Österreichs EU-Politik  

erstellt am
08. 06. 05

 Gusenbauer: SPÖ fordert Kehrtwende in der EU-Politik
Menschen in Europa erwarten klare Maßnahmen zu einer Richtungsänderung
Wien (sk) - "Das Schlechteste, was jetzt passieren kann, wäre, dass Europa in eine monatelange Agonie verfällt und so tut, als wäre nichts geschehen", betonte SPÖ-Vorsitzender Alfred Gusenbauer am Mittwoch (08. 06.) im Rahmen einer Aktuellen Stunde im Nationalrat. Die europäische Bevölkerung würde sich nun klare Antworten und Strategien, wie es mit einer europäischen Wirtschafts- und Beschäftigungspolitik weitergehen soll, erwarten. Man könne nicht zur Tagesordnung übergehen und sagen, es interessiere nicht, wie die Menschen in Europa abgestimmt haben. "Es ist notwendig, jetzt klare Maßnahmen hin zu einer Richtungsänderung in der EU zu setzen - denn das erwarten sich die Menschen", so Gusenbauer. Der SPÖ-Vorsitzende forderte weiters, dass die neuen Mitgliedstaaten der EU Nettoempfängerländer werden und dass diese Last aber auch auf mehr Länder in der EU verteilt werde "und nicht von wenigen allein getragen werde muss".

Viele Menschen hätten den Eindruck, dass die EU keinen ausreichenden Schutz gegen die negativen Auswirkungen der Globalisierung bietet und dass die EU sogar diese negativen Folgen in Europa noch verschärfe. Viele Menschen hätten auch Angst, dass nicht nur Güter, sondern auch Arbeitsplätze exportiert werden. Hier nannte Gusenbauer zwei Beispiele: erstens die Diskussion um die Dienstleistungsrichtlinie und zweitens die Arbeitszeitrichtlinie, die bei vielen den Eindruck auslöse, dass Europa nicht sozialer werde. Die Menschen hätten den Eindruck, "dass die Interessen der Arbeitnehmer unter die Räder kommen", kritisierte der SPÖ-Vorsitzende, und die Sozialdemokratie ist der Meinung, dass es nur dann zu einer Zustimmung zum Projekt EU durch die Menschen kommen könne, wenn es gelingt, diese Herausforderung zu lösen - "denn durch ein Weiterwurschteln werden die Probleme nicht zu lösen sein".

Österreich trage als Land im Zentrum der Erweiterung eine große Verantwortung. Gusenbauer betonte, dass es eine wirtschaftliche und soziale Solidarität mit den neuen Mitgliedstaaten geben müsse. Diese neuen Mitglieder müssten zu den Nettoempfängerländern gehören, es könne aber nicht so sein, dass alle bisherigen Nettoempfänger auch weiterhin zu diesen zählen müssen. Diese Länder hätten zwar mit gutem Recht fast 20 Jahre lang Mittel der EU erhalten, um einen wirtschaftlichen Aufholprozess zu erzielen, aber die EU stehe nun vor einer neuen Situation. Den neuen Mitgliedstaaten müsse ein ähnlicher Aufholprozess ermöglicht werden. Es könne aber nicht sein, dass diese Last von wenigen getragen werde, sondern es müsse zu einer Verteilung auf mehr Länder kommen.

Zum Thema Finanzierung kritisierte Gusenbauer weiters einen Kompromissvorschlag, bei dem es zu Kürzungen im Bereich der transeuropäischen Netze, bei Wissenschaft und Forschung und bei Mitteln für den ländlichen Raum komme. Für den SPÖ-Vorsitzenden ist es "falsch, wenn alle bisherigen Ausgabenblöcke unverändert bleiben und die Dinge, die dringend zusätzlich notwendig sind, für einen Kompromiss geopfert werden". Man brauche "dringend" eine Reform der Ausgaben und nicht einen Kompromiss, bei dem man auch für Österreich wichtige Bereiche unter die Räder kommen - dies wäre "ein fadenscheiniger Kompromiss, der nicht gut für Europa ist". Es müsse Strukturreformen geben und eine Kehrtwende, in Zukunft mehr Geld für transeuropäische Netze und Forschungspolitik auszugeben.

Da von zwei Staaten diese Verfassung abgelehnt wurde, brauche Europa ein klares Signal, so Gusenbauer abschließend: "Diese Verfassung muss durch eine bessere ersetzt werden, um eine Zustimmung der Menschen in Europa zu finden".

 

 Molterer: Es geht um Linie halten, nicht um Kehrtwende
ÖVP-Klubobmann in der Aktuellen Stunde des Nationalrats
Wien (övp-pk) - Am 12. Juni 1994 haben die Österreicher mit überwältigender Zweidrittelmehrheit für unsere Mitgliedschaft in der EU gestimmt - weil Europa das Friedensprojekt ist, um das Generationen gerungen haben, weil es das Projekt der Demokratie und der sozialen Marktwirtschaft ist. Das ist heute genau so richtig wie damals. Wenn die SPÖ die heutige Aktuelle Stunde mit dem Thema Kehrtwende in der EU-Politik" bezeichnet, so ist das entweder passiert, was schlimm ist, oder aber es ist bewusst gewählt, was noch viel schlimmer ist. Denn in der gerade nicht einfachen Situation der EU geht es nicht um eine Kehrtwende, sondern um Linie halten. Das erklärte ÖVP-Klubobmann Mag. Wilhelm Molterer am Mittwoch (08. 06.) in der Aktuellen Stunde im Nationalrat.

Mit der Kehrtwende signalisiere die SPÖ einen Zusammenhang mit der Erweiterung. "Wollen Sie wirklich die Erweiterung zurückdrehen, obwohl sie uns in Österreich einen Gewinn an Sicherheit, Wachstum und Stabilität gebracht hat? Sie signalisieren mit diesem Begriff Rumänien und Bulgarien, aber auch unseren Freunden in Kroatien, draußen zu bleiben. Gerade jetzt ist der Erweiterungsprozess mit Verantwortung und Gefühl fortzusetzen. Für Sicherheit, Wachstum, Arbeitsplätze und Stabilität", betonte Molterer.

Mit der Kehrtwende signalisiere die SPÖ einen Zusammenhang mit der EU-Verfassung. "Es kann und darf aber doch nicht sein, dass das, was vor vier Wochen richtig war und auch von der SPÖ begrüßt wurde, heute falsch ist. Kehrtwende hieße, vor den Europagegnern in die Knie zu gehen. Doch das tun wir nicht. Wir müssen jetzt das Signal setzen, dass wir für diese europäische Verfassung kämpfen wollen, dass wir Linie halten. Wir wollen keine Kehrtwende in der europäischen Sicherheits-, Stabilitäts- oder Finanzpolitik", so der ÖVP-Klubobmann.

"Vorwärts Genossen, wir wollen zurück" sei das falsche Signal der SPÖ, mahnte Molterer. "Europa soll gestärkt werden und nach vorne gehen. Ein Europa braucht die soziale Marktwirtschaft mit ökologischer und ethischer Verantwortung. Nicht Kehrtwende, sondern Linie halten ist jetzt die Antwort", schloss Molterer.

 

 Haider: Keine höheren EU-Beiträge für Nettozahler Österreich!
Finanzminister Grasser gefordert
Klagenfurt (bzö) - "Ein Prozent der österreichischen Wirtschaftsleistung für Brüssel sind genug!" Das sagte Bündnisobmann Jörg Haider am Dienstag (07. 06.) in Reaktion auf die von den EU-Finanzministern diskutierte Kompromissvariante von 1,06 Prozent.

Haider: "Wir gehören ohnehin schon zu den big spendern in der EU." So habe der Nettozahler Österreich alleine im Jahr 2003 336 Millionen Euro mehr in die milliardenschweren EU-Töpfe einbezahlt, als er herausbekommen habe. Vor dem Hintergrund der EU-Erweiterung droht nun zusätzlich, dass Österreich um millionenschwere EU-Förderungen umfällt und jetzt sollen wir noch mehr einzahlen? Nicht mit uns!", so Haider.

Er forderte daher von Finanzminister Karl-Heinz Grasser ein, keinesfalls einer Erhöhung der EU-Beiträge für Österreich zuzustimmen. Außerdem sollte man über eine Informationskampagne in Sachen EU-Förderungen nachdenken, da viele zur Verfügung stehende Fördertöpfe von Österreich nicht genutzt würden. "Da geht viel Geld verloren", so Haider abschließend.

 

 Strache: EU-Krise nicht mit Stillschweigen übergehen
Für FPÖ-Obmann kommen Beitragserhöhungen nicht in Frage - Ausstieg aus Euro eines von vielen möglichen Szenarien
Wien (fpd) - Laut FPÖ-Bundesparteiobmann HC Strache ist in der EU zum gegenwärtigen Zeitpunkt prinzipiell alles zu hinterfragen. Es dürfe keine Denkverbote geben. "Die EU befindet sich in einer tiefen Krise, die nicht mit Stillschweigen übergangen werden kann."

Beitragserhöhungen kommen für Strache auf keinen Fall in Frage. "Ganz im Gegenteil muß man eher die Frage nach einer Reduzierung von Österreichs Zahlungen an die EU stellen", so der freiheitliche Bundesparteiobmann. Beim gegenwärtigen Zustand der Union sei dies ein mehr als berechtigter Gedanke. Die EU müsse sich endlich einer Diskussion über ihre Zukunft stellen. Die Mentalität des Drüberfahrens" müsse ein Ende haben. Es sei den österreichischen Steuerzahlern nicht zuzumuten, daß ihr mühsam erarbeitetes Geld in den Sümpfen der Brüsseler Bürokratie versickere.

Zum diskutierten Ausstieg aus dem Euro meinte Strache, daß dies eines von vielen möglichen Szenarien sei. "Man muß über alles diskutieren dürfen."

 

Glawischnig: Brauchen eine Verfassung, wir als europäische Bürgerinnen und Bürger
Für die Behebung der Mängel braucht es nicht weniger, sondern mehr Europa – Rede in der Aktuellen Stunde des Parlaments
Wien (grüne) - "Die Grünen haben die Europäische Verfassung vor wenigen Wochen in dem Bewusstsein ratifiziert, dass es wichtig ist, dass dieses Europa – und das sind wir – eine Verfassung bekommt. Wir als europäische Bürgerinnen und Bürger brauchen eine Verfassung. Mir macht es jetzt Sorge, wie diese Abstimmungen in Holland und in Frankreich dazu verwendet werden, sich wieder abzugrenzen von diesem Projekt Europa, wieder in nationale Stimmungen zu verfallen und auch nationalen Populismus zu betreiben. Und dass hier davon gesprochen wird: die Europäische Union und wir hier mit unseren österreichischen Interessen, das ist der komplett falsche Ansatz. Es geht um uns als Europa! Wir brauchen eine Verfassung, wir als europäische Bürgerinnen und Bürger!", so Eva Glawischnig, Stv. Bundessprecherin und stv.Klubobfrau der Grünen am Mittwoch (08. 06.).

"Die Politik der Europäischen Union ist nicht etwas Abgehobenes, was irgendwelche Bürokraten in Brüssel entscheiden, sondern das sind Entscheidungen, die der österreichische Bundeskanzler, der österreichische Finanzminister, der österreichische Arbeitsminister, der österreichische Umweltminister jeden Monat immer wieder neu treffen. Das sind österreichische Entscheidungen, wir haben hier ein Mitbestimmungsrecht.

Es gibt Defizite, aber man darf sie nicht aus der nationalen Perspektive sehen, sondern muss sie aus der gemeinsamen Perspektive sehen. Wenn man das Nettozahlersystem reformieren will, dann darf man das nicht unter dem Aspekt machen: Wir jedenfalls weniger, sondern ausschließlich unter dem Aspekt: Die Stärkeren helfen den Schwächeren, nämlich im Sinne einer gemeinsamen positiven Weiterentwicklung. …

Ich gestehe ein, dass es in den letzten Tagen auch bei uns im Klub und auch in der Partei eine gewisse Ratlosigkeit in den Diskussionen gegeben hat, wie man da jetzt weiter vorgehen soll. Es ist jedenfalls ein massiver Rückschlag für Europa, sich jetzt noch einmal damit auseinander setzen zu müssen, noch einmal diese 25 Mieterparteien unter einen Hut zu bringen und eine Verfassung zu schaffen. Aber ich fürchte, es wird uns nichts anderes übrig bleiben."
 
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