Österreichs EU-Politik  

erstellt am
16. 06. 05

Schüssel vor EU-Gipfel: "Europa schützt und nützt uns"
Wien (bpd) - „Europa steckt nicht in der Krise, sondern hat eine Bewährungsprobe zu bestehen“, meinte Bundeskanzler Wolfgang Schüssel am Mittwoch (15. 06.) vor dem bevorstehenden EU-Gipfel. Er sprach sich dafür aus, den Ratifizierungsprozess der EU-Verfassung weiter zu führen. „Zwölf von 25 EU-Mitgliedsstaaten haben schon über die Verfassung entschieden, in den anderen Staaten steht eine Entscheidung noch bevor. Die weitere Vorgehensweise soll im Sinn der demokratischen Willensbildung vom Rat diskutiert werden“, so Schüssel.

In der Frage der Finanzvorschau der Jahre 2007-2013 sei Europa auf die Kooperation und die Bewegung aller Partner angewiesen. Der Bundeskanzler griff ein Wort von Tony Blair auf, der sich für ein „collective leadership“ ausgesprochen hatte. „Wir tragen eine gemeinsame Verantwortung, der sich kein Land entziehen kann“, so Schüssel. Zum Britenrabatt sagte er: „1985 erreichte Großbritannien wegen seiner wirtschaftlich schwachen Position die Gewährung eines Rabattes. Heute ist Großbritannien Netto-Zahler. Ich trete nicht dafür ein, dass ärmere Staaten den Britenrabatt mitfinanzieren sollen“, so Schüssel.

„Ich bin vorsichtig skeptisch, ob es zu einer Einigung kommen wird. Wir sind aber schon überraschend weit gekommen. Die Entscheidung über das letzte Budget fiel neun Monate vor dessen Inkrafttreten. Es gibt noch genügend Zeit, um zu einer zufrieden stellenden Lösung zu kommen“, meinte Schüssel. „Entscheidend ist, wie hoch die Rückflüsse aus dem EU-Budget für Transnationale Netze, Infrastruktur, Forschung, die Entwicklung des ländlichen Raumes und die Grenzregionen sind. Es geht nicht nur um Zahlen allein. Europa schützt und nützt uns. Wir müssen den Mehrwert der EU sichtbar machen“, sagte der Bundeskanzler.

Bei den hohen Ausgaben im Agrarsektor habe man sich bereits auf Einsparungsmaßnahmen geeinigt. „Die Landwirtschaft ist heute der einzige Bereich, der zur Gänze vergemeinschaftet ist. Das heißt, dass die Mittel auf europäischer Ebene vergeben werden. Wir haben die Chancen, die uns Europa gegeben hat, gut genützt. Von den bisherigen EU-Förderungen haben unter anderen 300.000 österreichische Bauern profitiert“, meinte Schüssel.

 

Kurswechsel in EU-Politik
Verzetnitsch fordert EU-Politik-Kurswechsel hin zu sozialem Europa mit mehr Beschäftigung – Staats- und Regierungschefs sollen Zeichen der Zeit erkennen!
Wien (ögb) - "Die Staats- und Regierungschefs sollen endlich die Zeichen der Zeit erkennen und einen Kurswechsel der EU Politik hin zu einem sozialen Europa einleiten", fordert der ÖGB-Präsident und Vizepräsident des Europäischen Gewerkschaftsbundes (EGB), Fritz Verzetnitsch, am Mittwoch (16. 06.), einen Tag vor EU-Gipfel in Brüssel. Der EGB-Vizepräsident erinnert die Staats- und Regierungschefs daran, "was sie selbst beschlossen haben: die Lissabon-Strategie, Wachstum, Beschäftigung, mehr und bessere Arbeitsplätze".

Die Menschen erleben ein anderes Europa als jenes, das ihnen von den verantwortlichen PolitikerInnen vorgezeichnet werde. Sie erleben, wie Manager sich für die größte Bankenfusion gegenseitig auf die Schulter klopfen, über die zu erwartende Gewinnsteigerung philosophieren und gleichzeitig "so nebenbei den Abbau Tausender Arbeitsplätze verkünden", so der ÖGB-Präsident. Verzetnitsch: "Es geht um Menschen in diesem Europa und nicht einseitig um Wachstum und Wirtschaft. Die Kreuzritter des Finanzkapitals dürfen hier keinen Platz haben."

Der EGB-Vizepräsident warnt davor, dass "eine Politik über die Köpfe der Menschen hinweg ins Desaster führen könnte. Vom vielbeschworenen Haus Europa würde dann eine Bruchbude übrig bleiben." Verzetnitsch spricht sich für einen "Neustart für ein soziales Europa" aus und fordert die Kehrtwende zu einer Politik "für und mit den Menschen." Dazu gehöre auch der Einklang zwischen nationaler und europäischer Politik. Als Beispiele nannte der ÖGB-Präsident das Verhalten von Bundesminister Bartenstein in der Sache Arbeitszeit- und Dienstleistungsrichtlinie. Verzetnitsch: "In Brüssel ist der Arbeits- und Wirtschaftsminister in der Gruppe der Hardliner einer neoliberalen Politik und in Österreich versichert er treuherzig, dass nichts davon umgesetzt wird."

Der ÖGB-Präsident forderte das Engagement von EU-Kommission und Regierungen der Mitgliedsstaaten ein. Verzetnitsch: "Bei der Einführung des Euro haben alle an einen Strang gezogen, bei mehr Wachstum und Beschäftigung gibt es Hunderte Ausreden." Und er warnte: "Wenn wir nicht endlich mehr und bessere Arbeitsplätze schaffen, werden sich die BürgerInnen mehr denn je von der EU abwenden."

Notwendig seien, so der EGB-Vizepräsident, "intelligente Strategien für die Modernisierung Europas und den Erhalt der sozialen Sicherheit". "Wir brauchen mehr Investitionen in Schulung und Berufsausbildung sowie wirksame Strategien für ein lebensbegleitendes Lernen." Verzetnitsch weiter: "Wer glaubt, dass man mittels Lohnkürzungen und Sozialdumping mit den Billiglohnländern konkurrieren kann, hängt einer gefährlichen Illusion nach. Unsere Chance ist die Qualität und dazu brauchen wir Forschung und Entwicklung sowie ein modernes Bildungssystem."

 

 Bartenstein weist Verzetnitsch Vorwürfe aufs Schärfste zurück
ÖGB-Präsident hat Kok-Bericht vollinhaltlich zugestimmt
Wien (bmwa) - Wirtschafts- und Arbeitsminister Dr. Martin Bartenstein weist die Vorwürfe von ÖGB-Präsident Verzetnitsch gegen die Bundesregierung und insbesondere seine Person am Mittwoch (16. 06.) in aller Deutlichkeit zurück. Wenn jemand in Brüssel eine andere Sprache spreche als in Österreich, so sei dies Verzetnitsch selbst. Bartenstein erinnerte daran, dass der ÖGB-Präsident als Mitglied der 13-köpfigen Kok-Gruppe der sofortigen Realisierung eines Dienstleistungsbinnenmarktes zugestimmt habe.

Wörtlich heißt es zum Beispiel in den Empfehlungen der Kok-Gruppe, die von Verzetnitsch mit beschlossen wurden und von dem er in Wien nichts mehr wissen möchte: "Das Europäische Parlament und der Rat sollten sich auf Rechtsvorschriften einigen, um dem freien Dienstleistungsverkehr entgegenstehende Hindernisse bis Ende 2005 zu beseitigen …. die Kommission sollte die Durchsetzung dieser Forderung als Priorität behandeln."

Zu dem Vorwurf, Bartenstein sei bezüglich Arbeitszeitflexibilisierung in einer Gruppe der Hardliner einer neoliberalen Politik, betonte der Wirtschaftsminister, dass er sich bei der Forderung nach einer Umsetzung der Arbeitszeitrichtlinie mit "neoliberalen" Vertretern einer rot-grünen Regierung in Deutschland und einer Labour-Regierung in Großbritannien in guter Gesellschaft wisse. Diesen sei offensichtlich bewusst, dass man mit mehr Flexibilität am Arbeitsmarkt mehr für Wachstum und Beschäftigung tun könne, als mit den uralt-Rezepten des ÖGB von Beharren und Verhindern, sagte Bartenstein.

 

Haider: Junckers` Eingeständnis des Scheiterns bestätigt BZÖ-Position
Jetzt weiter Stärke zeigen und geschickt verhandeln Klagenfurt
Klagenfurt (bzö) - "Die EU-Finanzverhandlungen sind vorerst gescheitert nun gerät alles in Bewegung." Mit diesen Worten kommentierte Bündnisobmann Jörg Haider am Mittwoch (16. 06.) die Meldung des EU-Ratspräsidenten Juncker, dass es keine Einigung im Finanzstreit gebe.

Mit diesem Eingeständnis des Scheiterns hätten jene politischen Kräfte recht bekommen, die keine weiteren Nachteile für ihre Länder akzeptieren wollten. In Österreich sei dies das BZÖ, welches durch den Druck auf BK Schüssel eine fragliche Einigung mit höheren Nettobeiträgen verhindert habe.

Haider betonte, dass es gerade jetzt gelte, weiter Stärke zu zeigen und für Österreich in weiteren Verhandlungsrunden ein Maximalergebnis zu erzielen. "Nun ist alles in Bewegung. Wenn wir jetzt geschickt verhandeln, können wir für Österreich viel erreichen." Haider nannte als Beispiele die Förderungen für die Landwirtschaft oder die Infrastruktur. Der Bündnisobmann: "Österreich muss danach trachten, bei den Förderungen nicht schlechter gestellt zu werden und gleichzeitig höhere Beiträge an Brüssel verhindern. Das ist das Ziel."
     

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vertretenen Parteien – sofern vorhanden! Die Redaktion

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