Binnenmarkt: EU-Kommission mahnt bei 13 Mitglied- staaten Umsetzung von EU-Rechtsvorschriften an   

erstellt am
04. 08. 05

Brüssel (europarl) - Die Europäische Kommission hat beschlossen, gegen 13 Mitgliedstaaten Vertragsverletzungsverfahren einzuleiten, weil sie eine oder mehrere von acht verschiedenen Binnenmarktrichtlinien nicht in das innerstaatliche Recht umgesetzt haben. Die Kommission wird Belgien, die Tschechische Republik, Estland, Griechenland, Italien, Lettland, Luxemburg, die Niederlande, Portugal, die Slowakei, Spanien, Schweden und das Vereinigte Königreich auffordern, die erforderlichen Rechtsvorschriften in insgesamt 25 Fällen umzusetzen, die Richtlinien über die zusätzliche Beaufsichtigung von Finanzkonglomeraten, die Sanierung und Liquidation von Kreditinstituten, die Tätigkeit von E-Geld-Instituten, Rechnungslegungs- vorschriften, Liquidation von Versicherungen, Lebensversicherungen, Postdienstleistungen und Zugangskontrolldienste betreffen. Diese Aufforderungen erfolgen in Form von "mit Gründen versehenen Stellungnahmen", der zweiten Stufe des Vertragsverletzungsverfahrens nach Artikel 226 EG-Vertrag. Falls innerhalb von zwei Monaten keine zufriedenstellende Antwort eingeht, kann die Kommission den Gerichtshof anrufen.

Zusätzliche Beaufsichtigung von Finanzkonglomeraten: Belgien, Griechenland, Luxemburg, die Niederlande, Portugal, Schweden, die Tschechische Republik und Lettland
Die Europäische Kommission hat acht Mitgliedstaaten – Belgien, Griechenland, Luxemburg, den Niederlanden, Portugal, Schweden, der Tschechischen Republik und Lettland – mit Gründen versehene Stellungnahmen wegen der Nichtumsetzung der Richtlinie 2002/87/EG über die zusätzliche Beaufsichtigung von Kreditinstituten, Versicherungsunternehmen und Wertpapierfirmen eines Finanzkonglomerats bis August 2004 übermittelt. Finanzkonglomerate sind branchenübergreifende Finanzgruppen, die sowohl im Bank-/Wertpapierdienstleistungbereich als auch im Versicherungsbereich tätig sind. Diese Richtlinie sieht besondere Maßnahmen für die Beaufsichtigung dieser Finanzgruppen vor, um deren finanzielle Solidität und Solvenz zu gewährleisten. Wenn sie von allen Mitgliedstaaten umgesetzt ist, wird die Richtlinie den Verbrauchern, Einlegern und Anlegern in der Europäischen Union zugute kommen, da sie die Effizienz der Finanzmärkte fördert und den Wettbewerb verstärkt. Die Richtlinie war eine vorrangige Maßnahme im Rahmen des Aktionsplans für Finanzdienstleistungen.

Sanierung und Liquidation von Kreditinstituten: Griechenland, Portugal, Schweden und Tschechische Republik
Die Kommission hat beschlossen, Griechenland, Portugal, Schweden und der Tschechischen Republik mit Gründen versehene Stellungnahmen wegen der Nichtumsetzung der Richtlinie 2001/24/EG über die Sanierung und Liquidation von Kreditinstituten zu übermitteln. Die Richtlinie sieht vor, dass der Liquidationsprozess im Falle der Insolvenz eines Kreditinstituts mit Zweigstellen in verschiedenen Mitgliedstaaten im Rahmen eines einzigen Insolvenzverfahrens in dem Mitgliedstaat durchgeführt wird, in dem das Kreditinstitut seinen eingetragenen Sitz hat (dem Herkunftsmitgliedstaat), und einem einzigen Insolvenzrecht unterliegt, dem des Herkunftsmitgliedstaats. Solange die Richtlinie nicht von allen Mitgliedstaaten vollständig umgesetzt ist, besteht die Gefahr von Rechtskonflikten und die Gleichbehandlung der Gläubiger in den verschiedenen Mitgliedstaaten ist nicht gewährleistet.

Tätigkeit von E-Geld-Instituten: Estland
Die Kommission hat der Republik Estland eine mit Gründen versehene Stellungnahme wegen der Nichtumsetzung der Richtlinie 2000/46/EG über die Aufnahme, Ausübung und Beaufsichtigung der Tätigkeit von E-Geld-Instituten übermittelt. Die Richtlinie koordiniert die Bedingungen für die Ausübung der Tätigkeit von E-Geld-Instituten und schafft eine besondere Aufsichtsregelung, die deren finanzielle Integrität und soliden Betrieb gewährleisten soll. Sie schafft somit gleiche Wettbewerbsbedingungen für die Wirtschaftsteilnehmer in diesem Bereich zum Nutzen der Inhaber elektronischen Gelds in allen Teilen der EU.

Rechnungslegungsvorschriften: Griechenland, Belgien, Spanien, Italien, die Niederlande, das Vereinigte Königreich und Luxemburg
Die Kommission hat beschlossen, Griechenland, Belgien, Spanien, Italien, den Niederlanden, dem Vereinigten Königreich und Luxemburg eine mit Gründen versehene Stellungnahme zu übermitteln und sie aufzufordern, die Richtlinie 2003/51/EG in das innerstaatliche Recht umzusetzen. Diese Mitgliedstaaten hatten auf das im März 2005 versandte Aufforderungsschreiben nicht geantwortet oder eine unzureichende Antwort gegeben.

Die Richtlinie 2003/51/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 18.6.2003 ändert die Richtlinien 78/660/EWG, 83/349/EWG, 86/635/EWG und 91/674/EWG über den Jahresabschluss und konsolidierten Abschluss von Gesellschaften bestimmter Rechtsformen, von Banken und anderen Finanzinstituten sowie von Versicherungsunternehmen. In diesen Richtlinien wird festgelegt, welche Arten von Unternehmen Abschlüsse vorzulegen haben, welche Gliederung bei der Gewinn- und Verlustrechnung und der Bilanz zu verwenden ist und welche Bewertungsgrundsätze anzuwenden sind. Die Richtlinien enthalten auch Vorschriften zur Veröffentlichung der Abschlüsse.

Die im Juni 2002 verabschiedete IAS-Verordnung schreibt vor, dass alle auf einem geregelten Markt – beispielsweise einer Börse – notierten EU-Unternehmen ab 2005 die IAS anzuwenden haben und gibt den Mitgliedstaaten die Möglichkeit, diese Vorschrift auf alle Unternehmen auszuweiten.

Werden die IAS nicht angewandt, so bilden die Vierte und die Siebente Gesellschaftsrechtsrichtlinie (78/660/EWG und 83/349/EWG) – auch bekannt als die Rechnungslegungsrichtlinien weiter die Grundlage der EU-Rechnungslegungsvorschriften und könnten somit weiter für bis zu 5 Millionen Unternehmen in Europa anwendbar sein. Sie bedürfen der Aktualisierung.

Durch die Richtlinie 2003/51/EG wurden die EU-Rechnungslegungsvorschriften mit modernen Rechnungslegungstheorien und –praktiken in Einklang gebracht. Sie ermöglicht Mitgliedstaaten, die die IAS nicht auf alle Unternehmen anwenden, den Übergang zu einer ähnlichen qualitativ hochwertigen Rechnungslegung. Somit wurden alle Unvereinbarkeiten mit den „International Accounting Standards” (IAS) beseitigt.

Richtlinie über die Sanierung und Liquidation von Versicherungsunternehmen: Tschechische Republik
Die Europäische Kommission hat beschlossen, der Tschechischen Republik wegen der Nichtmitteilung einzelstaatlicher Maßnahmen zur Umsetzung der Richtlinie 2001/17/EG über die Sanierung und Liquidation von Versicherungsunternehmen („der Liquidationsrichtlinie”) eine mit Gründen versehene Stellungnahme zu übermitteln. Nach dieser Richtlinie muss der Liquidationsprozess, wenn ein Versicherungsunternehmen mit Niederlassungen in anderen Mitgliedstaaten insolvent wird, im Rahmen eines einzigen Insolvenzverfahrens in dem Mitgliedstaat, in dem es seinen eingetragenen Sitz hat, durchgeführt werden. Die Richtlinie gewährleistet in diesem Fall den Schutz der Versicherungsnehmer. Die Tschechische Republik hatte die Richtlinie bis zum Beitrittstermin, dem 1. Mai 2004, umzusetzen.

Neufassung der Lebensversicherungsrichtlinie: Vereinigtes Königreich
Dem Vereinigten Königreich wurde eine mit Gründen versehene Stellungnahme wegen der Nichtmitteilung von Maßnahmen zur Umsetzung der Bestimmungen in Artikel 69 Absatz 1 der Neufassung der Lebensversicherungsrichtlinie 2002/83/EG bezüglich des Gebiets von Gibraltar in das innerstaatliche Recht übermittelt. Artikel 69 Absatz 1 war bis zum 15. Juni 2004 umzusetzen. Gesetzgeberische Maßnahmen zur Gewährleistung der Umsetzung der einschlägigen Vorschriften im Vereinigten Königreich und in Nordirland wurden der Kommission im Februar 2005 mitgeteilt. Das Vereinigte Königreich hat nicht bestritten, dass die Vorschrift auch in Gibraltar umgesetzt werden muss, und hat darauf hingewiesen, dass der gesetzgeberische Prozess im Gange ist. Der Kommission wurden jedoch keine Umsetzungsvorschriften in Bezug auf Gibraltar mitgeteilt.

Postdienstleistungen: Estland
Die Kommission hat eine an die Behörden Estlands gerichtete mit Gründen versehene Stellungnahme verabschiedet, nachdem diese die Richtlinie 2002/39/EG im Hinblick auf die weitere Liberalisierung des Marktes für Postdienste in der Gemeinschaft nicht rechtzeitig umgesetzt hatten. Die Kommission räumt ein, dass die Behörden Estlands aktive Schritte zur Umsetzung der Richtlinie in das innerstaatliche Recht unternehmen, bedauert aber die Verzögerung bei der Verabschiedung einzelstaatlicher Rechtsvorschriften insbesondere, weil die Reform der Postdienste eines der Kernelemente der Lissabonner Strategie ist.

Richtlinie 98/84/EG über den rechtlichen Schutz von zugangskontrollierten Diensten und von Zugangskontrolldiensten: die Republik Lettland und die Slowakische Republik

Die Kommission hat beschlossen, der Republik Lettland und der Slowakischen Republik mit Gründen versehene Stellungnahmen wegen der Nichtmitteilung der Maßnahmen zur Umsetzung der Richtlinie 98/84/EG über Zugangskontrollen in das innerstaatliche Recht zu übermitteln. Diese beiden Mitgliedstaaten mussten diese Maßnahmen bis zum 1. Mai 2004, dem Datum ihres Beitritts zur Europäischen Union, mitteilen.

Diese beiden Staaten haben nun zwei Monate Zeit, um ihren Verpflichtungen nachzukommen. Wenn die Antwort nach Ablauf dieser Frist immer noch unzureichend ist, kann die Kommission den Gerichtshof anrufen.
     
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