Österreichs EU-Präsidentschaft 2006
mit schwerwiegenden Aufgaben
 

erstellt am
21. 06. 05

Wien (öj-red) - Nach dem ziemlich tief sitzenden Schock, den die Ablehnung der EU-Verfassung durch Franzosen und Niederländer in den Regierungen der Mitgliedsstaaten ausgelöst haben, sah man mit gemischten Gefühlen nach Brüssel, wo am 16. und 17. Juni die Tagung des Europäischen Rates abgehalten wurde.

Mit gemischten Gefühlen deshalb, weil die Hoffnung auf eine gütliche Einigung auf das EU-Budget für die Jahre 2007-2013 schon mehr als gering war. Der derzeitige EU-Ratspräsident, Luxemburgs Regierungschef Jean-Claude Juncker, hatte schon im Vorfeld erklärt, er sei sicher, dass die finanzielle Vorausschau (EU-Budget) auf diesem Gipfel nicht durchzukriegen sein werde. Immerhin ging es darum, dass die EU-Kommission für ihren Haushalt eine Erhöhung der Beiträge gefordert hatte, die Einigung aber - vor allem - an zwei unverrückbaren Standpunkten gescheitert ist: Frankreich und Großbritanniern wollten von ihren Forderungen nach nachhaltigen Änderungen "Agrarbudget versus Britenrabatt" nicht abrücken.

Und Juncker sollte Recht behalten, das Budget muß neu verhandelt werden. Es ist auszuschließen, daß Premier Tony Blair (der soeben laut über eine neue Ausrichtung Europas nachdenkt) während des Ratsvorsitzes von Großbritannien ab 1. Juli diees Jahres eine Einigung mit Frankreichs Präsident Jacques Chirac finden wird. Also schaut "man" gespannt nach Österreich, das von 1. Jänner bis 30. Juni 2006 den Ratsvorsitz innehaben wird. Über diese sechs Monate werden Bundeskanzler und die Mitglieder der Bundesregierung eine wesentliche Rolle bei der Organisation der Arbeiten der Institution spielen, insbesondere Impulsgeber bei Gesetzgebung und im politischen Entscheidungsprozeß sein. Von Wien aus werden dann Einberufung, Vorbereitung und Leitung aller Sitzungen wahrgenommen. Dem Bundeskanzler selbst kommt die Rolle zu, auch den Vorsitz in den zahlreichen Arbeitsgruppen zu führen und Kompromisse auszuarbeiten.

Und gerade Letzteres wird Österreich vor eine weit über Europa hinausgehende politische Herausforderung stellen. Denn nicht genug damit, daß die mittlerweile allumfassende Frage "EU-Verfassung: Ja, anders oder überhaupt neu?" aus praktisch jedem der 25 Mitgliedsländer - wenn überhaupt mit einer Stimme - mit unterschiedlichen Vorstellungen beantwortet wird, geht es jetzt auch noch darum, eine Einigung in der eben gescheiterten Budgetfrage herbeizuführen. Aber auch weitere brisante Themen harren einer Lösung: Wie wird mit der EU-Erweiterung weiter zu verfahren sein? Schließlich rechnen Kroatien, Rumänien und Bulgarien aufgenommen zu werden. Welche Antwort wird die Türkei erhalten? Wird sie EU-Mitglied oder nur privilegierter Partner? Lösungen scheinen derzeit entfernter als noch vor wenigen Wochen. Da muten Beratungen über die heftig umstrittene Dienstleistungsrichtlinie oder die Chemikalien-Verordnung bald schon als eher leichte Übung an.

Anfang Jänner 2006 jedenfalls wird Österreich im EU-Parlament sein Arbeitsprogramm vorstellen und mit den Parlamentariern die politischen Themenschwerpunkte definieren. Die Herausforderungen sind hoch, die ganze Welt wird dann über sechs Monate mit wohl größerem Interesse auf unser kleines Land schauen, als sie es sonst tut. (mm)
     
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