Gegenseitige Anerkennung von Gerichtsentscheidungen erfordert mehr Vertrauen zwischen den Mitgliedstaaten  

erstellt am
23. 05. 05

Brüssel (europarl) - Die Kommission hat dem Europäischen Parlament und dem Rat eine von ihr gestern angenommene „Mitteilung zur gegenseitigen Anerkennung gerichtlicher Entscheidungen in Strafsachen und zur Stärkung des Vertrauens der Mitgliedstaaten untereinander“ übermittelt. Die Stärkung des Vertrauens ist eine der wichtigen Botschaften des Haager Aktionsprogramms, das am 10. Mai verabschiedet wurde.

Der für Justiz, Freiheit und Sicherheit zuständige Vizepräsident der Kommission Franco Frattini erläuterte, das Prinzip der gegenseitigen Anerkennung gerichtlicher Entscheidungen sei der Eckstein der justiziellen Zusammenarbeit; allerdings könne dieses Prinzip nur auf der Basis des Vertrauens der Mitgliedstaaten untereinander reibungslos funktionieren. Dieses Vertrauen könne nicht erzwungen, sondern müsse schrittweise aufgebaut werden.

Nach der Annahme und weitgehend erfolgreichen Umsetzung des Rahmenbeschlusses über den Europäischen Haftbefehl gilt es nunmehr, das Prinzip der gegenseitigen Anerkennung weiter zu entwickeln, und zwar in jeder Phase des Strafprozesses, vor dem eigentlichen Verfahren (Beweismittelerhebung, Alternativen zur Untersuchungshaft) und nach dem Verfahren (Strafregister, Vollstreckung von in einem anderen Mitgliedstaat ergangene Verurteilungen, Rechtsverluste).

Die ersten Schritte zur Umsetzung des Grundsatzes der gegenseitigen Anerkennung, insbesondere der Europäische Haftbefehl, haben deutlich gemacht, dass dieses Prinzip das Vertrauen der Mitgliedstaaten untereinander voraussetzt, das jedoch nicht von vornherein gegeben ist. Die Kommission sieht in ihrer Mitteilung zwei Möglichkeiten, das Vertrauen zu stärken: zum einen durch Legislativmaßnahmen zur Harmonisierung des Strafprozessrechts, die den Schutz der Personenrechte in den Vordergrund stellen (Unschuldsvermutung, Beweiserhebung, Abwesenheitsurteile) oder zur Klärung der gerichtlichen Zuständigkeit, wenn mehrere Mitgliedstaaten betroffen sind; zum anderen durch praktische Begleitmaßnahmen wie die Förderung der Juristenausbildung, den Ausbau der Evaluierung und die Unterstützung eines Netzwerks für die Angehörigen der Rechtsberufe, das zur Schaffung einer „gemeinsamen Rechtskultur“, wie sie im Haager Programm festgeschrieben ist, beitragen soll.
     
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