Jahoda: Ein Akt der noblen österreichischen Erinnerungskultur  

erstellt am
06. 05. 05

Rede bei der Gedenkveranstaltung im Parlament
Wien (pk) - Mit zwölf Jahren habe er den Einmarsch Hitlers und seiner Truppen in Wien miterlebt, erinnerte sich Moshe Jahoda bei seiner Rede im Rahmen der Gedenkveranstaltung gegen Gewalt und Rassismus am Mittwoch (04. 05.) im Parlament. Er habe gesehen, wie viele hysterisch begeisterte Österreicher ihren neuen „Trug-Messias“ jubelnd empfingen. Und wie viele andere Menschen auch musste er bald darauf Abschied nehmen – von sich selbst, von seiner Heimat Österreich und von seiner Familie. Heute stehe er hier, stellvertretend für Tausende von Opfern und Waisenkindern, die nicht mehr für sich sprechen können. Und deshalb sei er dankbar für die Möglichkeit, vor den Vertretern eines neuen demokratischen Österreichs "unserer Pietät Ausdruck zu geben und Ihre Pietät zu empfinden". Er suche kein Mitleid und keine Barmherzigkeit, nirgendwo auf der Welt. Er habe seine Lektionen, die ihn gestärkt haben, gelernt, unterstrich Jahoda.

"Ich glaube an Ihre Bereitschaft, nachzuvollziehen, was es bedeutet, ein Leben lang den Gedanken an das Schlachthaus Auschwitz vor Augen zu haben: Auschwitz - dort, wo Tausende und Abertausende Kinder, Erwachsene und Greise qualvoll mit Zyklon B erstickt wurden - darunter auch meine schöne, unschuldige, elfjährige, kleine Schwester Gerti und meine Eltern Robert und Hermine Jahoda." Für ihn als Mensch bleibe das Morden, bleibe die Vernichtung für immer unfassbar. Wenn er heute durch Wien gehe, durch die Strassen und über die Plätze, die ihm seit seiner Kindheit vertraut sind, spüre er den Aufschrei der Ermordeten und Vertriebenen.

Österreich habe sich in den vergangenen Jahren bemüht, den Lebensabend der österreichischen Opfer, der Kranken und Greise überall auf der Welt, zu erleichtern, räumte Jahoda ein. Es kam etwas spät, aber dennoch war es ein tapferer Schritt. Trotz des guten Willens ziehe sich die Abwicklung der Entschädigungen zu sehr in die Länge, urteilte er. Und es erfülle ihn mit tiefer Trauer, wenn er davon höre, dass im Durchschnitt täglich zwei österreichische Überlebende der Shoah sterben. Noch immer seien die Gerichtsprozesse nicht beendet. Und noch immer hoffe er auf eine baldige Lösung.

Das, was er hier heute erlebe, sei der Akt einer noblen österreichischen Erinnerungskultur. Als ein hier in Österreich Geborener bete er für die Existenz eines Österreich als Muster der Gerechtigkeit und Menschlichkeit in Europa. Und "gehören auch Sie zu den Gerechten, die ehrlich die Existenz beider Völker" in Israel anstreben und unterstützen, appellierte Jahoda.

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