Nein zur Verfassung kein Nein zu Europa  

erstellt am
17. 06. 05

Brüssel (europarl) - In Frankreich und in den Niederlanden wurden wenige Tage nach den Referenden zwei Flash Eurobarometer-Umfragen durchgeführt, deren Ergebnisse die Haltung der Bürger und ihre Einstellung zum europäischen Aufbauwerk deutlich werden lassen.

Auch wenn zehn Länder die Verfassung bereits ratifiziert hätten, sei das Ergebnis des französischen und niederländischen Referendums als ernstes Warnsignal zu werten, so Margot Wallström, Vizepräsidentin der Kommission und Kommissarin für Institutionelle Beziehungen und Kommunikationsstrategien zu den Umfragen. Die Gründe für das Nein seien vielfältig und von Land zu Land verschieden. Das wirtschaftliche und soziale Klima habe zwar eine wesentliche Rolle gespielt, allerdings stehe außer Frage, dass sich der Dialog zwischen EU-Bürgern und EU-Organen verbessern müsse. Europa brauche einen Plan D, bei dem D für Demokratie und Dialog stehe.

Das Nein zur Verfassung sei jedoch nicht als Nein zu Europa zu verstehen. Für die Mehrheit der Bürger sei die Mitgliedschaft in der Europäischen Union eine positive Sache. Seit mehreren Jahren gehe aus den Eurobarometer-Umfragen hervor, dass der Bürger nicht weniger Europa sondern mehr greifbare Ergebnisse wolle. Es komme mehr denn je darauf an, dass die Organe ihrer Verantwortung gerecht werden und die Voraussetzungen dafür schaffen, dass die Erwartungen der Bürger konkret erfüllt werden können.

Die Umfragen ergaben im Wesentlichen folgendes:

  • die meisten Ja-Stimmen kommen aus den Reihen der über 55jährigen (54 % in Frankreich und damit 9 % über dem Landesdurchschnitt; 48 % in den Niederlanden und damit 10 % über dem Landesdurchschnitt).
  • Gründe für das Ja: die meisten Befürworter (Frankreich 39 %, Niederlande 24 %) gaben als Grund für ihre Entscheidung die Bedeutung der Verfassung für den weiteren Aufbau Europas an.
  • Gründe für das Nein: Die Franzosen begründeten ihre Entscheidung in erster Linie mit wirtschaftlichen und sozialen Aspekten. So befürchten 31 % der Befragten verhängnisvolle Folgen für die Beschäftigungslage, 26 % nennen die aktuelle Wirtschafts- und Arbeitsmarktsituation, 19 % halten den Wortlaut der Verfassung für zu liberal, 16 % für zu wenig sozial. Unzufriedenheit mit der politischen Führung und dem Kurs bestimmter Parteien gab für 18 % der Befragten den Ausschlag.
  • In den Niederlanden hingegen wird mangelnde Information als häufigster Grund genannt (32 % der Befragten), gefolgt von der Angst vor Souveränitätsverlust (19 %).
  • Die Bürger, die gegen die Verfassung gestimmt haben, taten dies in Frankreich (47 %) wie in den Niederlanden (28 %) in erster Linie mit Blick auf die wirtschaftliche und soziale Lage ihres Landes. Die Bürger, die ja zur Verfassung sagten (52 % bzw. 44 %), folgten dabei vor allem ihrer allgemeinen Einstellung zum europäischen Aufbauwerk.
  • Die Mitgliedschaft in der Union wird nahezu einhellig befürwortet: 88 % der Franzosen und 82 % der Niederländer halten sie für eine gute Sache, ebenso wie 83 % der Franzosen und 78 % der Niederländer, die gegen die Verfassung gestimmt haben.
  • Hingegen fällt das Bild, das sich der Bürger von den Europäischen Organen macht, differenzierter aus: 53 % der Franzosen, aber nur 31 % der Niederländer stehen ihnen positiv gegenüber.
  • Für die Mehrheit der Bürger soll das Nein die Neuverhandlung der Verfassung möglich machen, damit die sozialen Aspekte (62 % in Frankreich, 65 % in den Niederlanden) und die Interessen ihres Landes stärker berücksichtig werden (59 % in Frankreich, 66 % in den Niederlanden).
  • 75 % der Franzosen halten die Verfassung dennoch für unerlässlich, damit der weitere Aufbau Europas fortgesetzt werden kann. Diese Auffassung wird allerdings nur von 41 % der Niederländer geteilt.


Technische Anmerkung:
Frankreich: Flash Eurobarometer wurde von Europe / TNS Sofres am 30. und 31. Mai 2005 telefonisch unter 2015 Personen durchgeführt, die auf den Wählerlisten verzeichnet sind.

Niederlande: Flash Eurobarometer wurde von Europe / TNS Sofres vom 2. bis 4. Juni 2005 unter 2000 Personen durchgeführt, die auf den Wählerlisten verzeichnet sind.

     
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