50 Jahre Staatsvertrag  

erstellt am
17. 05. 05

Rede von Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel
im Wiener Schloß Belvedere am 15. Mai 2005

Sehr geehrter Herr Bundespräsident, sehr geehrte Vertreter der Signatarstaaten!

Ich beginne meine Begrüßung mit seiner Exzellenz, dem Außenminister der Russischen Föderation, Sergej Wiktorowitsch Lawrow. Ich begrüße seine Exzellenz, den Außenminister der Französischen Republik, Michel Barnier, den Minister für Europa des Vereinigten Königreiches von Großbritannien und Nordirland, The Right Honorable Douglas Alexander und als Vertreter der Vereinigten Staaten von Amerika, Senator Rudy Boschwitz.

Ich darf die Außenministerin Ursula Plassnik sehr herzlich begrüßen, die gesamte Bundesregierung mit Vizekanzler Hubert Gorbach, die Vertreter des Parlaments, an der Spitze Präsident Dr. Andreas Khol, alle erschienenen Festgäste, Eminenz, Landeshauptleute, vor allem jene, die am Zustandekommen dieses Staatsvertrags beteiligt gewesen sind.

Meine Damen und Herren!

Prinz Eugen von Savoyen hat sich dieses anmutige Schloss Belvedere vor fast 300 Jahren nach seinen siegreichen Feldzügen weit außerhalb der Stadtmauern von Wien erbauen lassen. Heute ist es fast schon ins Zentrum gerückt. Auch der berühmte Canaletto-Blick stimmt nicht mehr ganz, aber heute stimmt alles. Maria Theresia hat dieses Schloss für große Bälle genützt, Kaiser Franz Joseph hat im Unteren Belvedere eine Galerie für die neue Kunst eingerichtet und das Obere Belvedere Erzherzog Franz Ferdinand zur Wohnung gegeben.

Mit dem Attentat auf das Thronfolgerpaar im Jahr 1914 begann der Erste Weltkrieg und eine Tragödie für Europa, auch für Österreich. Adolf Hitler, das soll nicht verschwiegen werden, hat diesen Marmorsaal als Kulisse für seine "Wiener Schiedssprüche", mit denen er die gesamten Friedensverträge, Saint Germain und Trianon, und damit die Grenzen in Mitteleuropa in Frage gestellt hat, benützt.

Aber vor 50 Jahren, am 15. Mai 1955, haben die Außenminister und Botschafter der vier Alliierten sowie der österreichische Außenminister Leopold Figl den österreichischen Staatsvertrag unterzeichnet. Und damit war der in der Moskauer Deklaration 12 Jahre vorher festgelegte Befreiungsprozess endlich am Ziel.

Österreich hat hier tatsächlich einen günstigen historischen Moment getroffen, und doch war es ja Teil einer größeren politischen Disposition. Am 15. Mai hat Leopold Figl in diesem Saal ausgerufen: "Mit dem Dank des Allmächtigen wollen wir die Unterschrift setzen und mit Freude rufen wir aus: Österreich ist frei!" Beifall herinnen und unbeschreiblicher Jubel draußen im Park, wo ja Zehntausende schon seit Stunden gewartet haben, bis dieses Werk symbolisch getan war.

Meine Damen und Herren!

Was war nun dieser 15. Mai vor 50 Jahren? War das ein erstes strahlendes Signal einer vorausahnenden Hoffnung, die erst vier Jahrzehnte später mit dem Fall des Eisernen Vorhanges Wirklichkeit wurde? Ich möchte daher bewusst an einen Satz von John Foster Dallas erinnern, der im Juni 1955 auf die Frage, ob nicht Österreich auch am vereinigten integrierten Europa teilnehmen kann, antwortete: "Ja, aber nur unter Einbeziehung aller Länder Osteuropas." Das ist nun bereits Wirklichkeit geworden.

Oder war dieser Staatsvertrag ein kurzer flüchtiger Moment eines gebündelten geopolitischen Interesses, der in einem größeren Zusammenhang zu sehen ist? Vergessen wir nicht, einen Tag vorher wurde der Warschauer Pakt, nicht gerade ein Dokument des Freiheitswillens und der Freiheit aller osteuropäischen Völker, unterzeichnet.

Oder war es einfach ein Glücksfall, ein einzigartiger Glücksfall für Österreich, aber ohne bleibende Entspannungswirkungen? Erinnern wir uns an wichtige Ereignisse im Jahresabstand: Ungarnaufstand, Berlinkrise, Mauerbau.

Was ist der Inhalt dieses Staatsvertrages, der uns frei machte, ein Wort, auf das Österreich 17 Jahre gewartet hatte? Freiheit, das ist eines jener magischen Worte, das jedes Volk überall auf der Welt elektrisiert, auf die jedes Volk überall auf der Welt wartet, es träumen lässt, ihm Kraft zum Überleben gibt und ein Land in Bewegung setzen kann. Amerika wurde im Streben nach Unabhängigkeit und Freiheit vom Kolonialismus, auch des europäischen, gegründet. Es hat im Gedanken an die Freiheit die Sklaverei abgeschüttelt.

Freiheit, meine Damen und Herren, ist etwas unglaublich Kostbares. Wir sollten sehr sorgsam und sorgfältig damit umgehen, gerade wenn und weil es für uns selbstverständlich geworden ist.

Für uns Österreicher bedeutete Freiheit, selbst die Weichen für die Zukunft stellen zu können. Freiheit heißt entscheiden, ohne jemanden um Erlaubnis fragen zu müssen. Es war die Freiheit, sich nicht direkt in den Kalten Krieg einbeziehen zu lassen. Wir haben freiwillig die Neutralität gewählt. Wir haben sie in einem Bundesverfassungsgesetz am 26. Oktober 1955 beschossen. Dort heißt es: "keine Teilnahme an Kriegen, keine fremden Truppen auf österreichischer Erde und keine Teilnahme an Militärbündnisse". Und das gilt weiter für uns, als klarer Auftrag zu einer aktiven Friedenspolitik verwandelt und übertragen auf die Europäische Union sowie auf die Politik im Rahmen der internationalen Völkergemeinschaft.

Der Staatsvertrag war für uns das Passwort für den Eintritt zu den Vereinten Nationen und die Mitgliedschaft zum Europarat. Er enthält Rechte und er enthält Pflichten. Wir haben von Ihnen, von den Alliierten, das Recht bekommen, dass sie uns gemeinsam in der Völkergemeinschaft die Unabhängigkeit, die Souveränität Österreichs und die Unverletzlichkeit unserer Grenzen garantieren. Aber wir haben auch Verpflichtungen übernommen: die Menschenrechte zu bewahren sowie die Würde und die Rechte von Volksgruppen zu schützen und zu bewahren. Gerade in diesen Tagen bemühen wir uns, einen großen Schritt hier weiter zu kommen. Wir haben die Verpflichtung übernommen, jederzeit und immer wachsam zu sein gegen Tendenzen des Nationalsozialismus, des Rassismus oder Faschismus. Und auch dabei bleibt es für alle Zeiten und für alle Zukunft. Der Grundauftrag des Staatsvertrags ist gleich geblieben. Er heißt: heraus aus der Enge, hinaus in die Weite, mit aller Kreativität, mit allen Talenten und Begabungen, die wir besitzen, vielleicht mit noch etwas mehr Engagement und Zivilcourage.

Immer klarer erkennen wir Österreicher heute wieder unseren Platz im Zentrum Europas. Aus einer Randlage sind wir in die Mitte gerückt. Aus strategischen Schwächen haben wir Stärken gemacht. Die gelebte Nachbarschaft ist unser Auftrag nach allen Seiten hin, stabilitätsfördernd, vernetzend und glaubwürdig. Das bedeutet auch Hineinwachsen in die gemeinsame Heimat Europa, ohne dass uns dabei die Heimat Österreich verloren gehen darf.

Meine Damen und Herren !

Vor uns liegt hier das Original des österreichischen Staatsvertrags. Erstmals hat dieses Dokument das Archiv in Moskau verlassen. Erstmals wurde überhaupt ein so genanntes Original außerhalb der Grenzen der Depositarmacht gezeigt. Dafür sind wir dankbar, Herr Außenminister Lawrow. Mein Dank gilt dafür der russischen Regierung und Präsident Putin. Es war für mich ein sehr bewegender Moment als mir vor einem Monat der russische Botschafter dieses Original überreicht hat. In der Ausstellung auf der Schallerburg haben bereits 50.000 Menschen dieses papierene Denkmal unserer Unabhängigkeit und Souverenität gesehen. Zehntausende mehr werden es hier in Wien sein.

Meine Damen und Herren !

Gerade an einem solchen Freudentag wollen wir der Opfer gedenken, die dieses neue und freie Österreich nicht mehr erlebten. Der 2. Weltkrieg hat 60 Millionen Tote gefordert, ein Drittel davon Russen. Frankreich wurde zweitweise ausgelöscht, England war schwerst bedrängt. Auch wir, das kleine Österreich, hatten eine Million Tote, Schwerverletzte oder Kriegsgefangene, die viele Jahre ihres Lebens verloren haben, zu beklagen gehabt. Wir sollen dieser Opfer gedenken und auch derer, die am Befreiungskampf mitgewirkt haben. Ich möchte daher mit besonderer Hochachtung jene im Belvedere begrüßen, die Trägerinnen und Träger der österreichischen Befreiungsmedaille und des Ehrenzeichens für die Befreiung Österreichs sind. Wir dürfen in großer Dankesschuld gerade mit ihnen heute ihren Erfolg feiern. Es sind heute auch die Leiter der Auslandsösterreichervereine aus aller Welt zusammen gekommen. Viele dieser Gemeinschaften wurden von Vertriebenen in größter Not gegründet. Unter ihnen ist Europa und Österreich lebendig geblieben, während es von der Landkarte gelöscht wurde.

Meine Damen und Herren und Vertreter der Signatarstaten!

Sie haben uns mit dem Staatsvertrag nicht nur Freiheit gegeben, sondern auch Vertrauen in Österreich investiert. Und wir haben diese Talente, wie es in der Bibel heißt, nicht einfach vergraben, sondern wir haben das Geschenk des 15. Mai 1955 vielfach der Welt zurückgegeben. Der Marshallplan der Amerikaner hat uns sehr geholfen, Österreich zu einem wirtschaftlich blühenden Land zu machen. Das Land, das 1945 und die Jahre danach Hunger, Not, Entbehrung, Trümmer wie wenige andere Länder erlebt hat, liefert und bezieht heute jährlich Waren alleine aus den 4 Signatarstaaten im Wert von 25 Milliarden €. Es hat sich gelohnt. Und das politische Vertrauen, das sie in uns investiert haben, sehen sie heute gebaut im UNO Sitz in Wien, im OSZE Sitz und in der kommenden Menschenrechtsagentur der Europäischen Union. Die Freiheit, die Sie uns gegeben haben, haben wir in Form von Hilfe für die Nachbarn in Not zurückgegeben. Wir haben hunderttausende Flüchtlinge bei uns aufgenommen. Die neue Selbständigkeit, etwas zu entscheiden, haben wir auch dazu genützt, Restitution und Entschädigung, manchmal sehr spät, zu leisten. Die Chance, die Österreich vor 50 Jahren bekommen hat, haben wir seit eineinhalb Jahrzehnten auch massiv dazu verwendet, um ein Vorkämpfer für unsere Nachbarn und für ihre Integration in die Europäische Union zu sein. Die selbst gewählte Neutralität war nicht für uns eine Abseitsstehen, sondern ein aktiver Friedensbeitrag in den Friedensmissionen der Vereinten Nationen oder auch mit der Europäischen Union am Balkan.

Meine Damen und Herren !

Manche Entwicklung geht heute in einem derartigen Tempo vor sich, dass sich einige schon wieder fürchten. Das Tempo scheint beinahe unheimlich zu sein. Aber es ist nicht unheimlich. Es ist eigentlich nur das rapide Nachholen versäumter Chancen in der Geschichte, die ja lange an einem künstlich herbeigeführten Starrkrampf litt und jetzt ihren natürlichen Gang wieder aufgenommen hat.

Solche rasche Aufholprozesse sind immer schwierig, aber Schwierigkeiten begegnet man nicht mit Kleinmut und mit neuen Verzögerungen. Mit Österreich verbindet heute die überwältigende Mehrheit der Österreicherinnen und Österreicher Vertrauen, Hoffnung und Sicherheit. Jeder Zweite sagt sogar, Begeisterung sei jenes Gefühl, das er oder sie mit Österreich am stärksten verbindet. Mit zwei Staaten, mit Frankreich und Großbritannien, sind wir heute gemeinsam Mitglied der Europäischen Union. Russland ist einer unserer wichtigsten strategischen Partner und die USA bleiben unser erster Ansprechpartner für globale Probleme, wenn es um Frieden, Gerechtigkeit und Umweltfragen geht.

Diese neue Verfassung Europas, die wir vor wenigen Tagen beschlossen haben, steht in einem zeitlichen Zusammenhang mit dem Staatsvertrag. Dieser Staatsvertrag hat uns frei von Besatzung und Fremdbestimmung gemacht. Die neue Europäische Verfassung gibt uns gemeinsam die Freiheit etwas zu entwickeln, etwas Neues, nämlich Europa friedlich, sozial und stark zu machen. Nützen wir daher gemeinsam die Freiheit des Staatsvertrags und die Freiheiten dieser neuen Europäischen Verfassung.

 

Rede von Außenministerin Dr. Ursula Plassnik
im Wiener Schloß Belvedere am 15. Mai 2005


Sehr geehrte Festgäste Sehr geehrte Vertreter der Signatarstaaten! In dieser festlichen Stunde möchte ich Ihnen im Namen der Österreicherinnen und Österreicher danken: für Ihre Anwesenheit heute, aber auch für die Worte der Sympathie und Anerkennung.

Sie ehren damit unser Land und die Menschen, die im Schatten einer furchtbaren und belastenden Geschichte der Mitverantwortung die Hoffnung nicht aufgegeben haben. Die mit Mut und Zuversicht für die Zukunft dieses Landes gearbeitet haben - für eine Zukunft in Freiheit und Würde, für eine Zukunft in Verantwortung.

Meine Damen und Herren!

1955 hat die Welt in uns investiert: politisch, wirtschaftlich und vor allem an Vertrauen: Sie hat an Österreich geglaubt:

Unsere Eltern und Großeltern sind mit ihrem Vertrauensvorschuss verantwortungsvoll umgegangen. Gestützt durch Ihre Hilfe haben sie ein Land wieder aufgebaut, das rasch seinen Platz in der Staatengemeinschaft gefunden hat - im Dezember 1955 der Beitritt zu den Vereinten Nationen, im Jahr darauf zum Europarat. Ein Land, das heute allgemein geachtet, ja, von vielen sogar beneidet, wird.

Wenn wir oft von den "Vätern des Staatsvertrages" sprechen, so wissen wir, dass sowohl die Erringung der Freiheit wie auch der Wiederaufbau nicht nur "Väter", sondern auch "Mütter" hatte. Die Frauen Österreichs haben in diesen schweren Anfangsjahren wahrhaft Unvorstellbares geleistet. Ihnen sagen wir in diesem berührenden Augenblick ein tief empfundenes "Dankeschön".

Wir, die Generation derer, die das Herzklopfen, das Bangen und Hoffen in der Zeit davor, aber auch die Euphorie des 15. Mai nicht unmittelbar erlebt haben, durften schon in einem friedlichen, ungeteilten Land aufwachsen. Im damaligen Vertrauensvorschuss sehen wir den Auftrag, auch unsererseits Zuversicht und Unterstützung weiterzugeben. Zu Versöhnung und Verständigung beizutragen, so gut wir können.

Als Nachbarn in Europa, als Partner in der Welt.

Meine Damen und Herrn,

Österreich hat sich des Geschenks des 15. Mai 1955 als würdig erwiesen: wir haben in den letzten Jahrzehnten 60.000 Friedenssoldaten in die Welt geschickt, wir beherbergen das dritte UNO-Hauptquartier und die OSZE, wir waren und bleiben Zuflucht für viele. Mehr als 500.000 Menschen wurden seither eingebürgert.

Aus Besatzungs- und Signatarmächten sind mittlerweile Partner, ja Freunde Österreichs geworden. Heute verbindet uns mit ihnen ein besonderes Band des Vertrauens und der Wertschätzung. Gemeinsam mit ihnen wenden wir uns nun den großen Aufgaben zu, die vor uns liegen.

Denn der Wiederaufbau Europas ist noch nicht vollendet, solange es auf diesem Kontinent Völker und Menschen gibt, für die Freiheit und Sicherheit keine Selbstverständlichkeiten sind. Deren Gegenwart noch gezeichnet ist von Bruderkrieg, Zerstörung und Misstrauen.

Wien liegt diesem benachteiligten Europa näher als andere europäische Städte. Von hier aus, von Wien, führen auch seit langem viele tiefe und gehaltvolle Verbindungslinien in dieses Europa; sie gilt es jetzt zu nützen.

Österreich wurde geholfen; jetzt helfen wir! Wir wollen dieser Verantwortung gerecht werden: In der Europäischen Union, gemeinsam mit den Vereinigten Staaten und mit Russland.

Die Europäische Union hat einen einzigartigen Erfahrungsschatz für die friedliche Transformation ganzer Gesellschaften entwickelt. Sie ist die Antwort auf eine jahrhundertelange Geschichte blutiger Konflikte auf diesem so kleinen Kontinent. Sie hat uns die Überwindung von Gegensätzen mit den Mitteln der Wirtschaft und der Solidarität der Tatsachen gelehrt. Sie bringt uns bei, wie man mit Vielfalt umgeht. Sie ist das Bindemittel für ein dauerhaftes friedliches Miteinander.

Der Platz aller südosteuropäischen Staaten - wie schwierig und schmerzlich ihre jüngste Vergangenheit auch gewesen sein mag - kann deshalb letztlich nur in der Europäischen Union liegen. Die Achtung der Menschenrechte und die Entwicklung einer stabilen Demokratie sind Grundlagen für eine chancenreiche Zukunft, auch für Moldawien, die Ukraine und Weißrussland. Denn die nachhaltigste, wohl aber auch schmerzhafteste Form der Befreiung ist letztlich die Selbstbefreiung.

Österreich wird sie auf diesem Weg unterstützen. Unser Auftrag ist die Kunst der Nachbarschaft - nach allen Seiten: vertrauensbildend, stabilitätsfördernd, vernetzend und verbindend.

Vor uns - der Europäischen Union, Russland und den Vereinigten Staaten - liegen aber auch jenseits dieses Kontinents große Herausforderungen: So bemühen wir uns gemeinsam um eine Reform der Vereinten Nationen wie auch um den Frieden im Nahen Osten. So versuchen wir gemeinsam, Armut, Ausgrenzung und Krankheit in der Welt zu lindern. So kämpfen wir gemeinsam gegen Terrorismus und die Weiterverbreitung von Massenvernichtungswaffen, für Abrüstung, Konfliktverhütung, die Bewahrung der Umwelt und eine Kultur der Rechtsstaatlichkeit.

Auch das zeigt uns der Staatsvertrag klar: Eine enge Zusammenarbeit Europas, Russlands und der USA kann auch scheinbar unüberwindbare Probleme zum Nutzen aller lösen.

Meine Damen und Herren!

Am Anfang des neuen Österreich - aber auch des neuen Europa - standen Zuversicht, Vertrauen und die Bereitschaft, Chancen zu nützen, wenn sie sich bieten. Damals war die Unabhängigkeit Österreichs das Leitmotiv. Für die Jugendlichen von heute ist die Freiheit von Fremdbestimmung mittlerweile eine Selbstverständlichkeit. Das ist richtig und gut so. Aber: wir sollten genauer hinhören, wenn sie nach ihren Aussichten in einer vielfach geregelten Welt fragen: Wie können wir die Welt gerechter machen? Wie die Umwelt schützen und bewahren? Wie den erreichten Wohlstand fairer verteilen? Die Sehnsucht bleibt, sie trägt nur andere Kleider.

Diese Jugend wird die nächste Etappe des europäischen und globalen Friedenswerks bestimmen. Sie muss ihre Träume leben und ihre Freiheit selbst definieren. Sie wächst hinein in die gemeinsame europäische Heimat, ohne die Heimat Österreichs zu verlieren. Alle Möglichkeiten eines grenzenlos gewordenen Europa stehen ihr offen.

Wenn unsere Erfahrungen der letzten fünfzig Jahre der jungen Generation etwas mitgeben können, dann wohl dieses: Zuversicht und Vertrauen.

Lasst Euch ein darauf, dass es auf jeden von Euch ankommt! Dass jeder seinen Beitrag leisten kann, zuhause und in der Welt. Habt den Mut, Euch selbst und anderen zu vertrauen!

Danke, meine Damen und Herren.

 

Gusenbauer: "Neutralität gibt den Österreicherinnen und Österreicherin Sicherheit"
Plädoyer für Marktwirtschaft mit sozialem Antlitz
Wien (sk) - "Vor nunmehr 50 Jahren wurde der Staatsvertrag, der Österreich die Wider- erlangung der vollen staatlichen Souveränität gewährte, von den Vertretern der USA, der Sowjetunion, Großbritanniens und Frankreichs unterzeichnet. Die Basis dieser Souveränität, die die Voraussetzung für die Erfolgsgeschichte der Zweiten Republik war, lag in der von den Gründervätern der Republik mit der 'Geist der Lagerstraße' genannten Einsicht zu Kooperation, Dialog und Solidarität", betonte SPÖ-Vorsitzender Alfred Gusenbauer am Samstag (14. 05.) am Vortag des 50-jährigen Jubiläums der Unterzeichnung des Staatsvertrags.

Eng mit dem Staatsvertrag verbunden ist die freiwillige Erklärung Österreichs zur immerwährenden Neutralität. "In den letzten 50 Jahren hat die Neutralität zweifellos eine herausragende Rolle für Österreich, seine Bevölkerung, den hohen internationalen Stellenwert und das Ansehen dieses Landes gespielt und wird dies auch in Zukunft tun", versicherte der SPÖ-Vorsitzende. "Die Neutralität gibt den Österreicherinnen und Österreichern Sicherheit. Und zwar die Sicherheit, dass die Entscheidungen darüber, ob Österreicher in bewaffneten Auseinandersetzungen im Ausland eingesetzt werden, allein in Österreich getroffen wird", betonte Gusenbauer. "Neutralität und Solidarität waren für uns jedoch nie ein Widerspruch, wie der Einsatz tausender österreichischer Soldaten im Rahmen der UNO-Blauhelm-Einsätze gezeigt haben", sagte Gusenbauer.

Ein solch klares Bekenntnis zur Neutralität und dazu, dass Österreich keinem Militärbündnis beitreten werde, sei gerade am 50. Jahrestag der Staatsvertragsunterzeichnung von den Repräsentanten aller politischer Parteien Österreichs gefordert. "Die Neutralität ist ein solides Fundament, auf Basis dessen Österreich in den letzten 50 Jahren aktiv und erfolgreich Friedenspolitik betrieben hat", resümierte der SPÖ-Vorsitzende.

Der sorgenfreie Lebensabend für die Wiederaufbaugeneration muss gesichert sein!
Gusenbauer appellierte auch eindringlich, sich auf jene zu besinnen, die 1945 bereit waren, Österreich aus dem Nichts heraus aufzubauen. "Gab es noch im März 1945 ein Land, das auf dem absoluten Nullpunkt angelangt war, so stand zehn Jahre später ein Österreich zur Unterzeichnung seiner Souveränität bereit, das aus dem Gröbsten heraus war. Das und das Wirtschaftswunder der darauf folgenden Jahre haben wir der Wiederaufbaugeneration zu verdanken - einer Generation, die mehr Entbehrungen erlitten hat, als jede andere Generation, die noch am Leben ist. Zugleich aber auch ist die Wiederaufbaugeneration diejenige, die mehr als jede andere dazu beigetragen hat, dass Österreich nach einigen Jahrzehnten zu einem der wohlhabendsten Ländern der Erde wurde." Umso mehr sei diesen Menschen ein finanziell abgesicherter und sorgenfreier Lebensabend zu wünschen, in dem sie sich auf den Generationenvertrag und gesicherte Pensionen verlassen können, "was derzeit leider nicht garantiert ist."

"Der Geist des sozialen und solidarischen Grundkonsenses der Gründerväter unserer Republik hat Risse bekommen", sagte Gusenbauer. "Inmitten des Wohlstands gibt es in Österreich die höchste Arbeitslosigkeit der Zweiten Republik, Armutsgefährdung und Zukunftsängste." Um den vielen Herausforderungen der Gegenwart zu begegnen, sei Mut zum Handeln und Mut zum Regieren erforderlich. "Für die Zukunft unserer Kinder und die Zukunft dieses wunderbaren Landes müssen wir für eine Marktwirtschaft mit sozialem Antlitz sorgen", betonte Gusenbauer abschließend.

 

Gorbach: Österreich ist frei - seit 50 Jahren
Die Zweite Republik: eine Geschichte des Friedens, der Freiheit und des Wohlstands
Wien (fpd) - Vor 50 Jahren schlug die Geburtsstunde der freien Republik Österreich. Nach entbehrungsreichen und leidvollen Jahren des Krieges und der Verfolgung wurde Österreich vom totalitären und menschenverachtenden Regime des Nationalsozialismus befreit, zehn Jahre später erlangte es die staatliche Souveränität wieder und wurde frei und unabhängig. Die Geschichte der Zweiten Republik ist eine Geschichte des Friedens und der Unabhängigkeit, die nunmehr fünf Jahrzehnte andauert. Nachdem der letzte Besatzungssoldat Österreich verlassen hatte und die Republik frei wurde, begann ein einmaliger Prozess zu demokratischer Stabilität, allgemeinem Wohlstand, sozialer Gerechtigkeit und Rechtsstaatlichkeit.

Vizekanzler Hubert Gorbach: "Wir haben gute Gründe, dies zu feiern - aber auch, in uns zu gehen und uns in Demut zu üben. Wir dürfen nicht vergessen, aus welcher Asche dieser "Phoenix" Österreich entstiegen ist. Es ist unsere Pflicht, dauerhaft dafür zu sorgen, dass wir aus der Geschichte lernen und daraus weise Schlüsse für die Zukunft ziehen."

Gorbach betonte, es gelte vor allem Dank zu sagen: Dank all jenen, die diese Republik unermüdlich aufgebaut und zu dem gemacht haben, was sie heute ist: eine hoch entwickelte Demokratie auf dem Fundament der Freiheit und des Wohlstands. Dank jenen, die für diese Freiheit Österreichs große Opfer bringen oder gar ihr Leben lassen mussten. Dank an jene, die diese Republik unter schwierigsten Umständen aus der Taufe gehoben, mit großer Klugheit in die Unabhängigkeit geführt und später gestaltet haben. Dank aber auch jenen, die Österreich beim Wiederaufbau geholfen und letztlich die Unabhängigkeit gewährt haben.

"Die Feierlichkeiten sollten uns auch Anlass dazu geben, weiter nach vorne - in die Zukunft - zu schauen und die Erfolgsgeschichte der Zweiten Republik fortzusetzen - der Staatvertrag war das Fundament dafür", so Gorbach. Es sei notwendig, Österreich mit Weitblick, Innovationskraft und Augenmaß zu gestalten und weiterzuentwickeln und sich mit Konsens- und Kritikfähigkeit den Fragen der Zeit und den Herausforderungen des 21. Jahrhunderts zu stellen.

"Wir werden nach bestem Wissen und Gewissen unser Heimatbewusstsein, unsere Bildung, unseren Gemeinschaftssinn und unseren Wohlstand zu erhalten und zu mehren versuchen. Dann wird es uns gelingen, was unseren Eltern und Großeltern gelungen ist: weitere 60 Jahre in Frieden und 50 Jahre in einem freien, unabhängigen Staat zu leben - in einem gemeinsamen Haus Europa", schloss der Vizekanzler.

 

 HC Strache: Staatsvertragsfeier angesichts EU-Verfassungsannahme Farce
Schüssel, Gusenbauer, Haider & Co Totengräber des Staatsvertrags
Wien (fpd) - Als arge Täuschung der Bevölkerung und als reine Augenauswischerei bezeichnete heute FPÖ-Obmann Strache angesichts der Ratifizierung der EU-Verfassung im österreichischen Parlament die Feierlichkeiten zum 50-Jahr-Jubiläum des Staatsvertrages. Die Gründerväter der Zweiten Republik, die die österreichische Freiheit hart errungen hätten, würden sich im Grabe umdrehen wenn sie in diesen Tagen mit ansehen müssten, wie mit Neutralität und Verfassung die tragenden Säulen der Zweiten Republik über Nacht hinter dem Rücken der Bevölkerung eingerissen und am Müllhaufen der Geschichte entsorgt worden seien, sagte Strache.

"Das Getue von Schüssel, Gusenbauer & Co rund um den Staatsvertrag, dessen Ende sie selbst am Gewissen haben, ist ein heuchlerischer Akt, mit dem sie die faktische politische Entmündigung Österreichs durch ihre Parlamentsentscheidung zu vertuschen versuchen. Man hat der Zweiten Republik mit der bedingungslosen Zustimmung zur EU-Verfassung in gewisser Weise die Seele herausgerissen und tut jetzt gegenüber den Österreichern so als habe man ihr erst Leben eingehaucht. Das ist die genaue Verkehrung der Tatsachen", so Strache. Es werde sich in dieser Frage genau so wie schon beim EU-Beitritt selbst, den Transitvertrag, der Einführung des Euro und der EU-Osterweiterung der unumkehrbare Schaden in Bälde zeigen. Dann aber sei es wiederum einmal zu spät und die Bevölkerung hätte die Suppe auszulöffeln, während die politisch Verantwortlichen wieder locker und lässig mit den Axeln zucken würden.

Strache wies darauf hin, dass die FPÖ auch im Parlament als einzige Partei für eine Volksabstimmung in Österreich über die EU-Verfassung eingetreten sei und, dass auch weiter vehement tun werde. Alle rechtlichen und politischen Gründe gäben ihr recht. Nur ein unsäglicher Mix aus Partei- und Machtpolitischen Kalkül sowie Duckmäusertum gegenüber Brüssel hätte diese Entwicklung, die die Österreicher gar nicht wollten, möglich gemacht. Er hoffe jetzt auch darauf, dass die Bevölkerung in anderen Ländern ein klares Votum gegen Zentralismus, Bürokratie und Bürgerferne abgeben würde und Schüssel & Co spätestens dann auch hierzulande für ihre einsame Entscheidung zur Rechenschaft gezogen werden.

 

 Van der Bellen: Grundlage für Truppenabzug - Ende der Teilung des Landes
Folge des Staatsvertrages für viele Menschen war die Reisefreiheit innerhalb Österreichs
Wien (grüne) - "Der Staatsvertrag bildete die Grundlage für den Abzug der alliierten Truppen aus Österreich. Die Aufeilung des Landes in vier Zonen wurde beendet, was insbesondere im tagtäglichen Leben für die Menschen in Österreich von enormer Bedeutung war", erklärt der Bundessprecher der Grünen, Alexander Van der Bellen, anlässlich der Feiern zu "50 Jahre Staatsvertrag", und weiter: "Der 15. Mai 1955 stellt zweifellos einen entscheidenden Tag in der österreichischen Nachkriegsgeschichte dar."

"Für viele Menschen - auch für meine Familie und mich persönlich - hatte der Staatsvertrag sehr konkrete Folgen im Alltagsleben: die Reisefreiheit innerhalb Österreichs", so Van der Bellen rückblickend.
     

Wir übernehmen hier Stellungnahmen aller im Parlament
vertretenen Parteien – sofern vorhanden! Die Redaktion

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