Österreich bleibt Vorreiter bei der Liberalisierung von Energie  

erstellt am
19. 04. 05

E-Control: Große Stromabnehmer nützen den offenen Markt, kleine kaum
Wien (pk) - Österreich hat schon im Oktober 2001 seinen Strommarkt und im Jahr 2002 auch seinen Gasmarkt völlig für den Wettbewerb freigegeben und ist damit zum Vorreiter bei der Liberalisierung der europäischen Energiewirtschaft geworden. Zwar haben 2004 weitere Länder ihre Gas- und Strommärkte geöffnet, die Elektrizitäts- und die Erdgasbinnenmarktrichtlinie sind aber nach wie vor nicht einheitlich umgesetzt. So skizziert Wirtschaftsminister Martin Bartenstein die Lage auf den EU-Energiemärkten im Vorwort des Tätigkeitsberichts 2004 der unabhängigen Regulierungsbehörde E-Control ( III-142 d.B.), der nunmehr dem Nationalrat vorliegt.

Neue EU-Richtlinien, seit Juli 2004 in Kraft, sollen die Haupthindernisse für einen voll funktionsfähigen und wettbewerbsorientierten Strom- und Gasbinnenmarkt beseitigen. In Österreich bestand nur geringfügiger Anpassungsbedarf. Mit einer ElWOG-Novelle wurde der Forderung entsprochen, den Netzbetrieb von anderen Tätigkeiten eines integrierten Energieunternehmens rechtlich, organisatorisch und buchhalterisch zu trennen (=Unbundling). Unbundling dient der Gleichbehandlung aller Marktteilnehmer, der Beseitigung von Diskriminierungspotenzialen und der Vermeidung von Quersubventionen innerhalb der Unternehmen. Eine neue Verordnung „über Netzzugangsbedingungen für den grenzüberschreitenden Stromhandel“ regelt die Zuweisung von Verbindungskapazitäten und legt Tarifierungsgrundsätze fest. Eine entsprechende Verordnung für Erdgas soll 2006 in Kraft treten.

Die E-Control hat ihre Tätigkeit als Regulator weiter ausgedehnt und intensiviert, wobei die Untersuchung der Elektrizitäts- und Gaswirtschaft gemeinsam mit der Bundeswettbewerbsbehörde, detaillierte Netztarifprüfungen, das Thema Versorgungssicherheit, verstärkte Konsumenteninformation, der Bereich der erneuerbaren Energien, die Aufgaben einer Energie-Schlichtungsstelle und Aktivitäten auf europäischer Ebene, insbesondere bei CEER (Council of European Energy Regulators) und ERGEG (European Regulators Group for Electricity and Gas) im Mittelpunkt standen.

Verfassungsgerichtshof bestätigt Systemnutzungstarife-Verordnung
Nicht ohne Stolz berichtete die E-Control, dass der Verfassungsgerichtshof im Jahr 2004 in mehreren Entscheidungen die Systemnutzungstarife-Verordnung 2003 bestätigt hat, mit der die Energie-Control-Kommission die Netznutzungstarife bestimmt hat. Die Ermittlung der Netzkosten, die Kostenzuordnung für integrierte Unternehmen, die Bestimmung der Finanzierungskosten und die Festsetzung der Produktivitätsabschläge, durch die erzielbare Produktivitätsfortschritte von den Netzbetreibern an die Kunden weitergegeben werden sollen, sind laut VfGH verfassungskonform.

Untersuchung der österreichischen Strom- und Gaswirtschaft
Nach angekündigten und erfolgten Strompreiserhöhungen sowie einer öffentlichen Diskussion über die Wettbewerbssituation am Strommarkt hat Wirtschaftsminister Bartenstein die Bundeswettbewerbsbehörde und die E-Control angeregt, unter Einbindung des Bundeskartellanwalts eine wettbewerbsrechtliche Branchenuntersuchung einzuleiten. Ein erster Zwischenbericht vom November 2004 trifft Feststellungen zur Marktsituation. Bis Sommer 2005 soll die Untersuchung abgeschlossen werden. Auch die Situation am Gasmarkt wird von der Bundeswettbewerbsbehörde untersucht.

Entwicklungen am Elektrizitätsmarkt 2004
Der Endverbrauch an elektrischer Energie stieg von 2002 auf 2003 um 1,8 TWh oder 3,2 % auf 57,6 TWh. Davon stammten 50,4 TWh aus dem öffentlichen Netz, was einem Zuwachs von 2 TWh oder 4,2 % entspricht. Zu den Ursachen des hohen Mehrverbrauchs zählen die erstmalige Erfassung der ganzen Einspeisemenge von Kleinwasserkraftwerken und aus biogenen Brennstoffen, die Erhöhung der Sachgütererzeugung und Klimafaktoren. Temperaturunterschiede zum Vorjahr bedingten Mehrverbrauch für Heiz- oder Kühlzwecke. Dazu kommt der Erzeugungsrückgang der Wasserkraft-Eigenerzeuger, die ihren Bedarf verstärkt aus dem öffentlichen Netz deckten. Bereinigt um die Einmaleffekte lag die Verbrauchsentwicklung im Kalenderjahr 2003 aber im Trend der letzten Jahre.

Im Gegensatz zur Vergangenheit registrierte die E-Control weniger Zusammenschluss- und Akquisitionsaktivitäten der Unternehmen am Strommarkt. Wegen des geplanten Zusammenschlusses zwischen Verbund und Energie Allianz zur „Energie Austria“ übernahmen Salzburg AG und Estag Verbund-Anteile an „Unsere Wasserkraft“ und „MyElectric“.

Seit dem Verkauf der APC (Austrian Power Vertriebs GmbH) an den slowenischen Konzern Istrabenz im Sommer 2004 - Schlüsselauflage im

Zusammenschlussverfahren zur Energie Austria – beliefert ein völlig neues Unternehmen den österreichischen Energiemarkt. Für die von der EU-Kommission bereits genehmigte Energie Austria war der Start der operativen Tätigkeit ursprünglich mit 1. Oktober 2004 geplant, ob er nun 2005 erfolgen wird, ist immer noch offen.

Strategisch konzentrierten sich die Energieunternehmen auf ihre Kernkompetenz Versorgungsdienstleistungen und gaben Beteiligungen außerhalb dieses Bereiches ab. Neben dem Strom- und Erdgasbereich ist ein Großteil der heimischen Energieunternehmen direkt oder über Beteiligungen in Wasser- und Fernwärmeversorgung, Abfallverwertung, Abwasserbeseitigung und Telekommunikation tätig.

Abgesehen von Beteiligungen an heimischen Betrieben gingen die Aktivitäten ausländischer Unternehmen in Österreich zurück. Die EnBW Austria hat Österreich verlassen und ihre Großkunden an die Steweag-Steg abgegeben. Ob der Wettbewerb durch die Verwirklichung der Energie Austria und den Marktaustritt der EnBW geschwächt wird oder durch das Auftreten der Istrabenz neuen Schwung erhält, bleibt abzuwarten, heißt es im Bericht der E-Control.

Seit 1. Oktober 2001 haben 54.400 Haushaltskunden oder 1,5 % ihren Versorger gewechselt. Energetisch entspricht dies einem Wechsel von 0,2 TWh oder von 1,2 % des Stromverbrauchs der Haushaltskunden. Von den sonstigen Kleinabnehmern in Gewerbe und Landwirtschaft haben in den ersten beiden Jahren der Vollliberalisierung sowie in den drei Quartalen davor 52.600 ihren Versorger gewechselt. Diese Gruppe hat eine Wechselrate von 4,2 % oder 4,4 % gemessen am Stromverbrauch. Vor allem kleine Strom- und Gaskunden sind wenig flexibel.

Demgegenüber haben insgesamt 18.200 Großabnehmer den Stromversorger gewechselt oder ihre Verträge geändert - die Wechselrate von Großabnehmern beträgt 102 %. Energiemäßig wurde jede von Großverbrauchern aus dem öffentlichen Netz bezogene Kilowattstunde mehrmals verhandelt bzw. gewechselt (140 % des Jahresbezugs haben den Versorger gewechselt oder wurden neu verhandelt).

Ökostrom – erneuerbare Energieträger
Im Mai 2004 hat die EU-Kommission unter dem Titel „The Share of Renewable Energy in the EU“ über eine Evaluierung der Förderung erneuerbarer Energie berichtet und prognostiziert, dass das Ziel von 22 % (EU-15) und von 21 % (EU-25) bis 2010 nicht erreicht werde. Der Anteil erneuerbarer Energie werde 18 % ausmachen. Österreich liege bei seinem Ziel einer Anteilssteigerung von 70 % auf 78,1 % „fast auf Kurs“. Um administrative und netzbezogene Probleme sowie Marktverzerrungen bei der Entwicklung erneuerbarer Energiequellen zu lösen, wird die Kommission im Oktober 2005 Vorschläge für ein harmonisiertes Unterstützungssystem vorlegen.

Das 2003 in Kraft getretene Ökostromgesetz hat die Ökostromförderung in Österreich grundlegend verändert. Für Ökostrom, Kleinwasserkraft und Kraft-Wärme-Kopplung gilt seither ein bundesweit einheitliches Förderungssystem mit einheitlichen Einspeisetarifen für alle erneuerbaren Energieträger. Die Zielquote für Kleinwasserkraft für 2008 wurde von 8 % auf 9 % erhöht und für sonstigen Ökostrom mit mindestens 4 % festgelegt. Ökostrom und Strom aus Kleinwasserkraft wird im Rahmen von drei Ökobilanzgruppen abgenommen. Seit 2003 gelten einheitliche Einspeisetarife und Zuschläge (Förderbeiträge). Das Ökostromgesetz bewirkte einen enormen Ausbau der Ökostromanlagen. Relativ wuchs die flüssige Biomasse am stärksten, absolut aber die Windkraft von 202 GWh auf 654 GWh. Den größten Anteil am Ökostrom hat mit 4.000 GWh jährlich die Kleinwasserkraft.

Das im Ökostromgesetz für 2008 vorgegebene 4 %-Ziel für „sonstigen Ökostrom“ (Windkraft, Biomasse u.a.) wird laut E-Control bereits 2005 überschritten werden. Das erforderliche Unterstützungsvolumen wird von 69 Mill. € 2003 auf 156 Mill. € 2005 und auf 250 Mill. € 2007 steigen. Angesichts dieser Entwicklung hat die Regierung im Oktober 2004 dem Nationalrat einen Novellenentwurf vorgelegt, um das jährlich für zusätzliche neue Ökostromanlagen zur Verfügung stehende Unterstützungsvolumen zu begrenzen und das Fördersystem effizienter zu gestalten. - Bislang konnte die für eine Ökostromgesetz-Novelle notwendige Zwei-Drittel-Mehrheit aber noch nicht erreicht werden.

Entwicklungen am Gasmarkt 2004
2003 wurden 8,6 Mrd. Nm3 oder 94,7 TWh an Haushalte, Wirtschaft und Kraftwerke abgegeben. Seit 2002 betrug der Zuwachs 8,8 %. Ursachen für den hohen Verbrauchszuwachs waren der Anstieg des Heizbedarfs und der hohe Gasverbrauch der Kraftwerke, die um 20 % mehr Strom aus Erdgas erzeugten als 2002. Der mittlere Verbrauchzuwachs der letzten zehn Jahre lag bei 2,9 %. In den ersten drei Quartalen 2004 wurden 64,3 TWh bzw. 5,8 Mrd. Nm3 an Endkunden geliefert. Dies entspricht einer Verbrauchssteigerung um 0,6 TWh oder 0,1 Mrd. Nm3 oder 0,9 %.

Da Erdgas durch andere Energieträger, vor allem durch Heizöl ersetzt werden kann, hängt sein Preis vom Ölpreis ab. 2001 sanken die Energiepreise vom hohen Niveau des Jahres 2000 ab, stiegen seit Oktober 2002 bis April 2003 stark, beruhigten sich aber in der zweiten Jahreshälfte 2003. Im Sommer 2004 stiegen die Erdölpreise - und damit auch die Erdgaspreise - massiv und lagen an einigen Tagen pro Barrel (Brent Blend) über 50 US-Dollar. Die OPEC strebt ein Preisband mit 22 bis 28 US$ an, die Steuerung der Weltenergiepreise ist wegen der steigenden Nachfrage nach Erdöl in Asien aber schwierig geworden. Die zusätzlich durch Prospektion gewinnbaren Energieressourcen liegen in unsicheren Regionen (Terrorgefahr) und erfordern immer teurere Fördertechniken. Preistreibend wirkt auch die starke Nachfrage nach schwefelarmem Öl. Und schließlich beeinflussen Spekulationen den Weltmarktpreis für Erdölprodukte immer stärker. Im Vorfeld der US-Präsidentenwahlen 2004 war dies besonders bemerkbar. Nach den Wahlen gingen die kurzfristig extrem hohen Rohölpreise und damit auch die Futures wieder deutlich zurück.
     
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