Zukunftsfondsgesetz lässt Emotionen hochgehen  

erstellt am
20. 10. 05

Aus bisheriger Konsensmaterie wurde Konfliktstoff
Wien (pk) - In den frühen Morgenstunden des Donnerstags (20. 10.) gingen im Nationalrat die Emotionen hoch. Auf der Tagesordnung stand das Zukunftsfondsgesetz, das die Verwendung der nicht beanspruchten Mittel des Versöhnungsfonds regelt.

Abgeordnete Mag. LAPP (S) erläuterte, von den Mitteln des Österreichischen Versöhnungs- fonds zur Entschädigung von Zwangsarbeitern während der NS-Zeit seien ca. 100 Mill. Euro übrig geblieben. Rund 30 Mill. Euro davon sollen ihr zufolge den Partnerorganisationen des Versöhnungsfonds für humanitäre Zwecke zur Verfügung gestellt werden. Weitere 25 Mill. Euro sind für die Dotierung einer Stipendienstiftung, 20 Mill. Euro für die Dotierung eines Zukunftsfonds vorgesehen. Lapp bedauerte, dass weder in der Stipendienstiftung noch im Zukunftsfonds Parlamentarier vertreten sein werden.

Abgeordnete Dr. BAUMGARTNER-GABITZER (V) bedankte sich bei Ludwig Steiner und Richard Wotava für deren Arbeit im Österreichischen Versöhnungsfonds und betonte, die Arbeit des Fonds habe Österreich zur Ehre gereicht. Die Stipendienstiftung soll ihr zufolge insbesondere Nachkommen von NS-Zwangsarbeitern bzw. Personen aus den häufigsten Herkunftsländern der Zwangsarbeiter zugute kommen. Die Mittel des Zukunftsfonds sollten für wissenschaftliche Projekte zur Verfügung stehen. Sie hätte in Bezug auf das vorliegende Gesetz gerne einen Konsens mit SPÖ und Grünen erzielt, sagte Baumgartner-Gabitzer, dazu habe der Opposition aber die Kompromissfähigkeit gefehlt.

Abgeordnete Mag. STOISITS (G) erinnerte Bundeskanzler Schüssel an dessen Zusage, wonach er in Bezug auf die gesetzlichen Rahmenbedingungen für die Verwendung der Restmitteln des Versöhnungsfonds das Einvernehmen im Parlament suchen werde. Sie warf Schüssel vor, dieses Versprechen gebrochen zu haben. Stoisits bedauerte dies umso mehr, als, wie die Abgeordnete skizzierte, alle im Parlament seit dem Amtsantritt der Regierung Schüssel verabschiedeten Gesetze, die sich mit der Aufarbeitung der österreichischen Geschichte beschäftigt haben, einstimmig beschlossen wurden.

Stoisits brachte einen Abänderungsantrag zum Gesetzentwurf ein. Unter anderem will sie verhindern, dass das Parlament bzw. Parlamentarier aus sämtlichen Gremien der Stipendienstiftung und des Zukunftsfonds ausgeschlossen bleiben.

Abgeordneter SCHEIBNER (F) äußerte Bedauern darüber, dass in Bezug auf das vorliegende Gesetz keine Einigung zwischen den vier Fraktionen zustande gekommen sei. Er machte dafür die Opposition verantwortlich. Dass keine Parlamentarier im Kuratorium des Zukunftsfonds vertreten sind, begründete Scheibner damit, dass man für eine entsprechende Bestimmung eine Zwei-Drittel-Mehrheit benötigt hätte, für die die Opposition jedoch nicht habe gewonnen werden können. Massive Kritik übte Scheibner am Vorsitzenden des Verfassungsausschusses des Nationalrats, Peter Wittmann.

Abgeordneter Dr. WITTMANN (S) wertete die Kritik Scheibners als "gespielte Empörung", die fehl am Platz sei. Seiner Meinung nach wäre es einfach gewesen, einen Konsens über die Einrichtung des Zukunftsfonds und der Stipendienstiftung zu erzielen, wenn man sich, was die Verwendung der Restmittel betrifft, an den Formulierungen des Versöhnungsfondsgesetzes orientiert hätte. Die Koalition habe jedoch absichtlich neue Barrieren aufgebaut, zeigte sich Wittmann überzeugt.

Gänzlich unverständlich ist es für Wittmann zudem, wie er sagte, dass der Nationalrat aus allen Gremien des Zukunftsfonds und der Stipendienstiftung ausgeschlossen wird. Eine Verfassungsbestimmung wäre ihm zufolge nur dann notwendig gewesen, wenn man dem Nationalratspräsidenten oder dem Hauptausschuss des Nationalrats zusätzliche Befugnisse übertragen hätte.

Abgeordnete Dr. FEKTER (V) appellierte an die Opposition, angesichts der Würde dieses Gesetzes die Debatte sachlich zu führen. Der SPÖ warf sie vor, die Verfassungsmehrheit verweigert zu haben und nun zu beklagen, dass es zu keiner Einigung gekommen ist.

Abgeordneter Mag. POSCH (S) beklagte, die Regierung sei vom bisherigen Weg der Einbindung aller gesellschaftlich relevanten Gruppen abgegangen.

Abgeordneter Mag. HAUPT (F) sprach von einer beschämenden Diskussion und meinte überdies, die SPÖ habe bewusst den Konsens in dieser Frage verlassen.

Abgeordneter Ing. WINKLER (V) sah das Gesetz hingegen als wichtigen Schritt zur Aufarbeitung des NS-Regimes und zur Versöhnung unter den Völkern.

Abgeordneter Dr. LOPATKA (V) betonte, die Regierung sei auf keinem Auge blind, es gehe darum, neben dem NS-Völkermord auch andere menschenverachtende Regime zu untersuchen.

Abgeordneter PRASSL (V) zeigte sich zufrieden über die Tätigkeit des Fonds und meinte, Österreich habe damit ein Zeichen der Versöhnung gesetzt.

Abgeordnete MACHNE (V) begrüßte die Erweiterung des Mandates des Zukunftsfonds, die es ihrer Meinung nach nun ermögliche, die Auslieferung von Kosaken in Osttirol und Oberkärnten durch Großbritannien an die Sowjetunion im Jahr 1945 aufzuarbeiten.

Abgeordneter Dr. WITTMANN (S) erwiderte, es gehe bei diesem Fonds einzig und allein um die Aufarbeitung des Nationalsozialismus.

Bundeskanzler Dr. SCHÜSSEL meinte, er verstehe den Streit eigentlich überhaupt nicht. Das Angebot einer paritätischen Besetzung des Beirates sei durchaus vernünftig gewesen. Er appellierte an die SPÖ, die gemeinsame Arbeit nicht zu beleidigen, das Anliegen des Fonds sei zu wichtig, um Gegenstand kleinkarierter Kritik zu werden.

Abgeordnete Mag. STOISITS (G) blieb bei ihrer Kritik an der Zusammensetzung des Kuratoriums, in dem sie vor allem ein Übergewicht der Regierungsvertreter erkannte.

Abgeordnete Mag. PRAMMER (S) bedauerte, dass ein Kompromissvorschlag ihrer Fraktion am Widerstand des Freiheitlichen Klubs gescheitert ist.

Abgeordneter SCHEIBNER (F) erwiderte, mit ihm als Klubobmann sei in dieser Frage nicht verhandelt worden.

Bundeskanzler Dr. SCHÜSSEL hob in einer neuerlichen kurzen Wortmeldung den Betrag der österreichischen die Wirtschaft zu den Mitteln des Fonds hervor.

Bei der Abstimmung wurde das Gesetz in dritter Lesung mit den Stimmen der Regierungsparteien angenommen.
     
zurück