Besetzte Bilder  

erstellt am
27. 04. 05

Kino in Österreich 1945-1955 5. Mai bis 26. Juni 2005, Metro Kino
Wien (filmarchiv) - Filmgeschichte ist Zeitgeschichte – nirgends mag dieses Axiom zutreffender erscheinen als für die nun im Jubiläumsfokus stehenden Jahre 1945 bis 1955. Das viel zitierte kollektive Gedächtnis der Nation gründet sich vor allem auf (Film)Bilder, kinematografisch gebannte Augenblicke, die als Endlos-Projektion bis in die Gegenwart nachwirken. Von den Trümmerfrauen vor Schuttbergen, über die Vier im Jeep bis zu Figl am Balkon des Belvedere, Momente wie diese erscheinen nicht mehr bloß als Abbild des Historischen sondern als Geschichte selbst. Die Filmreihe BESETZTE BILDER macht dieses Phänomen sichtbar, verweist auf die Bedeutungsmaschine Kino in einem mehrfachen Sinn. Sie nimmt einerseits Bezug auf die dem Film zugemessene politische Kraft, verfolgt aber andererseits auch die historische Wahrnehmung der immanenten und expliziten Botschaften bis heute.

Die Wochenschauen der Besatzungsmächte dokumentieren den Kampf der Bilder entlang der immer schärfer werdenden Bruchlinien zwischen Ost und West. Als die österreichische Bundesregierung die AUSTRIA WOCHENSCHAU gründete stand eine Aufgabe klar im Vordergrund: über bildhafte Symbole die identitätsstiftende Mission des Wiederaufbaus zu verkünden und basierend darauf ein österreichisches Nationsbewusstsein zu schaffen. Auch die österreichischen Spielfilme des ersten Nachkriegsjahrzehnts sind nur in engem Zusammenhang mit der besonderen historischen Situation des Landes zu verstehen. Die Auseinandersetzung mit der Gegenwart verläuft zunächst allerdings nur zögerlich. Vielmehr stellt das österreichische Nachkriegskino bevorzugt k.k.-Idyllen und deren typologische Nachläufer in folkloristischer Rahmung aus. Hier lebte die Welt der Hofräte und Deutschmeister fort, gesellschaftlich abgesicherte Figuren, die eine über alle Abgründe der Geschichte erhabene gesellschaftliche Ordnung repräsentieren – eine Ordnung, deren Fluchtpunkt letztlich mit der Beschwörung des alten Österreichs markiert ist. Die Vision, welche die Präsidentin der Weltschutzkommission in 1. APRIL 2000 für Österreich vorsieht, ist in diesen Nachkriegsproduktion längst verwirklicht: die Verwandlung des Landes in einen museal bespielten Naturschutzpark.

Zu dieser Selbstverklärung, die von den Alliierten mitgetragen wird, gibt es aber auch Gegenbewegungen. Sozialkritische Positionen, realistische Ambitionen, bisweilen auch ein neues Verständnis von Kino setzen die späten Rosenhügelproduktionen wie SCHICKSAL AM LENKRAD und die Vertreter der neuerwachenden österreichischen Avantgarde (Kurt Steinwender, Herbert Vesely, Ferry Radax) den gängigen Österreich-Bildern und Idealen entgegen.

Symposium + Buchpräsentation
BESETZTE BILDER 11. und 12. Mai 2005, Metro Kino

Die Filme der Jahre 1945–1955 dokumentieren politische, gesellschaftliche und künstlerische Umbruchprozesse der Nachkriegszeit. Österreich war nach 1945 gefordert, sich neu zu positionieren. Das vermeintliche »Opfer« Österreich baute eine mythenbesetzte Identität auf. Der musikalischen und historischen Vergangenheit wurde opulent gefrönt, Heimatverbundenheit und katholische Tradition im ständestaatlichen Stil wieder aufgegriffen. Den »wahren österreichischen Helden« – den Heimkehrern, die gemeinsam mit den Daheimgebliebenen das neue/alte Österreich wieder aufbauten – wurden filmische Denkmäler gesetzt. Das Gedenken oder gar die Ehrung der Opfer der Nationalsozialismus fand dagegen weniger Widerhall im österreichischen Filmschaffen von 1945 bis 1955.

»Umdenken und Neuorientieren« im Sinne einer Entnazifizierung Österreichs, wie sie sich vor allem in den Reeducation-Filmen ausdrückte, war nur in der Frühphase Teil der alliierten Planung. Bald erschien es wichtiger, die Österreicher als Verbündete gegen den politischen Feind zu gewinnen. Der Kalte Krieg eröffnete ein neues Kapitel der Welt- und der Filmgeschichte. »Das Kino der Angst«, der Spionage und Denunziation hielt Einzug und ließ die überzeichneten feindlichen Gegenwelten bewusst werden.

Die filmischen Mythen und Bildikonen der Besatzungszeit und des Kalten Krieges leben bis heute in unserem historischen Bildgedächtnis weiter. Der Analyse der Bildquellen und der Diskussion um ihre Wirkungsweise ist das Symposium gewidmet.

Im Rahmen der Veranstaltung wird auch die Buchpublikation Besetzte Bilder. Film, Kultur und Propaganda in Österreich 1945–1955, (Hg. Karin Moser) vorgestellt. Der Sammelband bietet erstmals eine umfassende Darstellung der Film- und Medienpropaganda während der österreichischen Besatzungszeit.
     
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