Busek: "Europa neu = Europa normal"  

erstellt am
29. 04. 05

"Wir gewöhnen uns jetzt langsam an eine Situation, wie sie für unsere Großeltern normal war" – Lob für die Wirtschaft: "Österreich heute wirtschaftlich unabhängiger denn je"
Wien (pwk) - Mit einem Dank an die Wirtschaftskammer, dass sie diesen Europatag veranstaltet, eröffnete der Hauptredner des Vormittags, Vizekanzler a.D. Erhard Busek, sein Referat: „Europa ist das wahre Zukunftsthema unseres Landes. Das kommt in der öffentlichen Wahrnehmung oft zu kurz. Die Wirtschaft ist da eine löbliche Ausnahme“.

Erst allmählich werde in der breiten Bevölkerung die neue Wirklichkeit Europas wahrgenommen. „Nach der endgültigen Überwindung der Teilung Europas gewöhnen wir uns jetzt langsam an eine Situation, wie sie für unsere Großeltern normal war: früher fuhr man beispielsweise mit der „Elektrischen“ von Wien nach Pressburg auf Kaffee und Kuchen. Da ist viel vergessen worden, da gibt es emotional noch einen großen Aufholbedarf“, führte Busek aus. „Heute können Sie bei der jüngeren Generation vielfach große Verwunderung erzielen, wenn sie sagen, dass die Städte Mittel- und Osteuropas wie beispielsweise Wrozlaw oder Bratislava auch deutsche Namen, eben Breslau und Pressburg, haben. Da haben wir noch viel zu lernen“, meinte der erfahrene Osteuropakenner.

Es gebe, wie Busek formulierte, noch „gewisse Rückkehrnotwendigkeiten“ zur Normalität von früher. „Es ist noch nicht alles ausgenützt, was wir an Möglichkeiten haben“. „Europa neu“ müsse im Bewusstsein der Öffentlichkeit wieder „Europa normal“ werden. Er sage dies ohne jede Nostalgie für die Monarchie, sondern aus der Erkenntnis heraus, dass man aus den schweren Fehlern der Vergangenheit (Nationalismus) lernen und zu einem gleichberechtigten Umgang mit verschiedenen Völkern finden müsse.

Europa neu biete in kultureller Hinsicht ungeheure Chancen. Diese Entwicklung ist noch offen. „Es ging vieles zu rasch, manches war nur eine Kopfgeburt. Es muss jetzt zur emotionalen Bewältigung kommen“. Während der Politik „noch der Knopf aufgehen“ müsse, habe die Wirtschaft die Entwicklung gut im Griff. „Die wirtschaftlichen Aktivitäten Österreichs im neuen Europa werden international anerkannt und zum Teil auch bewundert“, lobte Busek das Engagement vieler heimischer Unternehmen.

Österreich sei durch die EU-Mitgliedschaft insgesamt selbständiger geworden. Die vor zehn Jahren geäußerten Befürchtungen, der EU-Beitritt sei ein „zweiter Anschluss an Deutschland“, haben sich als unbegründet herausgestellt: „Das Gegenteil ist der Fall. Wir sind unseren eigenen, selbständigen Weg gegangen und durch die starke internationale Verflechtung heute unabhängiger von Deutschland denn je“.

Positiv für Österreich fällt nach Ansicht Buseks auch ein wirtschaftlicher Vergleich mit der Schweiz aus. Österreich folgte dem Grundsatz „lieber drinnen als draußen“, während die Schweizer ihrer jahrhundertealten Grundeinstellung „lieber draußen als drinnen“ treu blieben. „Als Außenstehende tun sich die Schweizer heute allerdings sehr schwer. Dies zeigt nicht nur das Beispiel Swissair“, sagte Busek. „Es ist offensichtlich besser, in einer Gemeinsamkeit zu sein. Aber auch in der Gemeinschaft haben wir noch viel zu lernen. Es ist ein Fehler, Brüssel für Veränderungen verantwortlich zu machen, die wir ohnehin durchmachen müssen“, fasste der Redner zusammen.
     
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