Österreich, Europa & die Welt  

erstellt am
11. 01. 06

 Cap: Schüssels EU-Ratspräsidentschaft droht "Ratlospräsidentschaft" zu werden
Wien (sk) - "Wenn die EU-Präsidentschaft von Kanzler Schüssel so weitergeht wie bisher, dann wird das eine EU-Ratlospräsidentschaft", stellte der geschäftsführende SPÖ-Klubobmann Josef Cap am Dienstag (10. 01.) in einer Pressekonferenz fest. Das gestrige Treffen mit der EU-Kommission bezeichnete Cap als "vertane Chance". Kritik übte der gf. SPÖ-Klubobmann vor allem am "Schauspiel", das die Regierung in der Frage der EU-Verfassung abgeliefert hat. Das Auftreten der Regierung sei hier "völlig unabgestimmt" gewesen, die Folge ein "richtiges Kritikorchester in den heimischen und den internationalen Medien. Cap warf daher auch die Frage auf, "wie Schüssel in seiner Rolle als EU-Ratspräsident die anderen 24 EU-Mitgliedsländer koordinieren will, wenn er es nicht einmal schafft, seine eigene Regierung zu koordinieren?"

Das gestrige Treffen der Regierung mit der EU-Kommission sei nach den EU-Plakaten und dem Besuch der deutschen Kanzlerin Merkel bei Kanzler Schussel in Wien anlässlich des Neujahrskonzerts, in dessen Folge in französischen Medien von einer kleinen deutschen Präsidentschaft die Rede war, der "dritte Fehlstart" der EU-Präsidentschaft Schüssels. Die Reaktion der Medien auf den Streit der Regierung über die EU-Verfassung sei unfassbar, so Cap. So habe der Büroleiter der "Financial Times" in Brüssel zur Diskrepanz in der Regierung gemeint: "Ich kann nicht von unterschiedlichen Positionen sprechen, weil ich die österreichische Position nicht kenne".

Wenn die Regierung in der Kernfrage der Krise der EU, nämlich der Frage wie man mit dem Verfassungsentwurf umgeht, völlig unabgestimmt an die europäische Öffentlichkeit geht, so sei dies ein Zeichen von Führungsschwäche. So habe Schüssel gemeint, die Verfassung sei nicht tot, Vizekanzler Gorbach habe wiederum ein Zurück an den Start verlangt, von Außenministerin Plassnik gebe es überhaupt keine Konzepte, wie es mit dem Vertragswerk weitergehen soll. "Ängstlichkeit, defensive Politik, Fehler und mangelnde Professionalität", so ist aus Sicht von Cap der Beginn der EU-Präsidentschaft zu skizzieren. "Die Gegensätze in der Bundesregierung mag es geben, dass man die aber beim Treffen der EU-Kommission auslebt, ist mangelnde Professionalität des Bundeskanzlers, mangelnde Führungsfähigkeit", kritisierte der gf. SPÖ-Klubobmann.

Schüssel habe gestern keine Konzepte und Programme für Wachstum und Beschäftigung präsentiert, keine Initiativen für einen europaweiten Ausstieg aus der Atomenergie vorgelegt, sondern lediglich "esoterische Vorträge" über europäische Lebensmodelle gehalten, übte Cap heftige Kritik. Dabei wäre es Schüssels Aufgabe als EU-Ratspräsident, Antworten auf die zentralen Fragen, wie die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit, zu geben und präzise Vorschläge zu liefern. Cap wies darauf hin, dass die SPÖ im Juni vergangen Jahres einen Antrag eingebracht hat, in dem umgehend die Einsetzung eines Verfassungskonvents gefordert wird, der Teil III der EU-Verfassung, die weitestgehend der heutigen Rechtgrundlage entspricht, neu ausarbeitet. Dabei soll es vor allem zu einer klaren Neuordnung im Bereich Wirtschafts- und Beschäftigungspolitik kommen. Über den neuen Text soll dann EU-weit abgestimmt werden. Da es das Instrument einer europäischen Abstimmung noch nicht gibt, sollten die Rechtsgrundlagen bei einer eigenen Regierungskonferenz geschaffen werden, heißt in dem Antrag der SPÖ. Aus Sicht von Cap wäre dieser Antrag eine gute Grundlage, die Verfassungsfrage zu lösen.

Cap ging auch auf den Vorwurf ein, dass die SPÖ in der Europapolitik einen populistischen Kurs fahre. Er wolle sich dies nicht gefallen lassen, nur weil man auf die Sorgen und Ängste der Bevölkerung hört und nicht, wie die Regierung, die Menschen für dumm verkaufen will, indem man sagt, man müsse Europa den Bürger nur besser erklären. "Ich bin gerne ein Populist, wenn damit gemeint ist, man hört auf die Ängste und Sorgen der Menschen, man kämpft gegen die hohe Arbeitslosigkeit in Europa, man tritt gegen Sozial- und Lohndumping ein, man legt Vorschläge vor, wie man die EU-Verfassung, die für den Fortbestand der EU unerlässlich ist, wiederbeleben will", so Cap. In all diesen Fragen gebe es aber seitens der Regierung keine Konzepte und Programme, so der gf. SPÖ-Klubobmann, und kam zu dem Schluss: "Man muss die EU den Menschen nicht näher bringen, sondern die Politik ändern".

 

 Molterer: Cap auf Strache-Kurs
Wien (övp-pk) - Statt konstruktive Beiträge für die Zukunft der europäischen Idee zu leisten, wie dies andere europäische Sozialdemokraten tun, gleitet der stv. SPÖ-Klubobmann Cap auf Raunzer-Niveau und destruktiven Euro-Populismus ab und begibt sich damit auf eine Ebene mit FPÖ-Strache. Cap's Maßstab ist der Europopulismus, mit dem man sich zwar auf kurzfristigen Stimmenfang, nicht aber auf staatsmännisches, konstruktives Niveau begibt. Das erklärte ÖVP-Klubobmann Mag. Wilhelm Molterer am Dienstag (10. 01.) in einer Reaktion auf die Cap-Pressekonferenz.

"Gusenbauer schweigt zu den ungustiösen Anti-EU-Ausritten seines Klubobmannes - daher erkennen die Österreicherinnen und Österreicher jetzt umso deutlicher, wie wichtig es ist, dass an der Spitze der Republik und derzeit auch an der Spitze der EU mit Wolfgang Schüssel und der Bundesregierung ein Mann und ein Team stehen, die konstruktive Politik machen und nicht in destruktiven Populismus verfallen", fuhr Molterer fort. "Die österreichische Präsidentschaft und die Reaktion der Kommission auf die Arbeit der Bundesregierung zeigen, wie gut vorbereitet auf die europäischen Herausforderungen hier an die Arbeit gegangen wird."

Die SPÖ hätte ihren guten Willen zu einem Schulterschluss in europäischen und Verfassungsfragen längst und immer wieder unter Beweis stellen können, kritisierte Molterer. "Statt dessen kommen jetzt Phrasen, Populismus und leere Worthülsen. Auf diese Weise kann man nicht Politik machen, sondern lediglich Klamauk. Und so wird auch immer deutlicher, wie richtig und berechtigt die Androsch-Kritik an der SPÖ und seinen Genossen war und ist. Dass diese Kritik von der SPÖ aber ignoriert wird, ist als weiteres Armutszeugnis zu werten."

Gerade zu lächerlich ist für Molterer die Cap-Kritik am Besuch der deutschen Bundeskanzlerin Merkel beim Neujahrskonzert in Wien. "Da hängen dem Fuchs die sprichwörtlichen Trauben wohl zu hoch", erinnerte Molterer daran, dass anders als die gute Achse Merkel-Schüssel der ehemalige sozialdemokratische Bundeskanzler Schröder seinen Parteifreund Gusenbauer selbst im Wahlkampf im Regen stehen lassen habe. "Wir sind stolz auf die guten Beziehungen der österreichischen Bundesregierung zu Angela Merkel und ihrer Regierung. Der Verlust Schröders schmerzt vielleicht die SPÖ, aber sonst keinen!"

 

Scheuch: BZÖ wird Akzente setzten
EU-Verfassung gescheitert, Neustart notwendig - Neue Finanzierungsmodelle ausarbeiten - Spekulationssteuer einführen
Wien (bzö) - Bündnissprecher NRAbg. DI Uwe Scheuch bezeichnete am Dienstag (10. 01.) in einer Pressekonferenz die gescheiterte EU-Verfassung, Vorschläge zur zukünftigen Finanzierung der Union, die Erweiterungsfrage und die grassierende Arbeitslosigkeit als Themen des österreichischen EU-Ratsvorsitzes. Das BZÖ werde hier Akzente setzten. Diese vermisse man in der Europapolitik der SPÖ unter "Möchtegern-Kanzler" Gusenbauer gänzlich, ganz zu schweigen von der unsinnigen Fundamentalopposition der FPÖ.

"Die EU-Verfassung ist nach den negativen Referenden in Frankreich und den Niederlanden gescheitert. Es bringt nichts, an einem gescheiterten Projekt herumzudoktern, es muss jetzt einen kompletten Neustart geben", so der Bündnissprecher. Vizekanzler Hubert Gorbach habe hier als einziger den Mut aufgebracht, das auszusprechen. "Wenn die ÖVP mit ihrer Beschönigungspolitik das nicht einsehen will, betreibt sie Realitätsverweigerung. Wir treten dafür ein, den österreichischen Ratsvorsitz dafür zu nutzen, hier ein Expertenteam einzusetzen und konkrete Lösungsvorschläge zur Veränderung Europas auszuarbeiten. Nur so können wir die in der Bevölkerung herrschende EU-Skepsis verringern", so Scheuch.

Aber auch in der Frage der zukünftigen Finanzierung der Union hat das BZÖ konkrete Vorschläge. "EU-Kommissionspräsident Barroso hat in der gestrigen ZIB2 festgestellt, dass man sich für die Zeit ab 2008 Alternativen zur Finanzierung der EU überlegen muss. Wir treten klar dafür ein, hier schon im Rahmen unseres Ratsvorsitzes alternative Finanzierungsmodelle auszuarbeiten und auch umzusetzen. Mit permanentem Aufschieben kann man die Herzen der Bevölkerung sicher nicht für Europa begeistern", so Scheuch.

Der Bündnissprecher verweist auf die BZÖ-Idee der europaweiten Einführung einer Spekulationssteuer. "Mit unserer Spekulationssteuer werden wir jene treffen, die von der Globalisierung profitiert haben und damit die von Schüssel, Barroso und Voggenhuber geforderte EU-Steuer, die jeden einzelnen Bürger belasten würde, verhindern. Und die 20 bis 25 Milliarden Euro, die jährlich aus dieser Spekulationssteuer in den EU-Haushaltes fließen, werden wir auch zum Anlass nehmen, die hohen Beiträge des Nettozahlers Österreich zu senken", so Scheuch abschließend.

 

 Mölzer: Leere Worthülsen führen die EU nicht aus der Krise!
Freiheitlicher EU-Abgeordneter kritisiert Geschwätz des Erweiterungskommissars
Wien (fpd) - Anstatt klare Positionen zu beziehen, wolle es Olli Rehn offenbar allen und jedem Recht machen, sagte der freiheitliche EU-Abgeordnete Andreas Mölzer am Dienstag (10. 01.) zu den Aussagen des Erweiterungskommissars in einem Interview in der Tageszeitung "Die Presse". "Mit einer Aneinanderreihung von leeren Worthülsen und Lippenbekenntnissen wird sich die EU nicht aus der Krise führen lassen", gab Mölzer zu bedenken. Es sei fraglich, wie die EU ihre internen Probleme lösen solle, ohne die Erweiterung und Vertiefung aus den Augen zu verlieren. Mit diesem Geschwätz, das an der Realität vorbeigehe, werde die ohnehin schon große EU-Skepsis der Bürger nur noch weiter verstärkt werden, so Mölzer weiter. "Wenn Rehn davon spricht, daß die EU demokratischer werden müsse, warum sind dann von ihm keine konkreten Vorschläge für die Beseitigung des Demokratiedefizits zu hören? Offenbar will er den Bürgern Valium verabreichen, damit Brüssel weiter über ihre Köpfe hinweg entscheiden kann", kritisierte der freiheitliche Europaparlamentarier.

Daß im Zusammenhang mit dem Türkei-Beitritt die EU die Richtung der Reformen vorgeben könne, kann wohl nicht behauptet werden, merkte Mölzer an. "Hier war der Wunsch des Türkei-Lobbyisten der Vater des Gedankens". Wie sehr sich Ankara von den EU-Vorgaben beeindrucken lasse, zeigen die ständigen Verstöße gegen elementare Menschenrechte durch den türkischen Staat. "Wenn selbst der Türkenfreund Rehn Ankara klare Verstöße gegen europäische Standards attestiert, dann ist das wohl der beste Beweis dafür, daß die Türkei nicht in die EU gehört", stellte der freiheitliche EU-Mandatar abschließend fest.

 

Gehrer festigt Ruf als Ankündigungspolitikerin auch bei EU-Ratsvorsitz
Kritik an Ignoranz gegenüber Studienergebnissen
Wien (grüne) - "BMin Gehrer festigt ihren Ruf als Ankündigungspolitikerin, die in Wahrheit nichts oder fast nichts umsetzt. Wie schon für das österreichische Bildungssystem hat sie auch für den EU-Ratsvorsitz eine wilde Mischung von Punkten angekündigt. Es ist nicht nachvollziehbar, was oder wie viel davon jemals umgesetzt wird", reagiert der Bildungssprecher der Grünen, Dieter Brosz, auf Gehrers Aussagen vom Dienstag (10. 01.).

Es gäbe laufend internationale Erkenntnisse im Bildungsbereich; aktuell z.B. die Erkenntnis, dass das österreichische Schulsystem viel zu früh in AHS und Hauptschule trenne. "Anstatt wirkungsvoll gegen die höchst problematischen Sozialprobleme aufgrund der frühen Trennung vorzugehen, stellt Gehrer die Studienergebnisse einfach in Abrede", ergänzt Brosz.

"Überall dort, wo Handeln oder gar rasches Handeln gefragt ist, wartete Gehrer so lange zu, bis nur mehr behelfsmäßig oder wenig an der Situation zu verändern oder zu verbessern ist. So wird der Umgang mit der EuGH-Entscheidung zum freien Hochschulzugang als 'Gehrer-Klassiker' in die Annalen eingehen", so Brosz.

"Gehrer sollte mittlerweile dazu gelernt haben: Es ist klüger, nicht zahl- und wahllose Ankündigungen hinaus zu posaunen, sondern sich auf einige Punkte zu konzentrieren und diese dann auch umzusetzen", so Brosz, und abschließend: "Insgesamt ist zu befürchten, dass die Bilanz ihres Ratsvorsitzes ähnlich bescheiden ausfallen wird wie ihre Amtszeit als österreichische Bildungsministerin."

Wir übernehmen hier Stellungnahmen aller im Parlament
vertretenen Parteien – sofern vorhanden! Die Redaktion

       
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