Erec statt Nibelungen  

erstellt am
12. 08. 05

GermanistInnen der Universität Salzburg untersuchten Stift Zwettler Handschriftenfragmente
Innsbruck (universität) - Auch ein Stück vom Nibelungenlied sei dabei! So vermutete Charlotte Ziegler, Bibliothekarin und Archivarin im niederösterreichischen Zisterzienser Stift Zwettl, zu den Handschriftfragmenten, die sie bereits vor rund fünf Jahren bei Katalogisierungsarbeiten gefunden hatte.

Andererseits gehören einige der Pergamentstücke, so erkannte die Stiftsbibliothekarin, in den Stoffkreis des „Erec“. Letzteres wird nun durch die Salzburger AltgermanistInnen Margarete Springeth und Ulrich Müller bestätigt. Allerdings handle es sich hier um eine Fassung des Artus-Romans, die nicht der uns bekannten Version des Hartmann von Aue entspricht. „Nibelungisches“ konnten die beiden Nibelungenlied-ExpertInnen der Universität Salzburg in den auf Grund von Leimspuren teilweise extrem schwer lesbaren Fragmenten nicht entdecken.

Die auf Pergament geschriebene mittelalterliche Handschrift war später zur Verstärkung des Rückens eines umfangreichen Folianten verwendet und in den 1960er Jahren dann wieder herausgelöst worden. Seither zusammen mit anderer „Makulatur“ in einer Schachtel aufbewahrt, hatte Charlotte Ziegler die Reste entdeckt und untersucht. Als sie 2003 ihre Ergebnisse einer breiteren Öffentlichkeit vorlegte, war das Medieninteresse sehr groß. Vor allem in den deutschsprachigen Medien wurde die Frage „Nibelungenlied, ja oder nein?“ intensiv diskutiert. Auch Springeth und Müller wurden in dieser Auseinandersetzung als Auskunftspersonen herangezogen. Ihre Meinung damals: Bevor über die Nibelungenlied-Hypothese zuverlässig diskutiert werden kann, müssten die Fragmente noch einmal genau untersucht werden.

Nun legten Margarete Springeth und Charlotte Ziegler erstmalig eine unter Mitarbeit von Kurt Gärtner (Universität Trier) und Ulrich Müller entstellte Edition der Textfragmente vor. Sie enthält eine Transkription der Textstücke samt Beschreibung und damit eine verlässliche Textgrundlage für weitere Untersuchungen. Publiziert wurde der Beitrag in Heft Nummer 127, 2005/1, der angesehenen Fachzeitschrift „Geschichte der deutschen Sprache und Literatur“, die im Verlag Max Niemeyer, Tübingen herauskommt.

Wie Müller betont, konnten sich die Autorinnen und Mitautoren des Beitrags zwar auf die kodikologische-palaeographische Beschreibung der Fragmente einigen. Was die inhaltliche Deutung betrifft gibt es bisher keine Einigung. Charlotte Ziegler wird ihre Sicht der Stift Zwettler Fragmente demnächst in einer eigenen Publikation darlegen, wobei sie sich zusätzlich auf neue fototechnische Ergebnisse stützt.
     
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