Verhandler in heiklen Fällen  

erstellt am
21. 10. 05

Im Bundeskriminalamt wurden 37 Polizeibeamte zu Verhandlern ausgebildet. Sie kommen bei heiklen Anlässen zum Einsatz.
Wien (bmi) - Bundeskriminalamt-Direktor Dr. Herwig Haidinger überreichte Dekrete an 37 Beamte, die eine vierwöchige Ausbildung zu "Verhandlern" absolvierten. Die Beamten werden die fünf Verhandlungsgruppen in Österreich verstärken, deren Mitarbeiterstand sich jetzt auf 102 erhöht. Die fünf Verhandlungsgruppen sind in Wien, Ost (NÖ, B), Süd (ST, K), Mitte (S, OÖ,) und West (T, V). Sie werden von Polizeioffizieren geleitet. An der Ausbildung nahmen auch
zwei Polizeioffiziere aus Tschechien und zwei Schweizer Kriminalbeamte teil.

Mit Dekreten ausgezeichnet wurden die Verhandlungsgruppenleiter Oberst Josef Holzberger, Oberst Gerhard Trummer, Major Josef Kerbl sowie die VG-Trainer Dr. Manfred Krampl, Manfred Hirnschrodt, Ernst Hoffmann und Gerhard Bauer.

Verhandler machen ihre Tätigkeit zusätzlich zu ihren "normalen" dienstlichen Aufgaben.

Nach einer weltweiten Zunahme von Geiselnahmen, Entführungen und vor allem terroristischen Gewalttaten wurden im Jahre 1989 auch in Österreich Verhandlungsgruppen gegründet. Die Ausbildung wurde an vorhandene Strukturen und Muster im Ausland (USA – FBI und BRD) angelehnt. Verhandlungsgruppen dienen dazu, in einer gewaltsamen Konfliktlage zu intervenieren. Sie werden vor allem bei Vorkommnissen, wie

  • Geisellagen
  • Verbarrikadierungslagen
  • Entführungsfällen
  • Herausragenden Erpressungen
  • angedrohter öffentlicher Suizid

einberufen. Es ist der Versuch einer gewaltfreien Lagebewältigung und der Prämisse der Risikominimierung für alle Beteiligten. Dabei wichtig sind, die Lageerfassung, die Analyse der Gefährdung und der Weg der kleinen Schritte. Das Ziel wird daher kurzfristig immer neu justiert. Hintergrund ist daher nicht von die Überlistung eines Täters oder die psychische Zermürbung bis zur Aufgabe, sondern der Versuch eine kommunikative Basis aufzubauen und dabei mit dem Täter zu einem Konsens darüber zu kommen, wie die Lage – zum Vorteil aller Beteiligten – am besten gewaltfrei beendet werden kann.

Diese Konzeption ist eine der Möglichkeiten eine derartige Lage zu beenden. Andere Konzeptionen wie beispielsweise der gewaltsame Zugriff durch eine Spezialeinheit bleiben davon unberührt. Die Entscheidung über die Konzeption hat immer die Einsatzleitung und ist die Verhandlungsgruppe eine der untergeordneten, zur Verfügung stehenden Einheiten bei derartigen Einsätzen.

Anforderungen an einen Verhandler
Verhandler werden aus allen Bereichen der Exekutive (uniformierte Kräfte, Kriminaldienst, Technik usw.) rekrutiert. Eine Vorauswahl wird von den einzelnen Leitern der Verhandlungsgruppen getroffen.

  • Sie benötigen eine gute Stressresistenz, weil Verhandlungslagen, bei denen es oft um Menschenleben geht und die oft Stunden oder gar Tage andauern, nur zu bewältigen sind, wenn man die eigenen Stressreaktionen kennt und gelernt hat sie zu beherrschen und zu bewältigen.
  • Sie benötigen eine gute Kommunikationsfähigkeit, weil es sowohl im Gespräch mit dem "Täter" oder "Betroffenen" darauf ankommt gut zu kommunizieren, als auch bei der Absprache im Team oder mit anderen Einsatzeinheiten. Flexibilität, Schlagfertigkeit, gut zuhören können, sind dabei Grundvoraussetzungen.
  • Sie brauchen eine hohe "soziale Kompetenz" – die Fähigkeit die eigenen Bedürfnisse unter Berücksichtigung der Bedürfnisse der Anderen durchzusetzen. Dies ist eine Grundlage für die Teamfähigkeit aber auch eine Grundlage für die "Offenheit" mit der einem "Täter" oder "Betroffenen" gegenüber getreten werden muss. Nur wenn der Verhandler seine eigene Person mit Bewertungen und Urteilen zurückstellen kann, ist er in der Lage sich auf den Anderen voll einzulassen.
  • Sie brauchen "psychische Stabilität" und ein "starkes Selbstbewusstsein". Dies ist wichtig für die Teamfähigkeit, da sich hier jeder unterordnen können muss. Weiters muss jedes Mitglied eigene Grenzen klar erkennen und müssen diese im Team ohne Gesichtsverlust geäußert werden dürfen.
  • Sie brauchen ein gutes "Rollenbewusstsein" und es muss jedem Verhandler klar sein, dass die Verhandlungsgruppe nur ein Teil der Gesamtorganisation bei einem derartigen Einsatz ist. Entscheidungen im Team oder von der Einsatzleitung, die gegen die eigene Überzeugung getroffen werden sind zu akzeptieren und die geforderte Konzeption ist umzusetzen.
  • Sie müssen Analyse des Verhandlungspartners vor der Verhandlung durchführen. Z.B. Welche Positionen und welche Motive hat der Verhandlungspartner? Welche Verhandlungsinhalte erwartet der Verhandlungspartner?
  • Sie müssen analytische Zuhören ein, sie müssen die Sprache Ihres Verhandlungspartners analysieren und sie müssen die Körpersprache Ihres Verhandlungspartners analysieren.



Ausbildung
Die Ausbildung wird von den Verhandlungsgruppenleitern und den beiden Trainern durchgeführt und geht über einen Zeitraum von vier Wochen. Dabei werden insbesondere taktische, psychologische und technische Inhalte gelehrt und sehr viel Augenmerk auf praktische Sprechübungen gelegt. Lehrinhalte sind insbesondere Kommunikation, Wahrnehmung, Stress, Konfliktbewältigung, Psychiatrie und Persönlichkeit, Krisenintervention, Taktik, Analyse, Technik. Dabei wird besondere Aufmerksamkeit auf die "Umsetzung in der Praxis" gelegt und geht es hier nicht nur um theoretischen Input sondern um Zusammenspiel von Theorie und Praxis. Das persönliche Kennen der Mitglieder der einzelnen Verhandlungsgruppen anderer Bundesländer gleicht die unterschiedlichen Erfahrungen in den Einsätzen aus; das gegenseitige Unterstützen von Verhandlungsgruppen ist dadurch optimal gewährleistet.

     
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