Ein erfolgreiches Jahr für Österreichs Außenwirtschaft  

erstellt am
27. 04. 05

Die österreichische Zahlungsbilanz des Jahres 2004
Wien (oenb) - 2004 war wirtschaftlich gesehen kein einfaches, aber für Österreich durchaus ein erfolgreiches Jahr. Das zögerliche Wachstum auf Österreichs wichtigsten Märkten und der schwache US-Dollar stellten beachtliche Herausforderungen für Österreichs Außenwirtschaft dar. Dennoch konnte - zum zweiten Mal innerhalb der letzten 14 Jahre - ein Leistungsbilanzüberschuss in Höhe von 0,8 Mrd Euro oder 0,3 % des BIP erzielt werden. Treibende Kraft waren die Exporte, vor allem die Ausfuhren in die USA, die mehr als 10 % zur gesamten Exportzunahme beitrugen.

Die Kapitalmärkte waren zwar 2004 nicht mehr durch außergewöhnliche Unsicherheitsfaktoren beeinflusst, die Investoren verhielten sich jedoch zum Teil abwartend und risikoscheu. Dennoch war 2004 eine Renaissance des grenzüberschreitenden Wertpapierhandels zu beobachten. Im Vergleich zum internationalen Trend zeigte die Wiener Börse eine deutlich überdurchschnittliche Performance, wobei sich inländische Aktien als „Renner“ für ausländische Investoren erwiesen. Auch zu Direktinvestitionen gibt es erfreuliches zu berichten: Die oft zitierte „Direktinvestitionslücke“ hat sich mit Ende 2004 erstmals geschlossen, d.h. österreichische Investoren halten gleich viel Kapital an ausländischen Unternehmen wie ausländische Anleger in Österreich, nämlich rund 52 Mrd Euro.

OeNB-Gouverneur und EZB-Ratsmitglied Dr. Klaus Liebscher betonte in seiner Rede die positive wirtschaftliche Entwicklung Österreichs seit dem Beitritt zur EU. Wesentliche außenwirtschaftliche Indikatoren, wie Exportquote oder Direktinvestitionsbestände, wiesen seit dem EU-Beitritt eine bemerkenswerte Dynamik auf. Durch die EU-Erweiterung im vergangenen Jahr habe diese Entwicklung einen neuen Impuls erlebt. Der bereits in vollem Gang befindliche Integrationsprozess werde die Wirtschaftskraft der neu beigetretenen Staaten in Zukunft beträchtlich steigern. Für Österreich habe diese jüngste Erweiterung die unmittelbare Konsequenz, dass es von einer geographischen Randlage ins Zentrum der Union vorgerückt sei.

Frühzeitigen Initiativen österreichischer Banken und Wirtschaftstreibender sei es zu verdanken, dass Österreich lange vor dem effektiven Beitritt in diesen Ländern Fuß gefasst habe. Damit könne nun diese Integrationsdynamik optimal genutzt werden. So erzielten z. B. österreichische Banken 2004 im mittel- und osteuropäischen Raum (ohne Russland) einen Marktanteil von rd. 20%. In den direkten Nachbarländern reicht die Rolle österreichischer Banken von 12% in Slowenien bis über 40% in der Slowakei. Beinahe die Hälfte der Gewinne der fünf größten österreichischen Banken stammt aus diesen Märkten.

Die neuesten Daten über die internationalen Aktivitäten Österreichs gäben ein über den europäischen Raum hinaus gehendes, beeindruckendes Zeugnis von der generell zunehmenden Bedeutung des außenwirtschaftlichen Segments für die heimische Wirtschaftsentwicklung. Während der Grad der Offenheit der Volkswirtschaft – bezogen auf Güter und Dienstleistungen – Euroraum-weit rd. 20% und für Japan und die USA sogar nur 13 bzw. 10% betrage, belaufe sich dieser Wert - so Gouverneur Liebscher - für Österreich auf etwa 55%. Die Summe der grenzüberschreitenden Forderungen und Verbindlichkeiten Österreichs liege damit bereits bei deutlich mehr als dem Dreifachen der österreichischen Wirtschaftsleistung.

In der Folge ging Gouverneur Liebscher auf die wirtschaftspolitische Rolle der Statistik ein: So sei es z. B. für die Durchführung einer effizienten Geldpolitik im Eurosystem oder die Erfüllung der wirtschaftspolitischen Agenden der Europäischen Kommission von elementarer Bedeutung, dass alle EU-Mitgliedstaaten verlässliche Daten liefern. Andererseits ließen diese Statistiken innerstaatlich wertvolle Rückschlüsse zu, die wiederum ihren Niederschlag beispielsweise in konjunkturpolitischen Maßnahmen fänden. Auch für international agierende Unternehmen stellten verlässliche außenwirtschaftliche Daten eine bedeutende Informationsquelle – z. B. bei Standortentscheidungen – dar.

Abschließend dankte Gouverneur Dr. Liebscher allen Daten-Meldern und wies darauf hin, dass die österreichische Zahlungsbilanz ab dem Jahr 2006 in anderer Weise als bisher ermittelt werde. Statt der derzeit verwendeten Meldungen der Banken über den Auslandszahlungsverkehr werde sich die OeNB – einem internationalen Trend folgend – künftig verstärkt auf direkte Erhebungen bei den Verursachern stützen. Die OeNB sei bestrebt, so Gouverneur Liebscher, die erforderlichen Daten mit der notwendigen Qualität unter möglichst geringer Belastung der Melder zu sammeln. Dies werde nicht zuletzt durch eine weit reichende Kooperation mit Statistik Austria erzielt. Gleichzeitig richtete Gouverneur Dr. Liebscher einen Appell an die zukünftigen Melder, die OeNB beim Umstieg auf das neue System zu unterstützen und mitzuhelfen, dass die erforderlichen Daten auch weiterhin rechtzeitig und in der benötigten Qualität zur Verfügung gestellt werden können. Die Grundzüge des neuen Systems und die entsprechenden Meldeverordnungen würden ab Juni dieses Jahres im Rahmen so genannter „Road-shows“ und unter Heranziehung der Zweiganstalten der OeNB österreichweit vorgestellt werden.

Die Ergebnisse der Zahlungsbilanz 2004
In der Folge präsentierte Direktor Dr. Peter Zöllner, das für den Bereich Statistik zuständige Mitglied des Direktoriums der OeNB, die wichtigsten Ergebnisse der Zahlungsbilanz des Jahres 2004.

Österreichs Leistungsbilanz schloss 2004 mit einem Plus von 0,8 Mrd Euro, das sind 0,3% des Bruttoinlandsprodukts. Damit bewegt sie sich weiter im „ausgeglichenen“ Bereich von ± 1 % des BIP. Den entscheidenden Beitrag für die Verbesserung lieferte die Güterbilanz. Die geringfügige Passivierung der Dienstleistungen, Einkommen und Transfers wirkte der positiven Gesamtentwicklung nur leicht entgegen.

Laut den Daten der Statistik Austria wuchsen die österreichischen Exporte im Berichtsjahr um 13 %, während die Importe - trotz höherem Privatkonsum und vermehrten Ausrüstungsinvestitionen - nur um 10,4 % zunahmen. Die Exportquote entwickelte sich weiterhin positiv und kletterte mit 38 % auf einen neuen Höchstwert.

Der Exporterfolg Österreichs konzentrierte sich auf Maschinen und Fahrzeuge: zwei Drittel der gesamten Ausfuhrsteigerung von 10,2 Mrd Euro stammen aus diesem Bereich. Dieses Ergebnis ist umso bemerkenswerter, als sich früher Österreichs Rolle im Zusammenhang mit der Fahrzeugproduktion ausschließlich auf Zulieferungen beschränkte. Ausdrücklich verwies Direktor Zöllner auf die Entwicklung der Exporte in die USA: Trotz des schwachen Dollars konnten die Exporte in die USA deutlich ausgeweitet werden. Sie trugen mit 1,5 %-Punkten zur Steigerungsrate der Ausfuhren bei. Gleichzeitig sanken die Importe aus den USA merklich.

Der österreichische Tourismus litt im Jahr 2004 lt. Direktor Zöllner vor allem unter der verhaltenen Nachfrage deutscher Gäste. 2004 ist die Zahl der Nächtigungen der Ausländer um 0,5% auf rd. 86 Millionen gesunken. Die Reiseverkehrseinnahmen - einschließlich des internationalen Personentransports - betrugen knapp 15 Mrd Euro. Das ist zwar ein nominelles Plus von 2,3%, angesichts einer touristischen Exportpreissteigerung von nahezu 3 % ergibt sich dennoch ein leichter realer Rückgang. Primär führte ein Rückgang der Reiseverkehrsausgaben Österreichs (- 9 %) dazu, dass der Überschuss der Reiseverkehrsbilanz dennoch auf 4,5 Mrd Euro anstieg – und damit in der Nähe der Rekordwerte um 1990 lag. Die geringeren Ausgaben ergaben sich aus einer kürzeren durchschnittlichen Dauer bei gleichzeitiger Sparsamkeit der österreichischen Touristen.

Im Jahr 2004 erhöhte sich der Nettoabfluss in der Einkommensbilanz insgesamt um 0,2 auf knapp 2 Mrd Euro, eine Folge der Nettoverschuldung Österreichs im Ausmaß von rd. 38 Mrd Euro bzw. 16 % des BIP. Die seit dem Jahr 2000 zu beobachtenden hohen Gewinne von Direktinvestitionsunternehmen halten an: Die Erträge österreichischer Investoren erreichten 2004 3,5 Mrd Euro, um 11,6 % mehr als im Jahr davor. Ausländische Investoren lukrierten 4,3 Mrd Euro (+8,7 %) aus strategischen Unternehmensbeteiligungen in Österreich. Der Nettoeinkommensabfluss der Erträge aus Wertpapierveranlagungen hat sich 2004 weiter verringert.

In Bezug auf die Kapitalbilanz skizzierte Direktor Zöllner zunächst die internationalen Rahmenbedingungen, die in den letzten Jahren durch ein besonders hohes Maß an Unsicherheit gekennzeichnet waren. 2004 normalisierte sich das Anlageverhalten, auch wenn die Investoren teilweise noch sehr risikobewusst handelten. Er hob in diesem Zusammenhang hervor, dass 2004 insbesondere grenzüberschreitende Wertpapierkäufe eine Renaissance erlebt hätten.

Bei seinen Detailausführungen ging Direktor Zöllner auf die Direktinvestitionen ein: Die oft zitierte „Direktinvestitionslücke“ hat sich – nach vorläufigen Berechnungen - mit Ende 2004 erstmals geschlossen, d.h. österreichische Investoren halten in etwa gleich viel Kapital an ausländischen Unternehmen wie ausländische Anleger in Österreich, nämlich rd. 52 Mrd Euro.

Die aktiven Direktinvestitionen verfehlten im Jahr 2004 mit einem Wert von netto 5,8 Mrd Euro den Höchstwert aus dem Jahr 2000 nur knapp. Entscheidend für dieses außerordentliche Ergebnis war die historisch größte Einzelinvestition eines österreichischen Unternehmens, die Beteiligung der OMV an der rumänischen Petrom im Dezember 2004. Österreich bestätigte erneut glänzend seine Rolle als bedeutender Investor in Zentral- und Osteuropa. Mehr als die Hälfte des Investitionsvolumens entfiel auf diese Region. Die Investitionen Österreichs verlagern sich von den neuen EU-Mitgliedsländern etwas in Richtung Südosteuropa. Neben dem unangefochtenen Spitzenreiter Rumänien seien Kroatien, Serbien und Montenegro und mit dem Kauf der Albanischen Sparkasse durch die Raiffeisen Zentralbank Österreich erstmals auch Albanien als Zielland von Direktinvestitionen hervorzuheben.

Die passiven Direktinvestitionen lagen mit netto 3,9 Mrd Euro deutlich unter dem Ergebnis des Jahres 2003 was nicht zuletzt auf relativ hohe Desinvestitionen zurückzuführen ist. Die reinvestierten Gewinne erreichten nach ersten Berechnungen ein Volumen von 1,9 Mrd Euro und übertrafen damit die frischen Kapitalzuflüsse.

Bei der Analyse der Entwicklung der Portfolioinvestitionen führte Direktor Zöllner aus, dass österreichische Investoren im Berichtsjahr mit 26,7 Mrd Euro mehr als das Eineinhalbfache in ausländische Wertpapiere investierten als im Jahr davor. Das Kaufinteresse konzentrierte sich dabei auf Schuldverschreibungen.

Ausländische Investoren veranlagten 2004 mit 26,1 Mrd Euro um ein Viertel mehr in österreichische Wertpapiere als im Jahr davor. Die Ausweitung der Wertpapierkäufe durch Ausländer stammt zu fast der Hälfte aus vermehrten Investitionen in inländische Aktien. Als attraktive Kategorie wurden insbesondere Unternehmenstitel wie Telekom, OMV und Wienerberger gekauft.

Im Jahr 2004 vergaben die österreichischen Banken neue Kredite an das Ausland in nur halb so hohem Umfang wie 2003. Allein die Kreditbeziehungen zu den zehn neuen EU-Staaten entwickelten sich im Berichtsjahr weiterhin dynamisch.

Die offiziellen Währungsreserven verringerten sich 2004 transaktionsbedingt um 1,6 Mrd Euro.

Aktuelle Daten zur Zahlungsbilanz finden Sie hier.
     
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