Österreich profitiert überdurchschnittlich von der EU-Erweiterung  

erstellt am
12. 05. 05

Gouverneur Liebscher: Forderung nach nachhaltiger Stabilitätsorientierung der öffentlichen Haushalte
Wien / Vaduz (oenb) - Österreich ist in den vergangenen Jahren mit einer vorwärts gerichteten Wirtschaftspolitik aktiv den neuen Herausforderungen und dem verstärkten Wettbewerb in Folge der Erweiterung der Europäischen Union begegnet. Unter anderem durch Maßnahmen wie der Senkung des Körperschafts­steuersatzes auf 25% und der Forschungs- und Entwicklungs- offensive wird Österreich auch in Zukunft seine Position als Kompetenzzentrum für die Erschließung neuer Märkte sichern könne, sagte der Gouverneur der Oesterreichischen Nationalbank, Dr. Klaus Liebscher, im Rahmen des Wirtschafts- und Kapitalmarktdialogs „Österreich – Liechtenstein“ in Vaduz.

Liebscher hob die positiven Effekte hervor, die von der Erweiterung der Europäischen Union ausgehen. Gerade die österreichische Wirtschaft habe dank des frühzeitigen Engagements in diesen Wachstumsmärkten mehr als jedes andere westeuropäische Land von der wirtschaft­lichen Integration dieser Region Europas profitieren können. Eine zukunfts­orientierte Strategie würde nun nahe legen, die gesammelten positiven Erfahrungen zunehmend auf neue Zukunftsmärkte, insbesondere in Südosteuropa, zu übertragen, sodass Österreich auch in dieser Region eine starke Position einnehme.

Die Erweiterung des gemeinsamen Wirtschaftsraums habe aber auch frischen Wind in die europäische Reformdebatte gebracht. Die neuen EU-Mitgliedsländer hätten durch ihre Bereitschaft, selbst schmerzvolle Reformprojekte anzugehen, auch in anderen EU-Staaten einen Modernisierungsschub in Gang gesetzt. In diesem Sinne gehe von der EU-Erweiterung eine neue Triebkraft für die Belebung der so genannten „Lissabon-Strategie“ aus. In Österreich stehen Maßnahmenpakete wie die Forschungs- und Technologieoffensive sowie der geplante Ausbau der Trans-Europäischen Netze (TEN) in Einklang mit den Zielen der Lissabon-Agenda und werden helfen, die hohe Qualität des Wirtschaftsstandorts Österreich zu sichern.

Für den weiteren Erfolg der Wirtschafts- und Währungsunion (WWU) sei mehr denn je unabdingbar, dass alle Beteiligten ihrer jeweiligen Verantwortung nachkommen, unterstrich Liebscher. Der EZB-Rat werde auch in Zukunft unbeirrt an seiner Verpflichtung zur Gewährleistung der Preisstabilität festhalten. Die im nationalen Kompetenzbereich verbliebene Fiskalpolitik müsse so gestaltet sein, dass sie der verfassungsmäßig supranational angelegten Geldpolitik nicht zuwider laufe. Eine wachstums­orientierte, wettbewerbsfähige Strukturpolitik müsse schließlich gewährleisten, dass in einem gemeinsamen geldpolitischen Regime die Volkswirtschaften flexibel auf Schocks oder geänderte Rahmen­bedingungen reagieren können. Liebscher betonte die Schlüsselrolle, die dabei der Kommunikation zukomme, da budgetäre Konsolidierungskurse oder Strukturreformen nur dann ihre positive Wirkung voll entfalten könnten, wenn in der Bevölkerung breites Verständnis für deren Notwendigkeit bestehe.

Liebscher zeigte sich ernsthaft besorgt über die Änderungen des Stabilitäts- und Wachstumspakts, was seinen „korrektiven Arm“ betreffe. Eine breite Auslegung z. B. jener Umstände, unter denen eine ausnahmsweise und vorübergehende Überschreitung des Referenzwertes von 3 Prozent zulässig ist, schaffe nur kurzfristig Flexibilität auf Kosten von Glaubwürdigkeit und Nachhaltigkeit – „ein äußerst gefährliches Tauschgeschäft“.

Der durch den Maastricht-Vertrag bewirkte fiskalpolitische Paradigmenwechsel hin zu einer nachhaltigen Stabilitätsorientierung der öffentlichen Haushalte müsse unter allen Umständen für alle Mitglieder der Währungsunion substanziell gewahrt bleiben, gerade auch im Hinblick auf die Signalwirkungen für die mittelfristig geplante Erweiterung der Währungsunion um die neuen EU-Mitgliedstaaten. Denn unbestritten bleibe, dass eine solide Finanzpolitik und eine stabilitätsorientierte Geldpolitik für den Erfolg der WWU von grundlegender Bedeutung sind. Es sei daher unerlässlich, betonte Gouverneur Liebscher, dass die Mitgliedstaaten, die Europäische Kommission und der Rat der Europäischen Union die überarbeiteten Regelungen nunmehr strikt und konsequent so umsetzen, dass sie einer umsichtigen Finanzpolitik dienlich sind. Denn die Einhaltung der Regeln gesunder Staatsfinanzen und des Stabilitätspakts sei nicht nur zur Unterstützung der Geldpolitik wichtig, sondern auch aus Rücksicht auf kommende Generationen erforderlich.
     
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