Eröffnungsstatement von Außenministerin Plassnik bei Islamkonferenz  

erstellt am
15. 11. 05

Wien (bmaa) - Ein Eröffnungsstatement von Außenministerin Dr. Ursula Plassnik stand am Dienstag (15. 11.) am Beginn der Islamkonferenz "Islam in einer pluralistischen Welt".

Dabei nannte die Außenministerin als eines der Ziele der Konferenz, "gegen Vereinfachungen, Vorurteile und Feindbilder zu Felde zu ziehen", und betonte, dass Muslime und Musliminnen in aller Welt unter einer unzulässigen Verbindung von Islam mit Gewalt oder gar Terrorismus leiden würden. "Es darf nicht einer Handvoll Terroristen gelingen, den Blick auf die Realität der muslimischen Gesellschaften in der Welt zu verstellen", so die Außenministerin.

Plassnik warnte auch davor, "Terrorismus als Produkt eines Krieges der Kulturen und der Religionen darzustellen", gerade bei "dieser schwierigen Auseinandersetzung müssen wir uns vor gefährlichen Vereinfachungen hüten", so Plassnik. Die Außenministerin forderte einen behutsameren Umgang mit Worten und betonte "es ist unakzeptabel, das Existenzrecht des anderen in Frage zu stellen."

Unter Bezugnahme auf die beiden Hauptredner des heutigen Tages, die Staatspräsidenten Afghanistans und des Irak sagte Plassnik "Afghanistan und der Irak sind beide durch eine starke islamische Tradition geprägt. Die Menschen in beiden Staaten haben viele Jahre der Unterdrückung und der Tyrannei durchlitten. Heute arbeiten sie mit aktiver Unterstützung der gesamten internationalen Gemeinschaft am Aufbau einer demokratischen Gesellschaftsordnung. Sie haben unter schwierigsten Bedingungen und Gewaltdrohungen Wahlen durchgeführt und Verfassungen entwickelt - mit komplexen Fragen, die in islamischen Gesellschaften zu klären sind, wie etwa dem Islam als Rechtsquelle und der Stellung der Frauen".

Für den heutigen Konferenztag nannte Plassnik drei zentrale Fragen, die im Vordergrund stehen würden: die Frage, wie verschiedene islamisch geprägte Gesellschaften heute mit den Herausforderungen einer zunehmend pluralistischen Welt umgehen; die Frage, was in Europa getan werden könne, um das friedliche Zusammenleben von Muslimen und Nicht-Muslimen zu fördern; die Frage, wie universelle Werte, die allen Menschen und Kulturen gemeinsam sind, mit spezifischen nationalen, regionalen oder religiösen Traditionen vereinbart werden könnten.

Plassnik verwies weiters auf die Weltkonferenz für Menschenrechte in Wien im Juni 1993 und sagte "Unser gemeinsames Verständnis von Menschenrechten geht aus von einem Menschenbild, zu dem sich alle drei großen monotheistischen Weltreligionen bekennen: Christen, Juden und Muslime verbindet die Überzeugung von der Einmaligkeit des Menschen; es verbindet sie zugleich das Bewusstsein, dass Würde und Wert des Menschen von keiner äußeren Gewalt, keiner Regierung und keiner staatlichen Autorität bestimmt werden, sondern unmittelbar aus seiner Natur herrühren".

"Die gesellschaftlich-kulturelle Praxis der Religionen würde aber nicht immer ihren fundamentalen Prinzipien entsprechen; diese Praxis bestimme das breite religiöse Selbstverständnis oft mehr als die hohe Theologie das tut", so Plassnik. "Es ist daher wohl auch die sehr praktische Herausforderung für religiöse Führer, einem Auseinanderklaffen von geistiger Grundlage und gesellschaftlicher Praxis entgegen zu wirken. Damit kann ein wichtiger Beitrag geleistet werden, zu einer Stärkung von Identität, die integrierend und nicht isolierend wirkt", sagte Plassnik.

Plassnik sagte weiters "Wir müssen den Dialog der Kulturen daher realitätsnäher führen, mit mehr "Bodenkontakt" als bisher. Theologische Debatten geben uns nicht immer brauchbare Antworten für die drängenden und ganz konkreten Probleme des täglichen Umganges miteinander. Argwohn und Misstrauen dürfen sich nicht tiefer einfressen in unsere Gesellschaft und unsichtbare Gräben reißen oder unsichtbare Mauern bauen zwischen den Gemeinschaften. Wir sind gemeinsam dafür verantwortlich, den Alltag der kulturellen Vielfalt lebensnah zu gestalten: in der Schule, bei den Wohnverhältnissen, in der Glaubensausübung, bei der Einbindung in das Gastland, aber auch bei der Vermittlung von Gemeinschaftssinn und Verantwortung".

Als richtunggebend bezeichnete Plassnik die Schlusserklärung der Grazer Imame Konferenz 2003, die eine Absage an jegliche Form von Fanatismus, Extremismus und Fatalismus beinhalte; die die Menschenrechte als zentralen Bestandteil des Islam nenne; die Loyalität gegenüber Verfassung und Gesetz betone und Pluralismus als im Islam von Gott gewolltes Prinzip bezeichnet.

Plassnik bezog sich auch auf die große Österreicherin, Friedensnobelpreisträgerin Bertha von Suttner und forderte "Erst wenn die Erfahrungen und Einsichten der Frauen auch direkt Eingang finden in den Aufbau und in das Funktionieren einer Gesellschaft, wird diese Gesellschaft auch den Bedürfnissen aller entsprechen können".

"Um in der pluralistischen Gesellschaft des globalen Dorfes von heute in Frieden zusammenleben zu können, brauchen wir ein neues Denken, ein neues Fühlen und ein neues Handeln", sagte die Außenministerin und forderte einen stärkeren offenen Dialog im Alltag.

"Wir müssen uns anspruchsvolle Etappenziele geben: als Minimalstandard das friedliche Nebeneinander. Als nächste Stufe das gedeihliche Miteinander. Und als wünschbares Fernziel das wirkliche Füreinander in einer gemeinsamen Gesellschaft, in einer gemeinsamen Welt", so Plassnik abschließend mit dem Verweis "Wenn ich einen Wunsch habe, dann den, dass aus unseren Diskussionen möglichst viele Impulse füreinander ausgehen, die uns weiterführen und uns helfen bei der Lösung der ganz konkreten Probleme".
     
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