"Neuerungen im Stifter Haus"  

erstellt am
03. 05. 05

Im Rahmem einer Pressekonferenz präsentierte Landeshauptmann Dr. Josef Pühringer
mit Direktorin Dr. Petra Maria Dallinger "Bauen am kulturellen Gedächtnis der Zukunft"
Linz (lk) - Das kulturelle Gedächtnis ermöglicht "überlebenszeitliche" Kommunikation. Dadurch, dass man Botschaften festhält, mit denen die nächste Generation weitermachen kann, durch Kultur, wird die Todesgrenze überwunden.

So wurde in einem erst vor wenigen Tagen zu Ende gegangenen Symposion zum Thema "Kulturelles Gedächtnis" (an der Universität Karlsruhe) die Bedeutung von Archiven, Erinnerungsstätten und kulturwissenschaftlich orientierten Einrichtungen für eine Gesellschaft umschrieben.

Kulturelles Gedächtnis
Der renommierte deutsche Ägyptologe Jan Assmann hat 1992 den Begriff "kulturelles Gedächtnis" geprägt. Gemeint ist damit das in Archiven, Bibliotheken und Museen gesammelte kulturelle Erbe. Dieses wird zur Nutzung aufbereitet, der Forschung zugänglich gemacht und schließlich in Form von Ausstellungen, Publikationen etc. der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt. Die solcherart gespeicherten Inhalte werden zum kulturellen Gedächtnis einer Gemeinschaft, einer Stadt oder eines Landes.

Das StifterHaus mit seinen vielfältigen Aufgabenbereichen bildet einen wesentlichen Teil des kulturellen Gedächtnisses Oberösterreichs. Mehrere Einrichtungen des Hauses dienen der oben angesprochenen "überlebenszeitlichen" Kommunikation. Neben der Bibliothek sind dies vor allem: das OÖ. Bildarchiv, das ÖÖ. Biografische Archiv, das OÖ. Spracharchiv, das OÖ. Literaturarchiv. Dazu kommt das OÖ. Literaturmuseum im StifterHaus.

Wissensspeicher und Vermittlungszone - Baustein der kulturellen Identität des Landes Oberösterreich
Innerhalb der österreichischen Archivlandschaft ist diese Struktur von unter einem Dach angesiedelten und miteinander vernetzten Arbeitsfeldern einzigartig. Darüber hinaus garantiert das im StifterHaus angesiedelte Literaturhaus den kontinuierlichen und lebendigen Dialog zwischen Vergangenheit und Gegenwart, aber auch die öffentliche Wahrnehmung der geleisteten Forschungsarbeit.

Sammeln und bewahren heißt noch nicht erinnern, - die Einrichtungen des StifterHauses haben keinen Selbstzweck, sondern dienen als Wissensspeicher und Vermittlungszone gleichermaßen. Nur auf diese Weise wird das literarische und geistesgeschichtliche Erbe produktiv und zum wesentlichen Baustein der kulturellen Identität des Landes Oberösterreich.

Das "kulturelle Gedächtnis" ist keine statische Größe. Es muss permanent gespeist werden durch die Erweiterung der Bestände, Ankauf von Nachlässen, Handschriften etc. Immer mehr Bedeutung gewinnt aber auch der Ankauf von Schriftsteller-Vorlässen, die ein Archiv auch für junge Literaturforscher/innen attraktiv machen und damit die Konkurrenzfähigkeit mit anderen derartigen Einrichtungen sicherstellen.

Herausforderungen der Zukunft - Digitalisierung, Haltbarkeit von Datenträgern
Eine der zentralen Herausforderungen der Zukunft stellt die zunehmende Ablöse analoger Inhalte durch digitale dar. Nicht nur vorhandene Materialien und Informationen sollen digital aufbereitet werden, sondern immer mehr Vorlässe und Nachlässe von Autor/innen umfassen über Manuskripte, Typoskripte und andere "Papiere" hinaus auch audiovisuelle Medien, Digitalisate, Festplatten etc.

Die personal- und kostenintensive Nutzung der neuen Technologien war auch Thema der diesjährigen Fachtagung österreichischer Literaturarchive in Gmunden. Da hinsichtlich der Haltbarkeit von Datenträgern und noch mehr in Hinblick auf die technischen Möglichkeiten der Wiedergabe kaum Erfahrungswerte vorliegen, kann dieser globalen Problematik nur in Form von breiter Kooperationsbereitschaft unter Einbeziehung von Expert/innen begegnet werden.

Ein erster Schritt in Richtung eines zeitgemäßen, zukunftsorientierten Archivs konnte durch Aus- und Umbauten der vergangenen Monate getan werden.

Unter dem Dach - Das Oberösterreichische Literaturarchiv im StifterHaus
Das Adalbert-Stifter-Institut führt mit dem Oberösterreichischen Literaturarchiv eine der bedeutendsten Nachlass- und Autografensammlungen Österreichs. Das Literaturarchiv kann einerseits die Synergieeffekte der ebenfalls im StifterHaus angesiedelten Einrichtun-gen Biografisches Archiv, Bibliothek, Literaturmuseum und Literaturhaus nützen und arbeitet andererseits eng mit dem Literaturarchiv der Nationalbibliothek, Wien, dem vom Land Oö. eingerichteten Thomas-Bernhard-Archiv, Gmunden, und den Literaturarchiven der Bundesländer zusammen. (Im Bereich Ausstellungen, Nachlasserwerb etc.)

Vor diesem Hintergrund kann das StifterHaus seine wichtige Rolle als wissenschaftliches Informations- und Kompetenzzentrum und als regionaler Gedächtnisort in die österreich- und europaweit in Aufbruch geratene Landschaft der Literaturarchive einbringen und behaupten.
     
Zu den heute ca. 70 (Teil-)Nachlässen, (zum Beispiel von Christian Loidl, Hermann Friedl und Franz Kain), werden - soweit es die Mittel erlauben - laufend weitere erworben. Nachlassbearbeitungen mit EDV-Dokumentation gibt es unter anderem von Franz Stelzhamer, Enrica von Handel-Mazzetti oder Hermann Heinz Ortner.

Ergebnisse der Forschungen des Archivs werden in Publikationen veröffentlicht und in Ausstellungen etc. vermittelt und umgesetzt. Mit der Strindberg-Schau und den beiden Thomas-Bernhard Ausstellungen konnte international die Bedeutung Oberösterreichs als Land mit einem überdurchschnittlich hohen literarischen Potential unter Beweis gestellt werden.

Archiverweiterung - Übersiedlung von Handel-Mazzetti,
Vorlass von Gertrud Fussenegger

Die umfangreichen Arbeiten zum Ausbau des Dachgeschoßes im StifterHaus wurden im April 2005 zu Ende geführt. Damit steht dem StifterHaus nunmehr eine Fläche von 320 Quadratmetern (dazu 485 Laufmeter Schränke) für die Unterbringung des Literaturarchivs zur Verfügung. Die Ausstattung der neuen Räumlichkeiten im Dachgeschoß entspricht dem neuesten Stand der Technik: Ein überwachtes Raumklima und hinterlüftete Stahlschränke sorgen für die archivgerechte Lagerung von Nachlässen. Im Archivbereich wurden moderne Arbeitsplätze eingerichtet, die das Recherchieren und Studieren direkt vor Ort ermöglichen.

Mit dieser vorderhand letztmöglichen Erweiterung des Literaturarchivs ist nun die zentrale Lagerung und Bearbeitung von bis dato ausgelagerten Nachlässen möglich. So konnte der überaus umfangreiche Nachlass der Schriftstellerin Enrica von Handel-Mazzetti (1871 - 1955) schon zur Gänze ins StifterHaus übersiedelt werden. (Das erleichtert die Arbeit an der für Herbst geplanten Ausstellung zum 50. Todestag der Autorin bedeutend. Eröffnung: 29.11.2005.)

Neu im Haus ist das Rampe-Archiv, das 30 Jahre Korrespondenz zwischen Autor/innen und Redaktion sowie zahlreiche handkorrigierte Textbeiträge umfasst. Diesem interessanten Stück (ober)österreichischer Literaturgeschichte sollten sich bald kleinere Arbeiten im Rahmen der universitären Ausbildung widmen.

Ganz aktuell ist am 20. April die erste Lieferung des Vorlasses von Prof. Dr. Gertrud Fussenegger ins Haus gekommen. 19 große Kartons bilden den ersten Teil des vom Land Oberösterreich erworbenen Vor- und Nachlasses, von dem die Autorin sich bereits getrennt hat. (Nach einer Besichtigung des Archivs!) Neben dem literarischen Werk machen umfangreiche Briefwechsel und Dokumentationen dieses Material zu einer Quelle der Literaturgeschichte des 20. Jahrhunderts.

Freie Schränke - Vorlässe von Gegenwarts-Autor/innen?
Noch im Winter wurde dem StifterHaus eine Erstausgabe der "Studien" von Adalbert Stifter angeboten, mit einer eigenhändigen Widmung des Dichters, als weiterer Neuzugang kam ein Konvolut von Enrica von Handel-Mazzetti-Briefen ins Haus.

Noch sind etliche Schränke frei, - für die kommenden Jahre ist an eine kontinuierliche Erweiterung des Archivs durch den Erwerb von Vorlässen oberösterreichischer Autor/innen der Gegenwart gedacht.

Für die kompetente Umsetzung der Pläne, die Leitung der Umbauarbeiten im Dachgeschoß und im zweiten Stock und die hervorragende Zusammenarbeit bedankt sich die Leitung des StifterHauses sehr herzlich bei Peter Windtner vom Gebäude- u. Beschaffungs-Management und bei Baumeister Johann Fröhlich von der Landesbaudirektion des Landes Oberösterreich.

Begegnung mit der oberösterreichischen Literaturgeschichte - Das Literaturmuseum
Das Literaturmuseum ist in der ehemaligen fünf Zimmer Wohnung von Adalbert Stifter untergebracht. In einer multimedialen Schau wird Literatur-Interessenten ein Überblick über Epochen und zentrale Gestalten der oberösterreichischen Literaturgeschichte geboten - vom Mittelalter bis zur Gegenwart, von Dietmar von Aist bis Thomas Bernhard.

Das Literaturmuseum im StifterHaus wurde in den vergangenen sechs Monaten umgestaltet. "Junge Zonen und Interventionen" machen es nun besonders attraktiv für jugendliche Besucher/innen. Neu ist eine in 5 Teile zerlegbare Schneckenform als zentrales Element. Die 5 Teile entsprechen dabei den 5 Räumen, die Adalbert Stifter bis zu seinem Tod 1868 bewohnt hat.

Ein in diese Schneckenelemente integriertes mediales Vermittlungskonzept gibt Besucher/innen Gelegenheit zu eigenen Recherchen in Oberösterreichs literarischer Vergangenheit. Ein Prinzip dabei ist Altersgemäßheit - 3 Altersstufen sollen in Zukunft zur Wahl stehen. Bereits realisiert ist ein Konzept für die mittlere Alterstufe der 10- bis 14-Jährigen, die einerseits sowohl ausreichend lesekompetent, als auch - nach Ergebnissen nicht nur der Pisa-Studie - stark gefährdet sind, Lust zum und Übung am Lesen zu verlieren.

Konzepte für Volksschul- bzw. Oberstufenschüler/innen werden derzeit erarbeitet und sollen als weitere Module bis zu Beginn kommenden Jahres zur Verfügung stehen.


"stiftermöbeln" - Ein Kunstprojekt im Stifter-Gedenkraum
Eine vielleicht auf den ersten Blick irritierende, nur temporäre Intervention gipfelt in einem Kunstprojekt, das im Stifterjahr 2005 (2. Mai bis 8. Juli) im Stifter-Gedenkraum zu sehen sein wird. Dieses Kunstprojekt thematisiert die im Alltag des Museumsbetriebs herrschende "vorgetäuschte Authentizität" am Beispiel von Stifters ehemaligem Arbeitszimmer: Das Inventar im Gedenkraum Adalbert Stifters umfasst unter anderem Original-Zeichnungen und Original-Gemälde Adalbert Stifters sowie Handschriften und Briefe. Auch das Mobiliar stammt aus Stifters Besitz, befand sich aber in verschiedenen Räumen in anderer Anordnung.
Handelt es sich auch um Möbel Stifters, so ist deren Zusammenstellung doch willkürlich und entspricht nicht der historischen "Wirklichkeit". Auf ein Podest geschlichtete Möbel, mit Textzitaten aus Stifters Werk sollen auf die Bedeutung idealer Räume und ihre Einrichtung zur Zeit des Biedermeier und insbesondere in Texten Stifters verweisen. Das Problem der Musealisierung und der damit oft erzeugten falschen Bilder wird von Peter Karlhuber auf respektvoll-ironische Weise thematisiert.

Für die Gestaltung der "Interventionen" ist Mag. Peter Karlhuber, Mozarteum-Absolvent (Bühnenbild) und aus Oberösterreich gebürtig, zu danken, er lebt in Wien und war auch für die beiden international höchst erfolgreichen Thomas-Bernhard-Ausstellungen gestalterisch verantwortlich.

Gebundener Museumsführer - Virtuelles Museum
Ein Führer zum Literaturmuseum erscheint in den nächsten Monaten. Erste Einblicke in diesen "Begleiter" durch die oberösterreichische Literaturgeschichte sind schon jetzt möglich: Kapitel 1 ("Von den Anfängen bis zur Renaissance") liegt als Musterkapitel auf.

In Zukunft wird sich das Museum wohl in den virtuellen Raum ausbreiten müssen und als "virtuelles Museum" zur zeitgenössi-schen oberösterreichischen Literatur via Bildschirm funktionieren; so sollen - im Sinne eines sich weiterentwickelnden kulturellen Gedächtnisses - Forschungsergebnisse, Nachlassbearbeitungen und wissenschaftliche Beiträge im Museum jederzeit einsehbar und abrufbar sein.

Der Traum von Bibliothekaren - Ein Kurbelschrank
Die Bibliothek des StifterHauses wird als wissenschaftliche Fachbibliothek geführt und umfasst derzeit ca. 17000 Bände aus den folgenden Fachgebieten:

* Literatur von und über Adalbert Stifter Oberösterreichische.
* Literatur aus Geschichte und Gegenwart
* Literatur des deutschen Sprachraums
* Germanistische Fachliteratur
* Linguistische und dialektologische Literatur
* Literatur- und Kulturzeitschriften

Notwendig ist eine kontinuierliche Erweiterung zur umfassenden germanistischen Fachbibliothek. Mit der Inbetriebnahme neuer Räumlichkeiten im Parterre des StifterHauses und der Anschaffung eines modernen Kurbelschrankes (inklusive eines Bibliotheksarbeitsplatzes) konnte auch für die Bibliothek zusätzlicher Raum geschaffen werden.

Öffnungszeiten:
Bibliothek: Mo, Di, Do 7:30-13:00, 14:00-18:00, Mi 7:30-13:30, Fr 7:30-13:00
Galerie, Literaturmuseum, Stifter-Gedenkraum: täglich außer Mo 10:00-15:00
Führungen für Einzelpersonen und Gruppen (gegen Voranmeldung)
Tel.: +43 732/77 20-112 95-98

Informationen: http://www.stifter-haus.at
     
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