Österreicher gewöhnen sich an den Euro  

erstellt am
06. 10. 05

Annäherung zwischen wahrgenommener und gemessener Inflation zeigt verbessertes Preisverständnis
Wien (oenb) - „Die Bevölkerung nimmt wieder eine Inflationsrate wahr, die ungefähr der tatsächlich gemessenen, amtlichen Inflation entspricht.“ Dies geht aus einer von der Oesterreichischen Nationalbank in Geldpolitik & Wirtschaft veröffentlichten Studie zum Thema „Wahrgenommene Inflation in Österreich“ hervor. In den ersten acht Monaten des Jahres 2005 betrug die gemessene Inflationsrate im Monatsdurchschnitt 2,2% und die wahrgenommene Inflation 2,9%; der Abstand hat sich damit gegenüber den Vorjahren deutlich verringert. Der noch bestehende Unterschied dürfte insbesondere auf die hohen Benzin- und Ölpreise zurückzuführen sein.

Im Zuge der Euro-Bargeldumstellung entwickelten sich in Österreich, wie auch in vielen Ländern des Euroraums, die amtlich gemessene Inflation und die Inflation, die laut Umfragen von der Bevölkerung wahrgenommen wurde, deutlich auseinander. Trotz niedriger amtlicher Inflationsraten nahmen die Österreicher zeitweise um eine bis zu 1,9 Prozentpunkte höhere Inflationsrate wahr. Die beiden OeNB-Ökonomen Manfred Fluch und Helmut Stix gehen der Frage nach, warum die Inflationsdaten der amtlichen Statistik und das Preisempfinden derart stark abweichen konnten. Sie führen dies vor allem auf vier Gründe zurück.

Erstens basiert die Einschätzung der Bevölkerung über die Preisentwicklung hauptsächlich auf häufig gekauften Gütern. Die Preissteigerungen waren bei letzteren tatsächlich überdurchschnittlich. So erhöhten sich von 2001 bis 2004 die Preise eines Mikrowarenkorbs aus 19 täglich gekauften Gütern mit jährlich 3,3% deutlich stärker als der gesamte Verbraucherpreisindex (+2,0% jährlich), der rund 800 Produkte umfasst. Überdies werden, so zeigen neue Theorien zur Inflationswahrnehmung, Preisanstiege deutlicher wahrgenommen als Preissenkungen. Im Gegensatz dazu, misst die amtliche Statistik die Preisentwicklung eines umfassenden Warenkorbs, in dem sich auch selten gekaufte Güter und Dienstleistungen befinden. Zudem werden Preissteigerungen und -senkungen neutral bewertet.

Zweitens wird die Inflationswahrnehmung dadurch verzerrt, dass viele Menschen mittlerweile „alte“ (fast vier Jahre zurückliegende) Schilling-Preise mit aktuellen Europreisen vergleichen. Die von den Österreichern vielfach angewandte Umrechnung von 1 EUR = 14 ATS hat diesen Effekt verstärkt.

Drittens spielen vorgefasste Meinungen eine Rolle: Im November 2001 gingen 52% der Österreicher von steigenden Preisen aus. Teuerungen wurden daher auch deshalb wahrgenommen, weil schon vor der Eurobargeldeinführung die Überzeugung bestand, dass es solche geben werde.

Viertens dürfte auch der vorübergehende Wegfall von Signalpreisen die höhere empfundene Teuerung beeinflusst haben. Endeten im Februar 2001 noch rund 90% der Preise mit 00, 50, 90 oder 99, sank dieser Anteil infolge der genauen Umrechnung und doppelten Preisauszeichnung im Februar 2002 auf rund 20%. Die dadurch entstehenden „krummen Preise“ störten das Preisverständnis erheblich. Im Mai 2005 lag der Anteil derartiger Preise aber wieder annähernd so hoch wie vor der Eurobargeld-Einführung.

Die zunehmende Gewöhnung an den Euro und das verbesserte Preisverständnis spiegeln sich in der Annäherung der wahrgenommenen und amtlichen Inflation wider. Dies ist auch deshalb wichtig, damit sich eine überhöhteInflationswahrnehmung nicht in höheren Inflationserwartungen verfestigt.

Wie die beiden Autoren weiters zeigen, traten Abweichungen zwischen der wahrgenommenen Inflation und der gemessenen Inflationsrate nicht nur im Zuge der Euro-Bargeldeinführung auf. Zum Beispiel blieb die Inflationswahrnehmung unmittelbar nach dem EU-Beitritt Österreichs unter der amtlichen Inflationsrate, was mit der Erwartung sinkender Preise durch die Teilnahme am Binnenmarkt zu erklären war.
     
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