anwendbar, Europäische Rahmengesetze (bisherige Richtlinien) geben, wie ihr Name sagt, lediglich einen Rahmen vor und bedürfen der Umsetzung und konkreten Ausgestaltung durch nationale Gesetze.

Rechtsakte ohne Gesetzescharakter sind der Europäische Beschluss und die Europäische Verordnung. Darüber hinaus stehen noch die Sonderformen "Delegierte Europäische Verordnung", "Europäische Durchführungsverordnung" und "Europäischer Durchführungsbeschluss" zur Verfügung, mit denen die Europäische Kommission bzw. der Rat einheitliche, auf Gesetzen basierende, Durchführungsmaßnahmen erwirken können.

Rechtlich nicht bindende Rechtsakte sind Empfehlungen und Stellungnahmen.

Zusätzlich werden die Entscheidungsprozesse in der EU dadurch vereinfacht, dass das so genannte "ordentliche Gesetzgebungsverfahren" (das bisherige Mitentscheidungsverfahren) als Regelfall der Gesetzgebung etabliert wird. Das Verfahren sieht sowohl die Zustimmung des Europäischen Parlaments als auch jene des Rates zu einem Legislativvorhaben der Europäischen Kommission vor, bei Uneinigkeit zwischen Rat und Parlament ist ein Vermittlungsverfahren vorgesehen. Nur in genau determinierten Fällen kann vom ordentlichen Gesetzgebungsverfahren abgewichen werden, Sonderformen ermöglichen etwa die Annahme von Gesetzen allein durch den Rat oder das Europäische Parlament.
   

Die Finanzen der Europäischen Union
In Bezug auf die Finanzbestimmungen der Europäischen Union führt die EU-Verfassung eine Normenhierarchie ein. Demnach legt der Rat - unter Einbeziehung des Europäischen Parlaments - mittels eines einstimmig zu beschließenden Europäischen Gesetzes die Obergrenze für die der EU grundsätzlich zur Verfügung stehenden Finanzmittel fest (Eigenmittelobergrenze). Darauf aufbauend wird unter der Bezeichnung "mehrjähriger Finanzrahmen" eine finanzielle Vorschau verankert. Die jährlichen Obergrenzen für verschiedene Ausgabenkategorien sind dabei für den jeweiligen Jahreshaushalt der Union bindend. Dieser Jahreshaushalt wird von der Europäischen Kommission vorgeschlagen und ebenfalls von Rat und Parlament erlassen, wobei das Europäische Parlament ein eingeschränktes "letztes Wort" hat.

Verfahren zur verstärkten Zusammenarbeit
Grundsätzlich sieht der EU-Vertrag für die weitere Integration eine gemeinsame Vorgangsweise aller EU-Länder vor, unter dem Titel "verstärkte Zusammenarbeit" ist aber das Vorpreschen einer Gruppe von EU-Ländern in manchen Politikbereichen möglich, sollten die in der Verfassung verankerten Ziele der Union innerhalb einer vernünftigen Periode nicht von der gesamten Union erreicht werden können. Für diese "verstärkte Zusammenarbeit" (vZ) sind allerdings genaue Regeln festgelegt.

So ist eine verstärkte Zusammenarbeit auf einem bestimmten Gebiet nur dann möglich, wenn sich mindestens ein Drittel der EU-Mitgliedstaaten dafür entscheidet, die Europäische Kommission einen entsprechenden Vorschlag macht und sowohl der Rat (mit qualifizierter Mehrheit) als auch das Europäische Parlament ihre Zustimmung dazu geben. Darüber hinaus wird sichergestellt, dass andere EU-Staaten auf eigenen Wunsch der verstärkten Zusammenarbeit zu einem späteren Zeitpunkt beitreten können, wenn sie die dafür vorgesehenen Aufnahmevoraussetzungen erfüllen.

Wird für einen Politikbereich (z.B. Steuerpolitik) eine verstärkte Zusammenarbeit beschlossen, können die teilnehmenden Staaten für Entscheidungen im Rahmen dieser verstärkten Zusammenarbeit das Prinzip der qualifizierten Mehrheit festlegen, auch wenn die EU-Verfassung für diesen Bereich grundsätzlich Einstimmigkeit vorsieht. Diese so genannte "kleine Passerelle" ermöglicht den Erläuterungen zufolge die Einführung effizienter Entscheidungsmechanismen in Bereichen, in denen in absehbarer Zukunft ein Abgehen vom Einstimmigkeitsprinzip in der gesamten EU nicht wahrscheinlich ist.

Die verstärkte Zusammenarbeit kann auch Fragen mit militärischen und verteidigungspolitischen Bezügen umfassen, hier ist aber in keinem Fall ein Abweichen vom Einstimmigkeitsprinzip gestattet.

Die gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik
Wie oben vermerkt, wird die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik (GASP) in den EU-Verfassungsvertrag integriert. Sie unterscheidet sich aber auch in Hinkunft wesentlich von anderen Politikbereichen der EU. So unterliegt sie nicht der Kontrolle durch den EuGH, zudem kommt dem Europäischen Parlament lediglich ein Anhörungs- bzw. Informationsrecht zu. Ebenso wird das Prinzip der Einstimmigkeit weitestgehend aufrechterhalten, Initiativen können nicht nur von der Kommission, sondern auch von einzelnen EU-Ländern gesetzt werden. Für die Kohärenz des gesamten auswärtigen Handelns der Union soll der neue Außenminister der Europäischen Union sorgen.

Weitere Sonderbestimmungen gelten für die Gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik (GSVP), deren operative Ausgaben für militärische Aktivitäten beispielsweise nicht aus dem Unionshaushalt beglichen, sondern zwischen den Mitgliedstaaten aufgeteilt werden. Ausgerichtet ist die GSVP auf die Erfüllung der so genannten Petersberg-Aufgaben, das sind Operationen zur Friedenssicherung, Konfliktverhütung und Stärkung der internationalen Sicherheit außerhalb der EU.

Darüber hinaus sieht die EU-Verfassung für den Bereich GSVP eine wechselseitige Beistandsgarantie aller EU-Mitgliedstaaten vor. Demnach ist einem Mitgliedstaat, der Opfer eines bewaffneten Angriffs auf seinem Territorium wurde, Hilfe und Unterstützung zu leisten. Da jedoch ausdrücklich festgehalten wird, dass dabei der spezifische Charakter der Sicherheits- und Verteidigungspolitik jener Mitgliedstaaten unberührt bleibt, die Neutralitätsverpflichtungen haben, können neutrale und bündnisfreie Länder über Art und Umfang etwaiger Hilfeleistungen selbst entscheiden.

Eine gemeinsame Verteidigung kann nur durch einen einstimmigen Beschluss des Europäischen Rates eingeführt werden, der zudem der Ratifikation durch alle Mitgliedstaaten bedarf.

Weitere spezielle Politikbereiche
Neuerungen gibt es auch in anderen Politikbereichen. Demnach wird etwa das ordentliche Gesetzgebungsverfahren und die Zuständigkeit des EuGH grundsätzlich auch auf die Bereiche justizielle Zusammenarbeit in Strafsachen und Polizeikooperation ausgedehnt (bisherige dritte Säule), allerdings bleiben für diese Politikbereiche bestimmte Sonderregelungen bestehen. So soll mit der Einführung einer "Notbremse" verhindert werden, dass ein für die gesamte Union verbindlicher Gesetzesakt gegen den ausdrücklichen Willen eines Mitgliedstaates angenommen werden kann. Außerdem ist es in diesen Politikbereichen neben der Kommission auch einem Viertel der Mitgliedsländer möglich, die Gesetzesinitiative zu ergreifen.

Für Dänemark, Großbritannien und Irland gelten spezielle Ausnahmebestimmungen (Opt-Out- bzw. Opt-In-Regelungen).

Eine "Notbremse" ist darüber hinaus für den Fall vorgesehen, dass die Union im Rahmen ihrer Aufgabe, die sozialen Sicherheitssysteme der EU-Länder zu koordinieren, ein Vorhaben startet, das nach Ansicht eines Mitgliedslandes die Grundprinzipien seines sozialen Sicherheitssystems berührt bzw. negative Auswirkungen auf das finanzielle Gleichgewicht dieses Landes haben könnte.

Was die Wirtschafts- und Währungspolitik betrifft, bleiben die Bestimmungen in weiten Teilen unverändert. Die EU-Staaten haben sich in der Regierungskonferenz allerdings darauf geeinigt, den Euro-Staaten ein stärkeres Mitspracherecht bei der Aufnahme neuer Mitglieder in die Eurozone zu gewähren.

Die generelle Einstimmigkeit im Steuerbereich wurde - entgegen dem Vorschlag des Konvents und dem Wunsch Österreichs - beibehalten.

Als "horizontale Bestimmungen", also Punkte, die in allen Politikbereichen der Union berücksichtigt werden müssen, legt die EU-Verfassung Umweltschutz, Konsumentenschutz, die Beseitigung von Ungleichheiten zwischen Männern und Frauen und die Bekämpfung von anderen Diskriminierungen fest. Zudem wurden eine Sozialklausel und eine Tierschutzklausel verankert. Demnach ist in allen Politiken der Union auf die Erfordernisse eines hohen Beschäftigungsniveaus und eines adäquaten Sozialschutzes Rücksicht zu nehmen und in den relevanten Politikbereichen den Erfordernissen des Wohlergehens der Tiere Rechnung zu tragen.

Schlußbestimmungen und Übergangsregeln
Mit dem Inkrafttreten der neuen EU-Verfassung werden auch alle bisherigen Beitrittsverträge aufgehoben. Das gilt auch für jenen Vertrag, der für den EU-Beitritt Österreichs maßgeblich war. Nur ein geringer Teil der Bestimmungen wurde in Form von Protokollen in die neue EU-Verfassung übernommen, die meisten Übergangsregelungen sind, wie es in den Erläuterungen heißt, bereits abgelaufen. Zu den übernommenen Bestimmungen zählen u.a. Teile des Transitprotokolls und eine Liste spezifischer österreichischer Ausdrücke.

Festgelegt wird in den Schlussbestimmungen darüber hinaus das Procedere für Änderungen des Verfassungsvertrags. Demnach dürfen Änderungen - mit wenigen Ausnahmen - nur im Zuge einer Regierungskonferenz vorgenommen werden und sind von allen Mitgliedsländern zu ratifizieren, wobei der Regierungskonferenz in der Regel ein Konvent vorangehen muss. Für eingeschränkte Fälle gibt es allerdings Ausnahmeregelungen, etwa wenn sich alle Mitgliedstaaten darin einig sind, in einem bestimmten Politikbereich vom Prinzip der Einstimmigkeit zum Prinzip der qualifizierten Mehrheit überzugehen, und kein nationales Parlament eine solche Initiative innerhalb von sechs Monaten ablehnt.

Die EU-Verfassung liegt in 21 Sprachfassungen vor, die alle Gegenstand der Beschlussfassung im Nationalrat und im Bundesrat sind.
     
zurück