Gastinger: Arbeitsgespräche sehr erfolgreich  

erstellt am
16. 01. 06

"Justizielle Kontrolle von polizeilichen Befugnissen ist für die rechtsstaatliche Balance notwendig und wichtig."
Wien (bmaa) - Beim Informellen Treffen der Justiz- und Innenminister, das von 13. bis 14. Jänner in Wien stattfand, standen im Mittelpunkt der Gespräche am Freitag (13. 01.) Nachmittag die Weiterentwicklung des europäischen Strafrechts sowie die Grundrechte der Bürger. „ Der heutige Nachmittag war sehr erfolgreich. Wir haben in vielen Bereichen geklärt, wie wir weiter gehen“, so Ratsvorsitzende Gastinger in der anschließenden Pressekonferenz. Gastinger hob die drei Kernbereiche der Arbeitsgespräche hervor:

  • Mindestverfahrensgarantien sowie Grundrechtsschutz im Strafrechtsbereich
  • Weitere Auswirkungen des EuGH-Urteils betreffend den Rahmenbeschluss zum Schutz der Umwelt durch das Strafrecht
  • Erreichung höchstmöglicher Kohärenz im Zivil- und Strafrechtsbereich

Ratsvorsitzende Gastinger zeigte sich erfreut, dass im Bereich des Grundrechtsschutzes grundsätzliche Einigung erzielt worden sei. „Es ist Wunsch der Präsidentschaft den Grundrechtsschutz weiter zu behandeln“, so Gastinger. Notwendige Voraussetzung sei das gegenseitige Vertrauen. Als Basis bezeichnete sie dabei den Artikel 6 der Europäischen Menschenrechtskonvention. Weiters hat die österreichische Präsidentschaft in einem neuen Ansatz Mindestgarantien für die Fairness des Verfahrens und den Schutz des Einzelnen in diesen Verfahren vorschlagen und damit auch zu einer effizienten Strafverfolgung beitragen.

Ratsvorsitzende Gastinger betonte, dass die Entwicklung der europäischen strafrechtlichen Sanktionssysteme aufgrund der Rechtssprechung des EuGH intensiv diskutiert worden sei. So habe das EuGH-Urteil betreffend den Rahmenbeschluss zum Schutz der Umwelt durch das Strafrecht für Verwirrung und unklare Grundsätze gesorgt. Die österreichische Präsidentschaft möchte sicherstellen, dass Mechanismen eingeführt werden, die eine Entfremdung der Unionsbürger von grundlegenden Strafbestimmungen verhindert. Vor allem der Einfluss der nationalen Parlamente und der jeweiligen Justizminister muss voll gewahrt werden.

Betreffend die Erzielung höchstmöglicher Kohärenz betonte die Ratsvorsitzende, dass im Zivilrechtsbereich unterschiedliche Ratsformationen Zivilrechtsaspekte behandeln, wie beispielsweise im Gesellschaftsrecht, Urheberrecht, Vertrags- und Schadenersatzrecht. Derartige Regelungen fallen nicht in den Zuständigkeitsbereich des Rates für Justiz und Inneres aber sehr oft in jenen Justizminister der Mitgliedstaaten. Der Präsidentschaft ist es in diesem Bereich wichtig, das diesbezügliche Problembewusstsein zu stärken und zu erörtern, wie bestehende Informationsdefizite beseitigt werden können.

   

"Justizielle Kontrolle von polizeilichen Befugnissen ist für die rechtsstaatliche Balance notwendig und wichtig."
Nach der geplanten europäischen Sicherheitsarchitektur soll die Rolle von Europol in Richtung einer europäischen Ermittlungsbehörde mit Polizeibefugnissen ausgebaut werden. Dies wirft natürlich die Frage einer angemessenen Kontrolle der Ausübung dieser Befugnisse auf, wie sie im nationalen Verfahren den Justizbehörden obliegt.

Auf europäischer Ebene müssen daher analoge checks and balances errichtet werden (Durchführung bestimmter Ermittlungen nur auf Antrag der Staatsanwaltschaft und nach gerichtlicher Bewilligung). Hier könnte einerseits an einen schrittweisen Ausbau der Rolle von EUORJUST gedacht werden.

In einem ersten Schritt wäre es andererseits aber auch zielführend, wenn sich EUROPOL verstärkt des Instrumentariums gemeinsamer Ermittlungsgruppen bedienen würde, weil in deren Rahmen Einbindung und Kontrolle durch die nationalen Justizbehörden, vor denen schließlich das Gerichtsverfahren abzuführen ist, sichergestellt wäre. Derartige gemeinsame Ermittlungsgruppen können etwa in Österreich nur über Antrag der Staatsanwaltschaft und unter Leitung des Untersuchungsrichters geführt werden (§ 61 Abs. 2 EU-JZG).

„Hingegen bin ich von der Idee der Errichtung einer Europäischen Staatsanwaltschaft – wie sie auch in der europäischen Verfassung vorgeschlagen wird, nach wie vor nicht überzeugt. Wir sollten uns in Anbetracht der Unterschiede in den nationalen Verfahrensordnungen, die erst heute wieder in den Debatten am informellen JI- Rat deutlich geworden sind, in erster Linie dem Ausbau bestehender Institutionen widmen, bevor neue mit unklaren Aufgabenbereichen geschaffen werden. Solange Strafverfahren ausschließlich vor den nationalen Gerichten abzuführen sind, halte ich derartige supranationale Anklagebehörden für verfehlt,“ so Gastinger

Gastinger weiter: "Schließlich muss der Ausbau von Europol auch auf der Ebene der Grundrechte ausbalanciert werden; der Schutz des einzelnen im Strafverfahrens, sei es Beschuldigter oder Opfer darf nicht vernachlässigt oder durch Rechtsakte der gegenseitigen Anerkennung in den Hintergrund gedrängt werden. Hier müssen angemessene Verfahrengarantien (Recht auf Gehör, Recht auf Verteidigung, Recht auf Übersetzung, etc.) geschaffen werden, die der Bürger auch in einem „europäischen“ Strafverfahren mit einer ihm nicht vertrauten Rechtsordnung in Anspruch nehmen können muss."
     
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